Der Triebtäter

Ein offener Brief an alle Demokraten

Egentlich soll ich hier ja über Integrations- und Migrationsfragen schreiben, ist dies doch ein Fachmagazin. Doch was soll ich machen? Ich bin nunmal ein politischer Extremist. Und so einem kann man nichts vorschreiben.

Von Dienstag, 15.07.2014, 8:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 17.07.2014, 16:44 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Darum heute mal aus aktuellem Anlass etwas Anderes. Und da ich schon zu diesem Thema schreibe, will ich absolut sicher gehen, dass alle mitlesen, an die das hier geht, man verzeihe mir daher ein paar Schlagwörter an dieser Stelle: Bombe. Allah. Terror. Flugzeug. Paradies.

Meine Damen und Herren Geheimdienstmitarbeiter, ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

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Und damit zum Thema. Für die NSA bin ein Extremist. Das ist inzwischen bekannt geworden. Dass der BND mitliest: nur so eine Vermutung. Wie ich darauf komme?

Nun, ich nutze schon seit Jahren kein Windows mehr als Betriebssystem. Um auf dem Laufenden zu sein, ist im Laufe der Jahre auch das Linux Journal in meine Quellensammlung gewandert – jenes Magazin, dass, wie die Tagesschau veröffentlichte, für die NSA ein „extremistisches Forum“ ist, weil dort am Rande auch über Verschlüsselungstechnologien berichtet wird. Jeder, der die Seite anklickt, wird daher automatisch als extremist getagged und dann von der NSA verfolgt: Ein harmloses Internetportal zu Computerthemen zu lesen, reicht also schon aus, um ein extremist zu sein. Oder anders: Der Wunsch nach Privatssphäre gilt Geheimdiensten als extremistisch. Mag sich jeder ausmalen, wie da das migazin abschneidet, als Verharmloser der latent terroristischen Fundamentalisten aus der Migrationscommunity – oder was diese Leute sonst so darüber denken.

Ich schreibe dies nicht, weil mich mein Interesse an Linux womöglich einmal daran hindern könnte, in die USA einzureisen – als Vegetarier würde ich schließlich im Flugzeug auch kein Schweinefleisch essen, und kein Schweinefleisch essen, das ist verdächtig per se, eine gezielte Überprüfung also unumgänglich – sondern, weil es als pars pro toto für den fanatistischen Eifer einer Sicherheitsarchitektur steht, die längst jeder Maß für die Wirklichkeit verloren, und der jedwede demokratische Kontrolle abhanden gekommen ist.

Der BND nun steht der großen Schwester NSA wenn überhaupt allein in den technischen Möglichkeiten nach, nicht jedoch im faschistoiden Eifer. Dass eine weitgehende Kontrolle zumindest des deutschen Internets in seinen Möglichkeiten liegt, ist unbestritten. Dass ich als Autor in einem Magazin wie diesem, der nicht immer ganz freundlich mit der Politik und insbesondere den amtierenden Innenministern umgeht, flächendeckend elektronisch überwacht werde, würde mich, sagen wir es mal so, nicht wahnsinnig überraschen. Dass das auch für Kollegen gilt, ebensowenig. Berufsrisiko. Dass ein einfacher Klick in diese Kolumne ausreichen kann, um ebenso in die Fänge von Big Brother zu geraten, das hatte ich mir bisher aber nicht ausmalen können, das galt für mich als paranoider Wahn. NDR, WDR uns Süddeutsche beweisen nun: paranoider Wahn ist immer zuerst in Geheimdiensten zu suchen.

Aus diesem Grunde rufe ich jedem zu, der diese Zeilen liest: Du glaubst vielleicht, nichts zu verbergen zu haben: Nun, da du den Geheimdiensten persönlich bekannt bist, überlegst du es dir vielleicht nochmal. Verschlüsselung geht uns aber auch so alle an. Die gezielte Überwachung derer, die sich hiermit beschäftigen, zeigt, dass Verschlüsselung ein effektives Mittel ist, der Überwachung zu entgehen.

Und selbst, wenn du immer noch glaubst, keine Verschlüsselung zu brauchen: Es gibt andere, die darauf angewiesen sind. Um Informanten zu schützen, zum Beispiel. Oder um der Kontrolle eines ademokratischen Regimes zu entgehen. Deutschland gehört noch nicht zu diesen Ländern. Die Demokratie ist aber ein fragiles Konstrukt, und die Unterordnung ihrer Instrumente unter systemrelevante Privatunternehmen schadet ihr sicher: von der marktkonformen Demokratie Merkels zum Tyrannis des Marktes ist es nicht gar so weit.

Die Sympathie mit türkischen Demonstranten, chinesischen Bloggern und russischen Aktivisten ist oft groß. Konkretes Handeln selten. Aber auch diese Menschen schützen wir, indem wir unsere Daten, unsere Kommunikation verschlüsseln, schon, weil wir Ressourcen binden. Und, weil eine gezielte Überwachung derer, die sich allein dadurch verdächtig machen, dass sie ihre Daten verschlüsseln, unmöglich wird, wenn die Zahl derer, die sich aus Prinzip, nicht aus Schutzbedürfnis, vor Überwachung schützen, so groß wird, dass alle in der Masse verschwimmen.

Darum: Wehrt euch. Wehret den Anfängen. Aktuell Meinung

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  2. Lynx sagt:

    Was ist, wenn ich z. B. so schreibe: Ǧihād und USAma ibn Ladin? Wird das dann auch von der NSA ausgefiltert?

  3. Marc Hinrichs sagt:

    Wo kann man dem Linuxforum denn beitreten? (Link!!!)
    Ich will auch an den Stammtisch der „bösen Jungs“^^

    Beste Grüße

    Marc

  4. Marc Hinrichs sagt:

    @Lynx: Na klar, die haben ein Autocorrect-Plugin.