Moscheekontrollen

Innenministerium gaukelt Einigkeit mit Muslimen vor

In Niedersachsen halten die verdachtsunabhängigen Moscheekontrollen unvermindert an. Während das Innenministerium Einigkeit mit den Muslimen vorgibt, beschweren sich diese zunehmend. Als integrationspolitisch "absolut kontraproduktiv" bezeichnet Filiz Polat (Die Grünen) die Kontrollen.

Dienstag, 01.09.2009, 6:43 Uhr|zuletzt aktualisiert: Samstag, 21.08.2010, 3:17 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

Die Polizei kommt freitags, unangemeldet und mit einem Großaufgebot. Sie postieren sich unmittelbar vor den Toren der Moschee und kontrollieren nach dem Freitagsgebet jeden, der die Moschee verlässt. Allein in den Jahren 2004 bis 2007 wurden in Niedersachsen insgesamt 14 verdachtsunabhängige Kontrollen vor Moscheen mit Identitätsfeststellung durchgeführt – in den Jahren 2003 bis 2005 wurden 14.000 Muslime und 6.000 Fahrzeuge überprüft.

Die jüngste Kontrolle fand am 29. Mai 2009 in Braunschweig statt. Obwohl die meisten Moscheebesucher, unbescholtene Muslime, die ihrer Religion nachgehen wollen, nichts zu verbergen haben, nehmen sie nach Angaben des Moschee-Vorstands von ihrem geplanten Besuch der Moschee Abstand. Bereits der Anblick des Großaufgebots schreckt ab.

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Die erst nach dem Freitagsgebet stattfindende Kontrolle führt zu einer regelrechten Staubildung. Das Moscheetor wird teilweise geschlossen, was den „Eindruck eines Käfigs vermittelt“, heißt es in der Anfrage der Grünen-Abgeordneten Filiz Polat im niedersächsischen Landtag.

Für die Besucher der Moscheen ist dies nicht verständlich, eine Belastung und ein Ärgernis, weil die ohnehin geringe Akzeptanz von Moscheen in den Stadtteilen weiter vermindert und der nachbarschaftliche Ruf gefährdet wird. Der Gemeindevorstand der Moschee befürchtet, dass derartige Kontrollen den betroffenen Muslimen, die sich teilweise jahrelang maßgeblich an der Integrationsarbeit in der Kommune beteiligt haben, ein Gefühl der Diskriminierung vermitteln. Insbesondere bei den vielen jungen Gemeindemitgliedern ist zu befürchten, dass diese ihren Glauben an den Nutzen ihrer Integrationsbemühungen und an eine diskriminierungsfreie Zukunft verlieren.

„Durch solche aufsehenerregenden Kontrollen mit zahlreichen Polizeiwagen und Absperrungen wird doch bei den Nachbarn der Moscheen der Eindruck erweckt, dass dort Kriminelle ihr Unwesen treiben“, sagt Filiz Polat in einem Interview mit MiGAZIN. Abgesehen davon gebe es heftige Kritik vonseiten der Betroffenen. Polat weiter: „Hierbei handelt es sich um die drastischste Form, da eine ganze Religionsgemeinschaft unter einen Generalverdacht gestellt wird. Die langwierigen Kontrollen vor den Gebeten, dass Abstempeln von bereits Kontrollierten haben viele Gläubige gedemütigt“.

Die Massenkontrollen werden daher aus integrationspolitischer Perspektive als fragwürdig bis kontraproduktiv angesehen. Polat: „Dieser Innenminister macht eine ganz Gruppe zu verdächtigen. Das löst natürlich Unbehagen und Angst in der Bevölkerung aus. Sie könnten denken: ‚Es muss ja wohl irgendwas dran sein, wenn die Polizei hier so einen Aufwand betreibt.‘ Es wird dann nicht mehr unterschieden zwischen Muslimen und Islamisten. Ich halte die Kontrollen integrationspolitisch für absolut kontraproduktiv und sicherheitspolitisch für zwecklos.“ Politik

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