Afrikanische Erziehungsmethoden

Amt und Richter nehmen Flüchtling neugeborene Tochter weg

In einem skandalösen Sorgerechtsstreit nehmen Jugendamt und Familiengerichte einem geduldeten Vater die neugeborene Tochter weg. Begründung: Der Ghanaer könnte das Kind afrikanisch erziehen. Auch sein Aufenthalt in Deutschland sei nicht sicher. Erst das Bundesverfassungsgericht kassiert die rassistischen Gerichtsentscheidungen.

Von Mittwoch, 07.01.2015, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 12.01.2015, 17:05 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

Um ein Kind von seinen Eltern zu trennen, müssen triftige Gründe vorliegen. Entweder müssen die Eltern komplett versagen oder das Kind zu verwahrlosen drohen, das Wohl des Kindes muss nachhaltig gefährdet sein. Das ist Grundkurs Familienrecht. In einem jetzt bekanntgewordenen Sorgerechtsstreit setzten sich Jugendamt, Sachverständige und Richter aber Hand in Hand über diesen Grundsatz hinweg und nahmen einem ghanaischem Vater die Tochter weg, noch vor der Geburt!

Erst ein Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom November 2014 (1 BvR 1178/14) beendete den Spuk. Der höchstrichterliche Beschluss bringt außerdem Rassismus in der Behörde und in der Justiz offen zutage und wirft die Frage auf: Hätten Jugendamt, Gutachter und Richter genauso gehandelt, wenn der Vater kein Schwarzer gewesen wäre?

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Was war passiert?

Anthony (Name geändert) stammt aus Ghana und lebt seit Anfang 2012 zunächst als Asylbewerber, inzwischen geduldet in Deutschland. Mitte Februar 2013 kommt seine Tochter Yaa (Name geändert) zur Welt. Die Mutter leidet an einer gravierenden psychischen Erkrankung und hat sich von Anthony während der Schwangerschaft getrennt. Grund genug für das Jugendamt, aktiv zu werden: Unter Verweis auf die Erkrankung der Mutter und die vermeintlich nicht transparente Wohn- und Lebenssituation von Anthony als Geduldeter regt das Jugendamt kurz vor der Geburt von Yaa an, beiden Eltern das Sorgerecht zu entziehen.

Dieser Empfehlung folgen zunächst das Amtsgericht Paderborn und später das Oberlandesgericht Hamm. Beide Instanzen berufen sich in ihren Entscheidungen auf ein 5.000 Euro teures Sachverständigengutachten über die Erziehungsfähigkeit von Yaas Eltern. Und die hat es in sich:

Das „Gutachten“

Darin wird dem frischgebackenem Vater die Fähigkeit abgesprochen, „feine Signale des Kindes“ zu erkennen. Neben einer Reihe weiterer diffuser Behauptungen führt die Gutachterin auch den aufenthaltsrechtlichen Status des geduldeten Vaters als Grund für eine Kindeswohlgefährdung auf. Das Kind brauche feste Strukturen im Alltag und nicht einmal der Verbleib des Vaters in Deutschland sei sicher.

Zudem sei die Einstellung des Vaters zum deutschen Rechts- und Wertesystem problematisch. Er könne kein Vorbild für das Kind sein. So scheine er nicht einmal einzusehen, dass sein Aufenthalt in Deutschland bis vor kurzem noch illegal war. Schließlich sei er Wirtschaftsflüchtling und vermittle den Eindruck, dass er „nach jedem Strohhalm“ greife, um in Deutschland bleiben zu können. Nur durch die Geburt seiner Tochter habe er sich ein Bleiberecht verschafft. In diesem Zusammenhang sei auch fraglich, welche Motivation hinter seiner neuen Beziehung stünde, da die neue Partnerin über einen deutschen Pass verfüge.

Afrikanische Erziehungsmethoden

Schließlich sei problematisch, dass der Kindesvater „die afrikanischen Erziehungsmethoden deutlich höher wertet als die europäischen“, heißt es in dem Gutachten. Diese seien autoritär, gewaltsam und von Unterwerfung der Kinder geprägt. „Afrikanischen Verhaltensweisen“ deckten sich nicht mit dem Recht der Kinder auf gewaltfreie Erziehung. Hier seien Nachschulungen im Hinblick auf „die Einsichtsfähigkeit in die europäischen Erziehungsmethoden“ erforderlich.

