Brückenbauer
Gold mit Migrationshintergrund
Bei den Olympischen Spielen in London gehen ab Freitag 389 Athleten für Deutschland auf Medaillenjagd. Zahlreiche von ihnen haben einen Migrationshintergrund. Roman Lietz über ihre Medaillenchancen und ihr Potential zur Integration beizutragen.
Von Roman Lietz Donnerstag, 26.07.2012, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 15.07.2015, 14:02 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Bei den Olympischen Spielen in Peking 2008 verdanken wir ihm, den emotionalsten Moment aus deutscher Sicht: Matthias Steiner, dem Gewichtheber, dessen massiger Körper das schwarz-rot-gelbe Dress spannte und der mit Leidenschaft die Goldmedaille stemmte. Ähnliche Triumphe erhoffen wir uns von den 389 Athleten, die ab Freitag für Deutschland in London an den Start gehen.
Zahlreiche dieser Athleten haben einen Migrationshintergrund. Damit hat der Sport ein ungeheures Integrations- und Identifikationspotential: Wir werden vor dem Livestream sitzen, die Daumen drücken, Ergebnisse vergleichen, bangen, jubeln und ein klein bisschen olympisches Flair spüren, wenn am Ende die deutsche Fahne am Londoner Abendhimmel weht und der olympische Geist für zwei Wochen in unsere Wohnzimmer, an die Arbeitsplätze und an die Stammtische einzieht.
Der morgendliche Blick fällt natürlich auf den Spiegel der Medaillen, die unsere tapferen Helden in London errungen haben. Wer diese Helden sind und wo sie oder ihre Eltern geboren sind, welche Hautfarbe sie haben und wie unaussprechlich ihr Name ist, das wird uns in dem Moment egal sein, und das ist die größte Leistung des Sports. Jede Medaille für Deutschland hat den gleichen Wert, egal ob sie einen Migrationshintergrund hat oder nicht. Alle sind Deutschland, eine Zuordnung, die ansonsten in so manchem Wohnzimmer, an so manchem Arbeitsplatz und an so manchem Stammtisch nicht so großzügig getroffen wird. Dieser olympische Gedanke sollte auch über die Spiele hinaus gelten, denn: Dabei sein ist alles, das trifft auch für die Teilhabe an der Gesellschaft zu.
Hier eine (unvollständige) Auswahl unserer heißen Medaillenkandidaten mit Migrationshintergrund und ihren bisherigen Erfolgen, allen voran ein alter Bekannter:
- Matthias Steiner, Gewichtheben – Goldmedaille 2008 und Weltmeister 2010
- Anna Dogonadze, Trampolin – Goldmedaille 2004, dreifache Weltmeisterin
- Dimitri Ovtcharov, Tischtennis – Silbermedaille 2008, 2x Vize-Weltmeister
- Oksana Chusovitina, Geräteturnen – Silbermedaille 2008
- Munkhbayar Dorjsuren, Sportschießen – Bronzemedaille 2008, Weltmeisterin 2002
- Sarah Poewe, Schwimmen – Bronzemedaille 2004 und Europameisterin 2012
- Matthias de Zordo, Speerwerfen – Weltmeister 2011
- Meredith Michaels-Beerbaum, Springreiten – Weltmeisterin 2010
- Filip Adamski, Rudern (Achter) – Weltmeister 2009
- Linus Butt, Hockey – Vize-Weltmeister 2010 und Europameister 2011
- Monika Sozanska, Fechten (Degen) – Vize-Weltmeisterin 2010
- Marcel Nguyen, Turnen – WM-Dritter 2007 und dreifacher Europameister
- Sümeyye Manz, Taekwondo – WM-Dritte 2005 & 2011
- Sideris Tasiadis, Kanu – Europameister 2012
- Tatjana Pinto, Leichtathletik (4x100m) – Europameisterin 2012
- Claudia Verdicchio-Krause, Sportschießen – Europameisterin 2003
- Georg Grozer & Denis Kaliberda, Volleyball – noch ohne großen Titel
- Angelique Kerber & Sabine Lisicki, Tennis – noch ohne großen Titel
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Anscheinend kein türkischklingender Name in der Liste, trotz dass diese Migranten die weitaus größte Gruppe in Deutschland stellen.
@ Mayer: Eine interessante Feststellung. Im gesamten Olympia-Team gibt es durchaus Athleten mit türkischem Hintergrund. Hier in der (unvollständigen) Liste ist es die Taek-Won-Do-Kämpferin Sümeyye Manz. Aber Sie haben Recht, insgesamt sind sie verhältnismäßig unterrepräsentiert. Woran mag das liegen?
Roman und Mayer:
Das ist doch ganz einfach: Die einen Integrieren sich, die anderen akzeptieren das Land weniger und wollen es auch nicht repräsentieren.
…Woran mag das liegen?…
Das wollen wir doch alle wissen, also woran? Gab’s nicht genug Geld für alle?
@ Alexander: Ich glaube, es ist nicht so einfach wie sie das annehmen. Wenn wir uns anschauen, in welchen Sportarten das deutsche Olympiateam seine Athleten schickt, dann sind es Sportarten, die traditionell bei türkischen Migranten wenig präsent sind und ich meine nicht nur die eher elitären Sportarten wie Segeln, Tennis oder Reiten, sondern auch „Breitensportarten“ wie Schießen, Beachvolleyball, Radsport, Schwimmen oder Hockey. Schon in Nachwuchsbereich sind türkischstämmige Kinder in diesen Sportarten wenig vertreten. Wären Teams in (Herren- und Frauen-)Fußball, Basketball und mehr Boxer am Start, gäbe es sicher auch mehr türkischstämmige Migranten. So sind es aber Sportarten, für deren professionelle Ausübung man Geld und Sponsoren braucht. Die meisten der Athleten kommen aus gehobeneren Schichten. Viele Athleten der Randsportarten sind außerdem Polizisten oder Soldaten im Hauptberuf. Auch in diesen Gruppen sind türkische Migranten unterrepräsentiert. Somit spiegelt das Olympiateam durchaus dieses Soziostrat wieder.
Trotzdem ist es natürlich so, dass die Olympiateilnehmer mit Migrationshintergrund gerade auch für Jugendliche Migranten ein Vorbild sein können, dass man Erfolge für Deutschland erzielen kann und in Deutschland Anerkennung bekommen kann.
@Roman
Das in Bezug auf die Türken ist reine Spekulation. Beim Ringen (bei Türken beliebt) ist keiner dabei,
@ Roman: ach jetzt hören Sie doch auf zu differenzieren, wo kommen wir denn dahin, wenn wir Fragen sachlich angehen und unsere Ressentiments nicht ausleben können :-)