Flüchtlingspolitik

Bundesregierung setzt auf EU-Asylreform: Abschiebungen neue Priorität

Bundeskanzler Scholz und Innenministerin Faeser gehen von einer Verständigung auf die  EU-Asylreform aus. Nach tödlichen Schüssen eines abgelehnten Asylbewerbers in Brüssel rückt das Thema Abschiebungen weiter in den Fokus.

Donnerstag, 19.10.2023, 21:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 19.10.2023, 17:57 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich am Donnerstag zuversichtlich gezeigt, dass die angestrebte Reform des EU-Asylsystems kommt. Man könne sicher davon ausgehen, dass es in den Verhandlungen mit dem EU-Parlament gelingen werde, eine Verständigung zu erreichen, sagte Scholz in einer Regierungserklärung im Bundestag. Er betonte, die Reform sei im Interesse Deutschlands, weil dadurch künftig alle Geflüchteten in den Ländern registriert werden sollen, in denen sie zuerst ankommen. „Das ist ein großer Fortschritt“, sagte Scholz.

Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) setzt weiterhin auf die groß angelegte Reform. „Wir haben sehr gute Vereinbarungen getroffen zu einem gemeinsamen Asylsystem auf der europäischen Ebene und auch dem letzten Baustein, der Krisenverordnung. Das dauert jetzt bis zur Umsetzung, aber das ist die einzig mögliche Lösung“, sagte Faeser am Donnerstag am Rande des EU-Innenministertreffens in Luxemburg. Dort stand auch das Reformpaket auf der Tagesordnung.

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Neue Priorität: Abschiebung von Gefährdern und Straftätern

Die EU ringt seit Jahren um eine Reform des Asylsystems. Sie soll dazu führen, Fluchtzuwanderung zu reduzieren, stärker zu ordnen und zu einer faireren Verteilung Schutzsuchender innerhalb der EU zu kommen. Die Innenminister hatten sich im Juni auf ein Reformpaket geeinigt. Aus Ungarn und Polen gab es zuletzt aber Widerstand.

Als eine neue Priorität beschrieb Bundesinnenministern Faeser am Donnerstag die Abschiebung von Gefährdern und Straftätern. So sehen es auch andere Innenminister und die EU-Kommission. Hintergrund ist, dass am Montag ein Mann in Brüssel zwei schwedische Fußballfans erschossen hat. Der mutmaßliche Täter, ein Tunesier, lebte illegal in Belgien und hätte ausgewiesen werden sollen, nachdem sein Asylantrag 2020 abgelehnt worden war. Die Terrormiliz „IS“ reklamierte die Tat für sich. Nach Anschlagsdrohungen waren auch in Frankreich am Mittwoch mehrere Flughäfen geräumt worden. Seither sprechen insbesondere Belgien, Schweden, Frankreich und die EU-Kommission von einer neuen Terrorgefahr.

EU arbeitet an Kooperationsabkommen

Faeser traf daher am Donnerstagmorgen noch vor Beginn des Innenministertreffens Amtskollegen, um über den „islamistischen [sic!] Terror“ der vergangenen Tage in Belgien und Frankreich zu sprechen, den sie „aufs Schärfste verurteile“. „Wir haben auch heute Morgen darüber gesprochen, dass wir Wege brauchen, damit die Rückführung von Gefährdern, von Straftätern auch tatsächlich erfolgt. Das ist jetzt sehr wichtig“, sagte Faeser.

Um Menschen ohne Anrecht auf Asyl abschieben zu können, brauche es Kooperationsabkommen mit Herkunftsländern und Drittstaaten. Daran arbeite die EU, sagte Faeser. Neben Tunesien gehe es „auch um andere Staaten, wo auch Gefährder und Straftäter zurückgeführt werden müssen. Ich halte es für unabdingbar, dass das funktioniert.“

Zuletzt hat Tunesien nach Spannungen im Zuge des umstrittenen Migrationsdeals 60 Millionen Euro Haushaltshilfe an die EU zurückgezahlt. Das nordafrikanische Land hatte zuvor bereits angekündigt, die Mittel abzulehnen. Tunesien „nimmt nichts an, was Gnaden oder Almosen ähnelt“, hatte Präsident Kais Saied gesagt. Die Ankündigungen der EU stünden im Widerspruch zu einer zuvor unterzeichneten Grundsatzvereinbarung. Man werde trotz der Rückzahlung weiter an dem Abkommen arbeiten, sagte die Sprecherin der EU-Kommission. Allerdings mehren sich Zweifel, ob das umstrittene Abkommen zur Migration zwischen Brüssel und Tunis Bestand haben wird.

Neue Rückführungsrichtlinie

Derweil hatte auch die EU-Kommission angekündigt (Mittwoch), Abschiebungen von Personen, die ein Sicherheitsrisiko darstellen, erleichtern zu wollen. Die Kommission habe einen Vorschlag vorgelegt, erklärte EU-Kommissar Margaritis Schinas. Dabei geht es um eine neue Rückführungsrichtlinie. Das EU-Parlament hat sich zu diesem Gesetzesvorschlag noch auf keine gemeinsame Position geeinigt.

Die EU-Innenkommissarin Ylva Johansson hatte am Mittwoch erklärt, dass bei 400.000 Rückführungsentscheidungen in diesem Jahr nur 65.000 Personen tatsächlich in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt worden seien. Das Hauptproblem bei Abschiebungen ist, dass es häufig keinen Staat gibt, der die Personen aufnimmt. (epd/mig) Leitartikel Politik

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