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Flüchtlingspolitik

Blockade in EU bei Asylreform – Faeser hält Einigung noch für möglich

Die Zahl der Geflüchteten in Deutschland ist gestiegen. Die Debatte darüber, wie die Bundesregierung reagieren sollte, nimmt an Schärfe zu. Die Forderungen in der Flüchtlingspolitik rücken immer weiter nach rechts - und auch auf EU-Ebene gibt es ein Problem.

Donnerstag, 21.09.2023, 19:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 22.09.2023, 7:51 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Die Bundesregierung hält eine Einigung auf eine Asylreform trotz der Blockade des Europaparlaments noch vor der Europawahl für möglich. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) treibe die Verhandlungen zum Gemeinsamen Europäischen Asylsystem weiter voran, hieß es aus Regierungskreisen. Der Druck auf die Bundesregierung ist hoch, nachdem das Europaparlament am Mittwoch die Blockade von Verhandlungen über die geplante Asylreform angekündigt hatte.

Denn gerade Vorbehalte Deutschlands hatten im Sommer eine Positionierung der EU-Staaten zu einem Teil der geplanten Reform verhindert, der sogenannten Krisenverordnung. Die EU-Abgeordneten begründeten ihren Schritt nun auch damit, dass sich die Regierungen der Mitgliedstaaten zu diesem Teilbereich bislang nicht positioniert haben. Bis dies nicht geschehen ist, sollen Verhandlungen zu zwei anderen Teilbereichen nicht fortgesetzt werden.

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Junge Union will abgelehnte Asylbewerber einsperren

Brisant sind die Verzögerungen vor allem wegen der nahenden Europawahl im Juni 2024. Projekte, die bis dahin nicht mit den Regierungen der Mitgliedstaaten ausgehandelt sind, könnten anschließend wieder infrage gestellt werden und sich lange verzögern. Im Fall der geplanten Reform des Asylsystems wäre dies ein besonders großer Rückschlag. An dem Projekt wird seit Jahren gearbeitet. Es soll auch dazu beitragen, die illegale Migration zu begrenzen.

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Innerhalb Deutschlands gehen die Meinungen weit auseinander, wie man mit der gestiegenen Zahl von Flüchtlingen umgehen soll. Der Vorsitzende der Jungen Union (JU), Johannes Winkel (CDU), will die Freizügigkeit abgelehnter Asylbewerber hierzulande massiv einschränken. „Abgelehnte Asylbewerber, die nicht abgeschoben werden können, müssen nach dänischem Vorbild in Rückkehrzentren bleiben“, sagte der CDU-Politiker dem Boulevardblatt „Bild“.

Dänemarks strenge Migrationslinie

Dänemark wird in der Debatte aktuell häufiger als Modell genannt. Die Sozialdemokraten in Dänemark haben sich selbst einen strikten Einwanderungskurs auf die Fahnen geschrieben und damit der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei (DF) ihr Topthema genommen. Die Sozialdemokratin Mette Frederiksen eroberte mit dieser Strategie 2019 die Regierungsmacht und verbannte die Rechtspopulisten in die politische Peripherie. Frederiksens Strategie ist im Land allerdings umstritten. Die Regierungschefin fährt eine für sozialdemokratische Verhältnisse äußerst strenge Migrationslinie, bei der Dänemark an der Bevölkerung gemessen weniger Asylbewerber aufnimmt als die meisten anderen EU-Staaten.

Die FDP-Bundestagsabgeordnete Linda Teuteberg nannte fehlenden politischen Willen als eine Erklärung für Defizite in Deutschland. Einige europäische Nachbarländer zeigten dies. „Zur überfälligen Zeitenwende in der Migrationspolitik gehört, die Begrenzung von Zuwanderung als legitimes politisches Ziel anzuerkennen, und zwar im politischen Tagesgeschäft von Montag bis Samstag, nicht nur als Baustein in sonntäglichen Reden und Interviews“, sagte Teuteberg der Deutschen Presse-Agentur. Auch rechtliche Änderungen seien kein Tabu, betonte die Abgeordnete aus Brandenburg.

Steinmeier: Erwarte Entscheidung über Asylpolitik

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier indes rief eindringlich zu Bewegung in der Frage auf. „Wir können nur von hier aus mit Nachdruck die Erwartung äußern, dass über gemeinsame Verabredungen endlich abschließende Entscheidungen fallen“, sagte er am Donnerstag nach einem Treffen mit dem italienischen Staatspräsidenten Sergio Mattarella auf Sizilien, wo beide Präsidenten auch ein Flüchtlingsprojekt besuchten. Die Vorschläge lägen in Brüssel lange auf dem Tisch.

