Partiziano

Hot Cousine in der Haute Cuisine

Aus den Tiefen der Kochnit(z)sche brandheiß auf den Herd: Wo Laute leise lauern, schmeckt dem synthetischen Migranten das geflügelte Wort auch trotz Sprachfa(rfa)llen am besten.

Von Mittwoch, 05.09.2012, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 11.09.2012, 8:36 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

Proust oder Prost? Chat-Ass oder Jackass? Amish oder Manisch? Mennoniten oder Monolithen? Auch wenn Sprache in Stein gemeißelt sein kann, zeigt sich doch immer wieder, dass der Glaube an ihren wilden und freien Charakter Berge versetzt. Bestes Beispiel für die Beweglichkeit von Buchstaben und anderen sinngebenden Symbolen ist die Tautologie, also semantische Wiederholungen in Form einer rhetorischen Figur. Diese Sprach-Pirouetten finden sich beispielsweise, wenn auch in versteckter Form, im deutschen Wort klammheimlich. Das Lateinische clam bedeutet heimlich, und was heimlich bedeutet, weiß ja nicht nur der Bundesnachrichtendienst. Heimlich ist das Gegenteil von öffentlich und in diesem Sinne ist auch das Wort öffentlich-rechtlich eigentlich eine Tautologie oder besser noch redundant, sollte doch das Rechtliche immer öffentlich sein. Diverse Untersuchungsausschüsse zur NSU und 20 Jahre nach Rostock-Lichtenhagen sind weitere Gründe, um sich über Sprache zu unterhalten – und über Begriffe. Lichtenhagen heißt der Ort, an dem 1992 Asylbewerber im Sonnenblumenhaus von Dummdeutschen, Nazis und feigen Flaschen bedroht, mit Molotowcocktails beworfen, beschimpft und verhöhnt wurden.

Lichtenhagen und Sonnenblumenhaus klingen aber eher nach Peter Lustig und dessen obligatorischen Bauwagen als nach Schrecken und Schande, Pogromen, überforderter Polizei und blasierten Politikern. Manches Opfer würde die schrecklichen Erinnerungen gerne verdrängen, viele Täter wahrscheinlich auch. Und natürlich auch die ganzen Gaffer, die zynisches Showrooming betrieben, indem sie in Rostock-Lichtenhagen zuschauten, sich perversen Appetit holten und dann irgendwo anders zuschlugen. Andere wiederum wollen engagierte Zeichen setzen, dummerweise in Form einer Eiche und zwar genau am Sonnenblumenhaus. Schließlich habe das Grünbauamt der Stadt dem Kolping-Begegnungszentrum als Initiator der Pflanzaktion eine deutsche Eiche empfohlen. Der Baum sollte eigentlich an die schrecklichen Ereignisse im August 1992 erinnern. Doch die AG antifaschistischer Fuchsschwanz erinnerte der Baum eher an Deutschtümelei und so setzten diese (f)liederlichen Linken die Säge an und fällten damit das Todesurteil für die gut drei Meter hohe Eiche.

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Endemische Schweigepflicht
Dann lieber doch dort sein, wo es auch mal kahl und unbewaldet ist und man trotzdem von tautologischen Ornamenten umgeben ist – beispielsweise auf der westlichsten Kanareninsel La Palma. Hier hat man neben Pinien und anderem Gewächs auch einfach mal Ruhe vor hohen Tannen und Tatra-Greisen und kann die schweigsame Doppelzüngigkeit der endemischen Gran-Canaria-Rieseneidechse genießen, wenn, ja wenn da nicht dieser Name wäre: Los Llanos de Aridane. Übersetzt heißt die südwestliche Provinz der Insel schlicht und doppelt ergreifend: Die Ebenen der Ebenen. Denn in der Sprache der Palmerischen Ureinwohner, der Benahoarita, stand Aridane eben für Ebene. Ähnliches findet man auch auf anderem Niveau: Der Etna führt ebenso einen Doppelnamen, zwar nicht im Stile von Bennhausen-Schuckenreiter, aber dennoch sehr aussagekräftig, was Sprache als Spiegel pragmatischer Integration angeht. In Sizilien nennt man ihn liebevoll Mongibello, was sich aus dem Lateinischen mons und dem Arabischen djebel zusammensetzt. Ergibt Berg-Berg, so wie Weiwei, nur ohne Ai.