Beispielsweise könne Anthony seiner Tochter nicht vermitteln und vorleben, dass es „sinnvoll und erstrebenswert ist, sich eigeninitiativ um Arbeit zu bemühen, an Trainingsmaßnahmen teilzunehmen, Termine beim Sozialamt wahrzunehmen“. Immerhin kenne Anthony „die Bedeutung von Arbeit und selbst erwirtschaftetem Geld“. Im Ergebnis verfüge er aber „über kein pädagogisches Werkzeug im Sinne einer partnerschaftlichen oder demokratischen Erziehung.“

Das Bundesverfassungsgericht

Erst das Bundesverfassungsgericht weist die offensichtliche Missachtung elementarer Grundrechte durch das Amts- und Oberlandesgericht mit ungewöhnlich klaren Worten zurück und attestieren dem Gutachten „mangelnde Neutralität“. Die Sachverständige habe Äußerungen und Verhaltensweisen des Vaters ebenso wie seine Herkunft aus einem afrikanischen Land „in sachlich nicht nachvollziehbarem Maße negativ bewertet“, so die Karlsruher Richter. Leitartikel Recht

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  1. Chris Mahns sagt:

    Naja, wenn zu den Erziehungsmethoden gegenüber dem Baby die Ausübung von Gewalt tatsächlich zu besorgen ist, dann sollte das Jugendamt schon einschreiten. Man stelle sich mal vor, es komme zu schweren Misshandlungen wie dann in der Presse gejammert wird.

  2. humanoid sagt:

    ähnlicher fall in Köln , man kann die eltern am breslauer platz beobachten wie sie jeden tag stumm für die rückgabe ihres kindes demonstrieren tag ein tag aus halten sie ein schild mit dem namen ihres kindes und dem bild vor sich . sie trinken nicht , sie nehmen keine drogen und sind nicht aggressiv .

    ja so verhält sich der deutsche herrschaftsapparat gegenüber menschen die kinder mehr liebe […].

    der hass diese menschen auf gesunde familien und menschen die trotz aller schwierigkeiten , schicksalsschlägen ,gewalt und armut zusammenhalten , ist bezeichnend .

    was sie selbst nicht haben und kennen müssen sie verdammen und zerstören .

  3. karakal sagt:

    Ist es angesichts solcher Fälle nicht verständlich, daß muslimische Eltern bisweilen Angst davor haben, mit dem Jugendamt zu tun zu haben, da sie befürchten, man könne ihnen das Sorgerecht für ihre Kinder allein deshalb entziehen, weil von ihnen vermutet wird, sie könnten ihre Kinder „islamisch“ erziehen?

  4. Fiete sagt:

    Ich denke nicht, daß Rassismus der Hintergrund war, zumindest nicht direkt.
    Es war mit hoher Wahrscheinlichkeit das ganz normale Geschäftsinteresse, zuerst des Jugendamtes, dann des Richters und seiner Helfershelfer.
    Denn es ist ein ganz typischer Fall, wie es rund 42000 jährlich in D. gibt.
    Auch der Ablauf und die irrwitzigen Unterstellungen der „Sachverständigen“ sind völlig normal.
    Im Gegenteil könnte es sein, daß beim BVerfG ein umgekehrter Rassismus zum tragen kam ( sozusagen ein Farbigenbonus ), aus rein politischen Gründen.
    Rund 97% aller Beschwerden, besonders von familienrechtlich betroffenen Eltern, werden dort nämlich ohne Begründung abgewiesen.

  5. Sarah sagt:

    Man beachte: Das Gutachten hat 5000 Euro gekostet… Ich bin immer wieder erschrocken vom Alltagsrassismus in deutschen Behörden.

  6. Prince sagt:

    #Fiete, auf welche Statistik beziehen sie sich?

  7. 1453 sagt:

    @Fiete
    Waren sie die Gutachterin oder die Richterin in dem obigen Fall?

    Das ist Menschenrechtsverletzung!!!

    Dies ähnelt an die Jenische und an die Verdingkinder in der Schweiz!!!
    Auch dort gab es instutionellen Rassismus.

    Wer will kann ja nach Verdingkinder und Jenische recherchieren.

