Italien
Von der Leyen will mehr Mittelmeer-Kontrolle, Meloni mehr Härte
Tausende Menschen haben in wenigen Tagen die italienische Insel Lampedusa erreicht. EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen macht sich mit Italiens Regierungschefin ein Bild von der Lage. Der Besuch rückt den jahrelangen Streit über die EU-Migrationspolitik in den Fokus. Derweil stirbt ein Neugeborenes auf Boot.
Sonntag, 17.09.2023, 18:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 17.09.2023, 15:53 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die EU-Kommission will mit stärkerer Überwachung des Mittelmeers auf die zahlreichen Überfahrten von Menschen nach Italien reagieren. Das kündigte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Sonntag bei einem gemeinsamen Besuch mit der rechtsgerichteten italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni auf der Mittelmeerinsel Lampedusa an. Meloni pochte auf ein härteres Vorgehen: Die Menschen müssten schon an der Überfahrt nach Europa gehindert werden. Über die Umverteilung der Geflüchteten auf die Mitgliedstaaten zu reden, löse das Problem nicht.
Die EU-Außengrenze soll nach Worten von der Leyens stärker auf See und aus der Luft überwacht werden. „Wir können dies über Frontex tun“, sagte sie mit Blick auf die EU-Grenzschutzagentur. Die deutsche Spitzenpolitikerin fügte hinzu, sie unterstütze es, Optionen zur Ausweitung bestehender Marine-Einsätze im Mittelmeer auszuloten oder an neuen Einsätzen zu arbeiten. „Wir werden entscheiden, wer in die Europäische Union kommt – und unter welchen Umständen. Und nicht die Schleuser“, sagte von der Leyen.
Neugeborenes stirbt auf Boot
Italien gehört zu den EU-Staaten, wo besonders viele Geflüchteten ankommen. Über das Mittelmeer erreichten dieses Jahr nach Zahlen des Innenministeriums in Rom bereits mehr als 127.200 Menschen das Land (Stand 15. September). Im Vorjahreszeitraum waren es rund 66.200. Wegen der Nähe zur tunesischen Küstenstadt Sfax gehört Lampedusa seit Jahren zu den Brennpunkten der Fluchtbewegung nach Europa.
Auf einem der Boote, die am Samstag die italienische Insel erreichten, starb Medienberichten zufolge ein Baby, das während der Überfahrt geboren wurde. Bei der Mutter setzten auf dem Kahn die Wehen ein. Mit der Hilfe von anderen Mitreisenden brachte sie das Baby zur Welt. Laut den Berichten starb der Säugling kurz nach der Geburt. Rund 40 Migranten waren an Bord des Bootes, das von einem Patrouillenboot der Hafenbehörde gerettet wurde.
Pushbacks im Mittelmeer
Von der Leyen und Meloni besuchten das Erstaufnahmelager auf der Insel, das vor wenigen Tagen noch mit rund 6.800 Menschen maßlos überfüllt war. Sie besichtigten auch die für Geflüchteten-Ankünfte vorgesehene Mole. Auf dem Wasser schwammen zurückgelassene Metallboote.
Derzeit gibt es nach EU-Informationen drei Frontex-Operationen im Mittelmeer, um die EU-Außengrenzen zu sichern, gegen Schleuser vorzugehen und – wie es offiziell heißt – Menschen in Not zu retten. Eine staatliche organisierte Seenotrettungsmission gibt es trotz zahlreicher Schiffsunglücke mit vielen Toten im Mittelmeer nicht, was Kritik erntet. Stattdessen gibt es immer wieder Berichte über illegale Pushbacks bei Frontex-Operationen. Darunter versteht man die Zurückweisung von Schutzsuchenden an den Außengrenzen, die nach internationalem Recht illegal sind.
10-Punkte-Plan
Die Ausweitung der Überwachung ist Teil eines 10-Punkte-Plans, den von der Leyen vorstellte. Demnach soll auch die Ausbildung der tunesischen Küstenwache und anderer Strafverfolgungsbehörden verbessert werden. Von der Leyen kündigte zudem ein härteres Vorgehen gegen Schleuser an. Sie betonte auch, je besser bei der legalen Migration vorgegangen werde, desto strenger könne man bei der irregulären Migration sein.
Angesichts der Lage auf Lampedusa soll die EU-Asylagentur Italien bei der Registrierung neuer Flüchtlinge helfen. Das Land soll zudem dabei unterstützt werden, Menschen von der überlasteten Insel zu bringen. Von der Leyen appellierte an die anderen EU-Staaten, freiwillig Geflüchtete aus Italien aufzunehmen.
Meloni:
Den EU-Staaten ist es bis heute nicht gelungen, eine umfassende Reform des europäischen Asylsystems zu verabschieden. Neben Italien beklagen auch andere Mitgliedstaaten an den EU-Außengrenzen mangelnde Solidarität der Partner.
Es sei Aufgabe der gesamten EU, die Situation zu bewältigen, sagte Meloni. „Wenn wir nicht ernsthaft und gemeinsam gegen die illegalen Überfahrten vorgehen, werden die Zahlen dieses Phänomens zuerst die Staaten an den Außengrenzen überrollen, aber dann alle anderen“, insistierte sie. „Das Problem ist ein Problem, das unweigerlich alle betrifft und von allen angegangen werden muss.“ (dpa/mig) Aktuell Politik
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