NSU, 2.0, Rechtsextremismus, Rechterrorismus, Untergrund, Neonazis
NSU 2.0 (Symbolfoto) © MiGAZIN

Erste Mail vor zwei Jahren

69 Drohschreiben mit „NSU 2.0“ an 27 Empfänger

Die mit "NSU 2.0" unterzeichneten Drohmails stammen fast alle von derselben Mailadresse. Einem konkreten Verfasser können die Schreiben aber bislang nicht zugeordnet werden. Hessens Innenminister Beuth steht in der Kritik. Opposition spricht von einem unterirdischen Krisenmanagement.

Mittwoch, 22.07.2020, 5:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 21.07.2020, 20:51 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Die Drohmail- und Polizeiaffäre in Hessen nimmt immer größere Ausmaße an. Innenminister Peter Beuth (CDU) berichtete am Dienstag im Innenausschuss des Wiesbadener Landtags von bislang 69 Drohschreiben mit dem Absender „NSU 2.0“ an 27 Personen und Institutionen in acht Bundesländern. Fast alle stammen demnach von derselben Mailadresse, die aber durch gezielte Verschleierung bislang keinem Absender zugeordnet werden konnte.

Er habe nach wie vor keine konkreten Hinweise auf ein rechtes Netzwerk in den Reihen der Polizei in Hessen, sagte Beuth, der in der Sitzung des Innenausschusses mit 56 Fragen zu der Affäre aus den Reihen der Opposition aus SPD, FDP und Linken konfrontiert wurde. Der Minister nannte die Drohungen und Einschüchterungen aber nicht nur für die Betroffenen bedrückend und beängstigend. „Diese Bedrohungen sind zugleich ein Angriff auf uns alle und unerträglich“, fügte Beuth hinzu und versprach: „Wir werden alles Erdenkliche tun, um den oder die Täter zu ermitteln und die Datenabfragen aufzuklären.“

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Oppositionspolitiker hingegen sehen nach den von Beuth und Vertretern der Frankfurter Staatsanwaltschaft geschilderten Abläufen den Eindruck bestätigt, dass die Ermittlungen in den vergangenen zwei Jahren nicht mit höchster Priorität geführt worden sind.

Erste Mail im August 2018 an NSU-Opferanwältin

Der Innenminister erinnerte daran, dass die Serie der rechtsextremistischen Todesdrohungen mit Mails an die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız im August 2018 begann. Über sie und ihre kleine Tochter waren zuvor persönliche Daten auf einem Computer in einem Frankfurter Polizeirevier ohne dienstlichen Anlass abgefragt worden. Gegen zwei dortige Polizeibeamte wird ein Ermittlungsverfahren geführt, das offenbar auch mit der später aufgedeckten rechtsextremistischen Chatgruppe auf diesem Revier zu tun hat.

Bei der seit 2019 bedrohten Berliner Kabarettistin Idil Baydar und der seit Februar dieses Jahres mit Drohmails bedachten hessischen Linken-Fraktionschefin Janine Wissler wurden dagegen private Daten aus den Polizeicomputern zweier Reviere in Wiesbaden abgefragt. In diesen beiden Fällen würden die eingeloggten Polizeibeamten mangels hinreichenden Tatverdachts aber nicht als Beschuldigte geführt.

Keine Durchsuchungen

SPD und Linke waren empört, dass erst nach Monaten disziplinarrechtlich mit diesen Polizisten gesprochen worden sei. Zum Teil habe auch die Staatsanwaltschaft erst nach Monaten reagiert und es habe auch keine Durchsuchungen gegeben. Die beiden Polizisten gaben den Schilderungen zufolge an, zwar an dem betreffenden Tag im Computer eingeloggt gewesen zu sein, mit der Datenabfrage aber nichts zu tun gehabt zu haben.

SPD-Fraktionschefin im hessischen Landtag, Nancy Faeser, kritisierte zudem, dass Beuth von den Drohmails gegen Wissler schon seit Februar gewusst und auch mit der Politikerin Kontakt aufgenommen habe, aber keine proaktive Informationspolitik betrieben habe. Wenn man immer nur nach Presseberichten informiere, trage man nur zum Misstrauen gegen die Polizei bei. „Ihr Krisenmanagement ist unterirdisch“, sagte die Oppositionsführerin an Beuth gerichtet.

Bouffier: Polizei nicht pauschal in rechte Ecke stellen

Der Minister bekräftigte erneut, dass er erst am 8. Juli über die beiden Polizeiabfragen in Wiesbaden informiert worden sei. Das entspreche nicht dem, was er in solch brisanten Fällen von Polizei und Landeskriminalamt erwarte. Für die Pannen hatte Landespolizeipräsident Udo Münch die Verantwortung übernommen und sich in den einstweiligen Ruhestand versetzen lassen.

Von den 27 bedrohten Personen wohnen Beuth zufolge neun in Hessen. Im Fall der Linken-Bundestagsabgeordneten Martina Renner und der Berliner Fraktionschefin der Partei, Anne Helm, haben die hessischen Behörden die Unterlagen der Bundesanwaltschaft zugänglich gemacht. Die Karlsruher Behörde soll prüfen, ob sie die Ermittlungen übernimmt. Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) stellte sich in einem Interview der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ hinter Beuth und nannte es nicht zulässig, die Polizei pauschal in eine rechtsextreme Ecke zu stellen. (epd/mig) Aktuell Politik

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