    Leider wiederholt sich die Geschichte immer wieder, nur die Akteure und der Regisseur ändern sich.

  8. Irmela Mensah-Schramm sagt:

    Wenn man bedenkt, wie oft die Jugendämter versagt haben, dass die in ihrer Fürsorgeobhut stehenden Kinder zu Tode gekommen sind durch ihre deutschen Eltern. Da denke ich an den grausamen Fall vor einigen Jahren in Bremen, wo die Jugendbehörde das Kind dem drogensüchtigen Vater überlassen hatte, als die Mutter wegen einer Kleinigkeit in den Knast mußte. Der Vater hatte das Kind grausam zu Tode gequält und dem toten Kind die restlichen Knochen so zerbrochen, damit er es zusammengelegt im Kühlschrank verstecken konnte.
    Die Verantwortlichen sind da sehr gut weggekommen……
    Außer einer Amtsenthebung der verantwortlichen Jugendamtsleiterin geschah offensichtlich nichts.

    Im vorliegenden Fall bei dem ghanaischen Vater sehe ich krassen Behördenrassismus.

    Erfreuliches kann ich aus Berlin berichten, wo das Jugendamt in Schöneberg meiner Freundin aus der Elfenbeinküste die Pflegeschaft für ihren afrikanischen Großneffen bekommen hat. Sie bekam von dort volle Unterstütung.
    Anders sieht es mit der Lehrerin aus, die m.E. herzlich wenig motiviert ist, um auf das Kind einzugehen……………

  9. Cengiz K sagt:

    Jugendämter und Familiensgerichte sind das allerletzte.. Rassistische, islamophobe, sexistische Systemlinge, die vorgeben um das Beste bemüht zu sein.. Solche Leute wurden mal Schreibtischtäter genannt, das ist noch nicht so lange her.. Eine Spezies erfindet sich neu, und scheffelt Geld mit dem Prinzip des Verwaltungsaktes.. Es sollte allmählich in der BRD beim „Personal“ die Einsicht reifen, dass Rechtsstaat nicht das ist für was die Leute ihn halten.. Wer Gerechtigkeit will, ist bei ignoranten Beamtenseelen definitiv falsch aufgehoben, wer in die entsprechenden Systemmühlen gerät, weiß was Russisches Roulette ist..

  10. Karl sagt:

    Wenn ich diesen Artikel hier lese,dann ist das, dass gleiche was auch ich erlebt habe. Meine Mutter ist deutsche mein Vater stammt aus Ghana. Nach meiner Geburt zeichnete sich bei meiner Mutter eine Schwangerschaftsdepression ab. Das Jugendamt schaltete sich ein. Per Gericht „zum wohle des Kindes“ sollte ich von meinen Eltern getrennt werden. Die fuehrsorge wurde meinem Vater per Gericht aberkannt und ihm wurden per Gericht verboten sein eigenes Kind aufzuziehen. Letztendlich landete ich bei einer Pflegefamilie und dann im Heim. Dies geschah in folgenden schritten zuerst wurde das vollständige Sorgerecht auf meine Mutter übertragen, um es ihr dann anschließend zu entziehen (wegen ihrer angeblichen Krankheit). Ich kann mich gluecklich schaetzen das mein ghanaischer Vater all die Jahre in Deuschland geblieben ist und vor Gericht gekämpft hat, dass meine Mutter immer mit mir in Kontakt bleiben muss. Mit 18 hat er mich dann aus dem Heim aufgegabelt zu einer richtigen Schule gesendet und heute habe ich einen B. Eng.
    Ohne die liebe eines ghanaischen Vaters zu seinem Kind wäre dies nicht möglich gewesen. Mit der liebe die mir das Jugendamt, Gutachter, Erzieher, Vormunde und Richter zukommen ließen wahre ich heute mit 29 Jahren eine verlassene Seele ohne Perspektive.
    Wenn ich diesen Artikel hier lese kann ich nicht glauben das es sich um Ausnahme fälle handelt, es muss ein perfides System dahinter stecken, aber keine ist gewillt dies Öffentlich anzuprangern. Ich wünsche dem Vater, der Mutter und Tochter Yaa alles beste, und hoffe das sich Familienrichter in Baden-Württemberg ein Beispiel an dem Urteil des Bundesverfassungsgericht nehmen.