Kopftuchverbot wackelt
Berlin und Niedersachsen streben Staatsverträge mit Muslimen an
Mit Niedersachsen und Berlin streben gleich zwei Länder Staatsverträge mit Muslimen an. Niedersachsen wäre das erste Flächenland. Dort könnte ersten Informationen zufolge auch das Kopftuchverbot für Lehrerinnen fallen.
Mittwoch, 07.01.2015, 8:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 08.01.2015, 20:04 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Niedersachsen möchte Anfang 2015 als erstes deutsches Flächenland einen Staatsvertrag mit den muslimischen Religionsgemeinschaften unterzeichnen. Auch das Kopftuchverbot könnte in diesem Zusammenhang überprüft werden: „Es ist möglich, dass es zu einer flexibleren Regelung kommt als derzeit, aber nur so lange, wie es nicht zu einem Konflikt kommt“, hatte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) in einem Zeitungsinterview zum Jahreswechsel angekündigt. Bislang dürfen muslimische Lehrerinnen an den Schulen kein Kopftuch tragen. Lediglich im Religionsunterricht ist ihnen dies erlaubt.
Nach dem Kopftuch-Urteil des Bundesverfassungsgerichts 2003 hatten acht der 16 Bundesländer ihre Schulgesetze geändert und damit Lehrerinnen das Tragen des Kopftuchs untersagt. Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und das Saarland nahmen dabei christliche Zeichen ausdrücklich aus.
Weils Vorstoß wird in der Opposition aber kritisch gesehen, wie der CDU-Fraktionsvorsitzende Björn Thümler sagte. Hingegen begrüßte Firouz Vladi, Sprecher der niedersächsischen Schura, des Rates der islamischen Gemeinschaften, den Vorschlag. Die 250.000 Muslime in Niedersachsen hofften auf eine pragmatische Haltung, sagte er. „Niedersachsen wolle, dass islamischer Religionsunterricht erteilt wird. Doch statt 200 erforderlicher Lehrkräfte gibt es nur 40.“ Das Kopftuchverbot sei ein Grund dafür, dass Lehrerinnen fehlten.
Niedersachsen verhandelt seit mehr als einem Jahr über einen Staatsvertrag mit drei Islamverbänden. Unter anderem sollen Weil zufolge muslimische Seelsorger in Krankenhäusern oder Pflegeheimen tätig werden. Auch eine finanzielle Förderung der Verbände sei Gegenstand des geplanten Vertrages. Im einzelnen sollen darin die Rechte und Pflichten der islamischen Gemeinden geregelt werden. Dabei geht es etwa um die islamische Bestattung, den islamischen Religionsunterricht an Schulen, Studiengänge für islamische Theologie an Hochschulen oder das Recht zum Bau von Moscheen. Staatsverträge mit Islamverbänden haben bisher die Stadtstaaten Bremen und Hamburg geschlossen.
Berliner Senat prüft Staatsvertrag mit Muslimen
Derweil strebt auch das Land Berlin einen Staatsvertrag mit den islamischen Gemeinden in der Bundeshauptstadt an. Derzeit würden die Möglichkeiten der Umsetzung geprüft, sagte der Sprecher der Senatskulturverwaltung, Günter Kolodziej, in Berlin dem Evangelischen Pressedienst.
In Berlin existierten bereits vergleichbare Regelungen für Muslime, wie sie die Stadtstaaten Hamburg und Bremen in Staatsverträgen vereinbart haben. Das betreffe etwa islamische Feiertage, den Religionsunterricht, Bestattungsriten und die Betreuung in öffentlichen Einrichtungen. Diese Regeln seien 2010 im Integrations- und Partizipationsgesetz festgeschrieben worden. „Gleichwohl wissen wir um die hohe symbolische Bedeutung eines Staatsvertrages und prüfen derzeit die Möglichkeiten seiner Realisierung“, sagte Kolodziej.
Eine Herausforderung liege dabei in der Vielfalt der rund 80 Moscheegemeinden in Berlin. Davon seien aber nur etwa 30 bis 40 in einem Verband organisiert. Zudem verteilen sich die Gemeinden auf fünf unterschiedliche Glaubensrichtungen (Sunniten, Schiiten, Sufis, Aleviten, Ahmadiyya) und eine Vielzahl ethnischer Ausrichtungen.
Einen übergreifenden Zusammenschluss, wie er in einigen Bundesländern in der „Schura“, dem Rat der islamischen Gemeinschaften, besteht, gebe es in Berlin bisher nicht. „Für einen Staatsvertrag wäre aber die Konstituierung eines Verhandlungspartners, der einen großen Teil der muslimischen Gläubigen repräsentiert, von zentraler Bedeutung“, sagte der Sprecher der Senatskulturverwaltung.
Mitte Dezember hatte der SPD-Fraktionsvorsitzende im Berliner Abgeordnetenhaus, Raed Saleh, vorgeschlagen, mit muslimischen Gemeinden oder Verbänden in Berlin einen Staatsvertrag analog zu den Verträgen mit den beiden großen Kirchen zu schließen. (epd/mig) Aktuell Politik
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