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Plädoyer

Schluss mit dem Begriff „Rasse“ in Gesetzestexten

In Artikel 3 des Grundgesetztes sind menschliche Merkmale aufgezählt, aufgrund derer keine Person diskriminiert werden darf: Geschlecht, Herkunft und „Rasse“. „Rasse“? Ja, „Rasse“! Von Sami Omar

Von Dienstag, 06.02.2018, 6:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 11.02.2018, 21:24 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

Immer noch ist dieses Wort in deutschen Gesetzestexten zu finden. Artikel 3 des Grundgesetzes verbietet die Benachteiligung wegen biologischer menschlicher Merkmale, wie dem Geschlecht, ideologischer, wie der politischen Überzeugung und biografischer, wie der Herkunft. All diese Merkmale orientieren sich an Fakten.

Allein das Verbot der Benachteiligung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer „Rasse“ folgt einem Konzept von „Rasse“, das die Benachteiligung erst theoretisch begründet. Dass Rassentheorien allesamt haltloser Mist sind, ist längst kein Geheimnis mehr. Es ist Zeit, dass dieser Irrsinn aufhört!

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Rassismus in der Politik

Deutschland hat ein originäres Interesse daran, dieser überholten Theorie, die zum Zweck der Verdinglichung, Unterjochung und schließlich der wirtschaftlichen Nutzbarmachung anderer Menschen geschaffen und benutzt wurde, keinen Raum zu geben. Längst ist ethnische Vielfalt gesellschaftliche Realität und bedarf der Anerkennung gerade durch die Politik. Diese versucht in Teilen immer wieder auf eine angeblich natürlich gegebene „Andersartigkeit“ zugewanderter Menschen, schwarzer Menschen und People of Color an zu spielen und arbeitet damit letztlich mit der Rassentheorie.

Wenn der Entwicklungsminister vom afrikanischen Mann spricht, der lediglich 30 von 100 Dollar für seine Familie aufwende und den Rest verjuble für: „Alkohol, Suff, Drogen, Frauen natürlich!“. Wenn Innenminister de Maizière in seinen Thesen zur Leitkultur für Deutschland mit der Feststellung beginnt: „Wir legen Wert auf einige soziale Gewohnheiten, nicht weil sie Inhalt, sondern weil sie Ausdruck einer bestimmten Haltung sind: Wir sagen unseren Namen. Wir geben uns zur Begrüßung die Hand.“ Wenn der Radiomoderator des Senders 1Live Benni Bauerdickdes in einer Sendung sagt: „Ich komm‘ gerade von der Toilette. Noch schnell einen Obama ins Weiße Haus geschickt.“ – und seinen Arbeitsplatz behält.

Rassismus in den Medien

Wenn der Sender 3Sat seine fünfteilige Doku-Reihe mit den Worten ankündigt: „Afrika – Der ungezähmte Kontinent. Auf Safari in Afrika! (…) Kein Kontinent ist so umweht vom Nimbus der Wildheit, keiner so bekannt für die Ursprünglichkeit seiner Tierwelt. Wenn der weiße Comedian Luke Mockridge in seiner Sat1-Show diesen Scherz versucht: „Ich war bei ‚High School Musical‘, hab‘ ich mitgespielt, kanadische Bühnenproduktion, ich war der Schwarze, es wurde nach Penislänge gecastet, ich habe die Rolle bekommen.“

Rassismus geht davon aus, dass Menschen aufgrund zugeschriebener Andersartigkeit anders behandelt und bewertet werden müssen. Diese Andersartigkeit beinhaltet minderen Intellekt, reduzierte kulturelle Fertigkeiten und eine ursprüngliche, tiergleiche Wildheit. Doch nicht nur in Politik und Medien spürt man die Ausläufer der Rassentheorie, auf die sich in unserem Grundgesetz bezogen wird.

Deutsche Kolonialgeschichte in Schulen

Auch in deutschen Schulen wird die koloniale Geschichte Deutschlands oftmals als Randnotiz abgetan. Teilweise wird der Kolonialismus, der von hier ausging, in eine Form der Entwicklungshilfe verkehrt. Die Geschichte des afrikanischen Kontinents beginnt im deutschen Bildungssystem meist mit seiner Erschließung durch die Europäer. Noch viel zu oft wir in schulischen Arbeitsmaterialien die Geschichte des rückständigen Afrikaners und des fortschrittlichen Europäers fortgeschrieben.