Steinmeier äußerte zudem die Hoffnung, dass sich die Regierungen in Deutschland und Italien in den kommenden Monaten in der Migrationspolitik wieder annähern. Deutschland nimmt aktuell keine weiteren Geflüchteten aus Italien über den freiwilligen Solidaritätsmechanismus auf, weil Italien sich weigert, im sogenannten Dublin-Verfahren Menschen zurückzunehmen. „Da muss es Annäherungen geben, das ist gar keine Frage“, sagte Steinmeier. Er sei sich sicher, dass sich beide Regierungen darum bemühten.

Menschenrechtler: Italien macht mit Flüchtlingsbildern Stimmung

Mattarella bezeichnete das Dublin-Verfahren als veraltet. „Die Dublin-Regeln sind prähistorisch. Das war eine andere Welt, es gab keine Massenmigration“, sagte er. Steinmeier sieht Europa in einer Übergangszeit. Es sei zu ahnen, „dass die alten Regeln allein nicht ausreichen und dass wir hin müssen zu einer gemeinsamen europäischen Asyl- und Migrationspolitik“, betonte er.

Menschenrechtler hingegen werfen der rechtskonservativen italienischen Regierung vor, die Bilder von überfüllten Aufnahmelagern auf der Insel Lampedusa, bewusst herbeizuführen, um damit Stimmung zu machen und Forderungen zu stellen. Die Lager seien seit Jahren überfüllt und die Regierung unternehme nichts dagegen, die Menschen weiterzuverteilen.

Ausgang auf EU-Ebene zunächst offen

Wie es auf europäischer Ebene nun weitergeht, ist offen. Das EU-Parlament blockiert die Verhandlungen über die Eurodac- und die Screening-Verordnung. Die Eurodac-Verordnung soll es leichter machen, mithilfe einer Datenbank mit Fingerabdrücken nachzuvollziehen, wo in Europa sich ein Asylbewerber vorher aufgehalten hat. Bei der Screening-Verordnung geht es vor allem um die Identifizierung von eingereisten Menschen an den Außengrenzen der Europäischen Union. Ob das Parlament durch die Blockade erreicht, dass die EU-Staaten zu einer Einigung bei der Krisenverordnung kommen, ist unklar, denn die Positionen liegen hier noch weit auseinander.

Der Vorschlag für die neue Krisenverordnung sieht etwa längere Fristen für die Registrierung von Asylgesuchen an den Außengrenzen vor, außerdem die Möglichkeit, Standards bei der Unterbringung und Versorgung zu senken. Die Bundesregierung befürchtet, dass die Standards zu sehr abgesenkt werden. Polen und Ungarn gehen die vorgeschlagenen Ausnahmevorschriften dagegen nicht weit genug.

Nächste Woche könnte möglicherweise Bewegung in die Sache kommen. Die EU-Innenminister treffen sich in Brüssel. Auf der Tagesordnung steht auch die Migrationspolitik. (dpa/mig) Aktuell Politik

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  1. Gerrit sagt:

    Von der FDP ist man ja einiges gewohnt — Stichwort Herr Lindner und verminderte Unterstützung für Flüchtlingskinder – https://www.migazin.de/2023/09/17/hoehere-sozialleistungen-lindner-kinder-gefluechteten/ – nach meinem Verständnis sind Kinder Kinder. Für Herrn Lindner scheint es Kinder zu geben, die sind gleicher als gleich.
    Vergessen hat er scheinbar das Urteil des Bundesverfassungsgerichts v. 18.07.2012 und die Hintergründe dazu. Aber Politiker*innen vergessen gern und schnell !!!

    Beschämend sind die Aussagen von Herrn Winkel. Er ist immerhin Vorsitzender der „JU“, also der Jugendvereinigung von CDU und CSU (wofür stand das „C“ nochmal) und war Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft katholischer Studentenverbände (AGV) und vertritt als AGV-Vorstandsmitglied die Arbeitsgemeinschaft im Zentralkomitee deutscher Katholiken (so jedenfalls kann man es bei Wikipedia nachlesen). Wie christlich …

    Europa scheint sich mehr und mehr von christlichen Werten und Menschlichkeit zu verabschieden.