Offene Fragen bleiben
Urteil zu „NSU 2.0“-Drohschreiben rechtskräftig
Mit Drohungen hat der Angeklagte Todesangst verbreitet. Das Frankfurter Landgericht verurteilte ihn zu fast sechs Jahren Haft. Anderthalb Jahre später ist das Urteil gegen den Absender der NSU-2.0-Drohbriefe rechtskräftig. Es bleiben offene Fragen und schlimme Verdächtigungen gegen die Polizei.
Dienstag, 28.05.2024, 11:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 28.05.2024, 11:35 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Die Haftstrafe gegen den Verfasser der sogenannten „NSU 2.0“-Drohschreiben ist rechtskräftig. Wie der Bundesgerichtshof (BGH) am Montag in Karlsruhe mitteilte, änderte der dritte Strafsenat den Schuldspruch des Frankfurter Landgerichts geringfügig und verwarf die Revision im Übrigen. Das Landgericht hatte den Mann im November 2022 unter anderem wegen Volksverhetzung, Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten, Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole, Beleidigung, versuchter Nötigung und Bedrohung zu fünf Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt.
Der aus Berlin stammende Mann hatte per E-Mail, Fax und SMS eine Serie von hasserfüllten Drohschreiben an Rechtsanwälte, Politikerinnen, Journalistinnen und Vertreter des öffentlichen Lebens gerichtet. Zu den Adressaten gehörten Satiriker Jan Böhmermann, Moderatorin Maybrit Illner oder die Kabarettistin Idil Baydar.
Begonnen hatte die Serie im August 2018 mit Todesdrohungen gegen die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız und ihre Familie. Die Schreiben waren mit „NSU 2.0“ unterzeichnet – in Anspielung auf die rechtsextreme Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU). Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe hatten unter diesem Namen gemordet. Das Trio erschoss zwischen 2000 und 2007 neun türkisch- und griechischstämmige Kleinunternehmer und eine Polizistin. Mit Sprengstoffanschlägen verletzten sie zudem Dutzende.
BGH bestätigt Alleintäterschaft
Die Staatsanwaltschaft hatte siebeneinhalb Jahre Haft gefordert. Der Angeklagte hatte sein eigenes Plädoyer gehalten und einen Freispruch verlangt. Er sei lediglich Mitglied einer Chatgruppe im Darknet gewesen, deshalb seien auf seinem Computer Teile der Drohschreiben gefunden worden, sagte er. Er hatte die Taten stets bestritten. Internetrecherchen und sprachwissenschaftliche Analysen hatten im Mai 2021 zur Festnahme des Berliners geführt.
An der Annahme, der Mann habe alleine gehandelt, hatte es von Anfang an Kritik gegeben. Das Landgericht hatte im Prozess nicht konkret feststellen können, wie er an persönliche Daten der Betroffenen gelangte. Fest stand jedoch: Die Daten stammten teilweise aus unberechtigten Datenabfragen von Polizeicomputern, etwa vom 1. Polizeirevier in Frankfurt am Main. Die Schreiben enthielten unveröffentlichten Telefonnummern der Empfängerinnen und deren gesperrte, nicht der Öffentlichkeit zugänglichen Adressen.
Keine lückenlose Aufklärung
Die Polizei stand aufgrund der anlasslosen Datenabfragen aus Polizeicomputern selbst in Verdacht, die Anschuldigungen wurden jedoch weder bestätigt noch ausgeräumt. Die Opfer fordern nach wie vor die lückenlose Aufklärung. Inwieweit der Verurteilte Verbindungen zu Polizeikreisen unterhielt, konnte ebenfalls nicht geklärt werden. Wie schon das Landgericht geht auch der Karlsruher Senat davon aus, dass der Mann Alleintäter war.
Lediglich einen Fall, indem der Mann Einsatzkräfte der Polizei mit einer geladenen Schreckschusspistole bedroht hatte, um sie von seiner Festnahme abzuhalten, stufte der BGH anders ein als die Vorinstanz. Da der Mann die Beamten nicht tätlich angegriffen, sondern mit Gewalt nur gedroht habe, wurde der Fall auf Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte geändert – das Landgericht hatte ihn als tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte eingestuft. Auf die Dauer der Freiheitsstrafe hatte das keine Auswirkung. (dpa/mig) Aktuell Recht
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