So zum Beispiel in der Broschüre „Robinson in Kenia“ aus der Reihe „Kinder Kinder“ der Kindernothilfe. Sie wird in Schulen verwendet, um Schülern Informationen über das Land nahe zu bringen: Der kleine Robinson trifft hier auf einen Massai-Jungen, dessen Unterricht im freien unter einem Baum stattfindet. Außerdem gibt es in dem Heft noch den Aktionsteil: „essen, spielen, reden und sich anziehen wie Kinder in Kenia“. Und fertig ist das Afrikabild des deutschen Grundschülers.

Affenlaute in Stadien

Auch im Sport äußert sich der Rassismus als Phänomen, das sich aus einem Konzept herleitet. Wenn in Deutschland schwarze Fußballspieler von der Tribüne herab mit Affenlauten bedacht oder mit Bananen beworfen werden, dann geht das auf die bewusste Vermischung zweier Gedanken zurück.

Zum einen ist da Darwins Annahme, der Mensch stamme vom Affen ab. Zum anderen ist da die Out-of-Africa-Therorie, die den Ursprung der Menschheit auf dem afrikanischen Kontinent verortet. Vermischt man beide, kann man – scheinbar glaubhaft – argumentieren, „die Afrikaner“ hätten, wegen ihrer Rückständigkeit und wegen des Verbleibs am Ursprungsort der Menschheit etwas Animalisches, Unmenschliches an sich.

Charles Darwin, der Böse

Charles Darwin wurde auch deshalb so sehr für seine Evolutionstheorie angegangen, weil er Menschen damit in die Nähe von Tieren rücke, so der damalige Vorwurf. Seine Theorie wurde als „Affentheorie“ abgetan und die koloniale Entmenschlichung schwarzer Menschen machte es möglich diese Abstammungslinie vom Tier zum Menschen auf Afrikaner zu beziehen, während der Europäer sich fern von dem Ursprung dieser Linie, kulturell und physisch enorm entwickelt habe. Wenn heute also in Fußballstadien Affenlaute ertönen, dann hallt dort nichts anderes über die Tribünen, als die schall-gewordene weiße Hybris des postkolonialen Europa.

Man könnte nun argumentieren, dass die Änderung des Gesetzestextes hin zu einer Vermeidung aller Begriffe, die einen direkten Bezug zu Rassentheorien herstellen, einer Illusion Vorschub leistet. Der nämlich, dass diese Änderung auch eine Änderung und Reduktion des gesellschaftlichen und institutionellen Rassismus nach sich zögen. Das wird nicht passieren – doch es ist gar nicht das Ziel!

Ein guter Anfang

Die Streichung des Wortes „Rasse“ aus Gesetzestexten soll:

  1. es allen staatlichen Institutionen unmöglich machen, sich auf den Rassenbegriff zu berufen.
  2. es allen Menschen, die vor dem Hintergrund deutschen Rechtes auf Gleichbehandlung pochen, ersparen, sich auf den Rassenbegriff im Gesetzestext berufen zu müssen.
  3. ein Bekenntnis des Rechtsstaates erwirken, in welchem er sich von der Rassentheorie und der impliziten Rechtfertigung kolonialer Greul distanziert.

Das wäre kein gutes Ende, aber ein guter Anfang. Leitartikel Meinung

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  1. Michael R. sagt:

    Fraglich ob man das Problem des Rassismus in den Griff bekommt, indem man den Begriff Rasse aus den Gesetzestexten streicht. Eine Unterscheidung danach findet dennoch statt, z.B. auch bei Facebook, die es dann halt „Ethnien“ nennen. Ist das wirklich besser?

  2. Stefan Böckler sagt:

    Hier schießt der Autor m. E. ein wenig über das Ziel hinaus. Eine Eliminierung des Begriffs ‚Rasse‘ müsste, sollte seine Argumentation korrekt sein, auch in einer Vielzahl unterschiedlicher Menschenrechtsschutzkonventionen gestrichen werden, die wie selbstverständlich davon ausgehen, dass es zumindest biologisch vorgegebene ‚rassische Merkmale‘ (wie die Hautfarbe) gibt, aufgrund deren Besitz bestimmte Personengruppen diskriminiert werden. Gäbe es solche Merkmale nicht (ob man das systematische Zusammenauftreten solcher Merkmale mit dem Begriff der ‚Rasse‘ bezeichnen will, sei dahingestellt, ist aber eine nur empirisch zu beantwortende Frage), würde dies auch dem Begriff des Rassismus selbst den Boden entziehen, der ja wohl genau die einstellungsmäßige Abwertung und die praktische Diskriminierung von Personen aufgrund bestimmter sichtbarer ‚rassischer‘ Merkmale bezeichnet. Und selbst wenn man den Begriff der ‚Rasse‘ oder der ‚rassischen Merkm ale‘ als vollständiges Konstrukt aufzeigen könnte, würde dies kaum etwas daran ändern, dass diesem Konstrukt vorerst in den Augen der Handelnden eine Orientierungsfunktion zukommt. Der Autor folgt hier dem inzwischen weitverbreiteten Versuch, unangenehme, aber existierende soziale Wirklichkeiten durch Eliminierung der auf sie bezogenen Begriffe aus der Welt zu schaffen.