Und wenn wir schon bei Kunst sind, können wir dort doch ein wenig verweilen:„Man sagt dem bastard, er fühle sich unwohl, weil zwei seelen bzw. kulturen in ihm wohnen. Das ist eine Lüge. Man will dem Bastard einreden, er müsse sich nur für eine einzige seele entscheiden als ginge es um einen technischen handgriff, damit die räder sich verzahnen, als sei seine psyche ein lahmgelegter betrieb […] Der kanake ist so etwas wie ein synthetisches produkt, das sich und die fabrik hasst, in dem es gefertigt wurde. Er hat instinkte, die die einheimischen nicht haben, er versteht es auf den ersten blick, das heißt schnell und ohne großen aufwand, die lage zu sondieren, er hat den blick für das, was sich hinter den kulissen abspielt.“ (Kanak Sprak, S. 1995, S. 113f).

Wie man sowieso weiß und eindrucksvoll erkennen kann, hat Feridun Zaimoğlu bereits 1995 die Identitäts-Tautologie skizziert und lange vor der Einführung der um korrekte Ausgrenzung bemühten Wortschöpfung Migrationshintergrund mit den Worten des Dichters Memet gezeigt, dass wir Kanaken eben Fließband-Chamäleons mit Röntgenblick sind, weil wir instinktiv wissen, welche Rolle wir auf der Bühne spielen sollen, damit der Migrationshintergrund sich für uns hebt oder senkt und wir auf-, absteigen, abtauchen, ans Dirigentenpult, in den Orchestergraben, in die Requisite oder eben ins Publikum können. Doch die Hauptrolle scheint uns verwehrt oder fair Wert. Worthülsen treffen eben auch ins Schwarze.

Doppelt gemoppelt hält besser die Klappe
Aber ja, genug der literarischen Buffets, gehen wir lieber was Essen, am besten in die cucina, also die italienische Küche. Nicht zu verwechseln mit der cugina, der Cousine. Das ist nicht nur schlüpfrig, sondern eben auch verhängnisvoll, dass einem bei dem ganzen Kitsch mit Quiche in der Kitchen fast die Stimmung wegbleibt. Oder eben die Stimme, weil der Unterschied wieder mal im Detail und unserem Beispiel folgend, in den Phonemen liegt, also zwischen tsch in cucina und dsch in cugina. Das eine ist stimmlos, das andere stimmhaft und beiden wurden unzählige Lieder gewidmet. Die wurden mit Kreide (gesso) an Tafeln geschrieben oder das Klo (cesso) runtergespült.

In jedem Fall drückt nicht nur die Kochnit(z)sche auf die Stimmung. Nein, auch Sprachfa(rfa)llen tun das. Also besser doch Flatulent als Flagellant? Schließlich erkennt zumindest das Englische gemeinen Blähungen einen künstlichen Charakter zu: fART. Und wenn einem das ganze Buchstaben-Karussell Übelkeit verursacht, dann bitte lütfen! Die einfache Verdrehung von Buchstaben führt einen sprachlichen und kulturellen Turnaround herbei, direkt über den Verdauungstrakt per Sprechakt. Lütfen ist ein türkisches Adverb und bedeutet übersetzt bitte. Lüften sollte man nach guter Verdauung aber trotzdem, der nächste Besucher des stillen (W)Örtchens wird es einem sprachlos danken.

Und beim nächsten Mal feiern wir die Falaffalle (Falaffel mit Farfalle gefüllt) als gelungene Integrations-Ciabatta, während wir uns einen Pinotchet Grigio gönnen und uns dem umlauteren Wettbewerb stellen. Vielleicht finden wir dann heraus, warum wir Ungärn in Budapest sind und die Einwohner von Kopenhagen Menschen sind, Dänen wir vertrauen. Aber das ist wieder ein anderes Gipfelgespräch im Kapi-Tal. Und sobald erwiesen ist, dass der Plural von Kapitel Kapitäl lautet, lässt sich auch endlich Geld mit dem Schreiben zu verdienen. Aktuell Meinung

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  1. Peter Wiens sagt:

    Danke, hat Spaß gemacht! Werde mir bei nächstbester Gelegenheit den Periodischen Patriotismus kaufen!

  2. Hallo Herr Wiens,

    freut mich, dass Ihnen mein Artikel Spaß bereitet hat und natürlich, dass Sie sich den Periodischen Patriotismus kaufen möchten :-)

    Viele Grüße

    Marcello Buzzanca

    @Al: Genau, yeah :-)