  3. Gregor Freytag sagt:

    @ Stefan Böckler

    Ihr Text zeigt, dass Sie nur die Hälfte des Konzepts „Rassismus“ und der diesem zu Grunde liegenden Rassentheorie verstanden haben. Bei der Rassentheorie geht’s nicht darum, dass Menschen physiognomisch unterschiedlich sind. Das ist eine Binsenweisheit. Es geht darum, dass Menschen aufgrund dieser marginalen Unterschiede, die ja innerhalb einer (hypothetischen), nämlich zwischen Individuen, größer als zwischen den (hypothetischen) „Rassen sind“ (siehe hierfür eine kluge Abhandlung: http://www.spektrum.de/lexikon/biologie/menschenrassen/42123) , in ungleiche Schubladen eingeteilt werden, wobei einer Schublade (also „Rasse“) generell schlechtere Eigenschaften (z.B. geringere Intelligenz) zugeschrieben wird als anderen. Wohlgemerkt: zugeschrieben – denn die genetischen Unterschiede zwischen Menschen verschiedener geographischer Regionen betragen eben maximal 1 Promille und taugen absolut nicht, um irgendwelche relevanten Unterschiede im Bereich der evolutionären Entwicklung, Leistungsparametern (wie Kraft, „Intelligenz“ etc.) zu erklären

  4. Stefan Böckler sagt:

    Danke für Ihre differenzierte Antwort. M.E. muss man die Frage, ob es überhaupt sinnvoll ist, ‚Rassen‘ bzw. <rassischen Merkmalen' zu unterscheiden, die empirische Frage danach, ob die offensichtlichen phänotypischen Unterschiede zwischen Menschen wie die Hautfarbe auch mit anderen biologischen Eigenschaften verknüpft sind, und ob die Korrelation mit solchen Eigenschaften so stark ist, dass sie es sinnvoll macht, diese Merkmale gegenüber anderen Merkmalen 'einheitsstiftend' hervorzuheben, statistisch würde man wohl sagen, ob die Binnenkorrelation relevanter Merkmale der Gruppe stärker ist als die relevanter Merkmalen mit den Mitgliedern anderer anderer Gruppen; wenn das so ist, würde man dann ganz andere Gruppen bilden müssen oder bei nicht-systematischer Verteilung solcher Korrelationen auch gar keine Gruppen bilden (Ihr Hinweis auf eine 99 %ige genetische Gemeinsamkeit von Menschen spricht wahrscheinlich hierfür.) .Soweit ich weiß, ist diese Frage wissenschaftlich allerdings noch nicht letztendlich entschieden (werde mir aber den von Ihnen genannten Artikel durchsehen.). Davon ist aber m. E. die Frage einer Unterschiedllichkeit oder gar Höher- und Minderwertigkeit von solchen Gruppen, selbst wenn sie sich biologisch in diesem Sinne genetisch relevant unterscheiden würden, in Bezug auf nicht-natürliche Merkmale zu unterscheiden.Selbst wenn es systematische genetische Unterschiede zwischen Gruppen gäbe, die eine Einteilung in 'Rassen' legitimieren würde, ließe sich daraus nicht das geringste über deren soziale, psychische und kognitive Fähigkeiten und Eigenarten ableiten. Aber das ist natürlich eine durch und durch akademische Frage. Im gegebenen Kontext scheint es mir viel wichtiger zu fragen, ob man rassistische Diskriminierung dadurch reduziert, dass man den Begriff der Rasse, der ja sozial weiterhin enorm wirksam ist, eliminiert und zwar auch aus kritischen Kontexten, die sich gerade der faktischen Diskriminierung aus einer rassistischen Perspektive entgegenstellen. Aber vielleicht hängen die oben genannte analytische und diese politische Frage dann doch irgendwo zusammen in dem Sinne, dass bei erwiesener analytischer Irrelevanz des Rassenbegriffs man tatsächlich einen Frontalangriff auf die Verwendung dieses Begriffs starten müsste, um ihn sozusagen aus dem Bereich der für die Wirklichkeit sinnvoll beschreibenden Begriffe auszugliedern, was ein höchst anspruchsvolles und nur international anzugehendes Projekt wäre. M. E. gibt es hier noch eine Menge offener Fragen.