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Bezahlung mit einer Karte (Symbolfoto) © de.depositphotos.com

Begeisterung und Enttäuschung

Erste Erfahrungen mit Bezahlkarte für Geflüchtete unterschiedlich

Bundesweit soll sie kommen, in zwei Thüringer Landkreisen ist sie schon da: die Bezahlkarte für Geflüchtete. Die ersten Reaktionen darauf sind sehr unterschiedlich: Die Flüchtlingsberatung ist begeistert, der Flüchtlingsrat ist enttäuscht.

Donnerstag, 18.01.2024, 12:56 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 18.01.2024, 12:56 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Fast alle Bundesländer sind sich bei der Einführung von Bezahlkarten für Geflüchtete einig und wollen bei der Einführung zusammenarbeiten. In zwei Thüringer Landkreisen ist die Bezahlkarte modellhaft bereits da. In Greiz hat die Bezahlkarte aus Sicht einer Flüchtlingsberatung auch bereits „erste Wirkung gezeigt“. Mehrere Menschen seien „binnen kürzester Zeit ausgereist“, sagte Dagmar Pöhland vom Verband für Behinderte Greiz, der auch Flüchtlinge berät und betreut. Im Großen und Ganzen sei die Umstellung aber akzeptiert worden. „Die Leute sind froh, dass sie überhaupt eine Leistung kriegen. Sie können damit überall einkaufen gehen, das läuft schon ordentlich“, sagte Pöhland. Auch technisch habe alles funktioniert.

Ganz anders fällt das Urteil des Thüringer Flüchtlingsrats aus. Sowohl in Greiz als auch im Eichsfeld gebe es erhebliche Einschränkungen für die Betroffenen. So könne zwar in Supermärkten bezahlt werden, beim Friseur, in kleineren Geschäften, beim Erwerb eines Deutschlandtickets oder bei Zahlung von Rechtsanwaltsgebühren gebe es aber Probleme. „Mit den geringen Leistungssätzen müssen Betroffene jetzt mühselig jonglieren, wo sie die Karte einsetzen können und wie sie Zahlungsaufforderungen gerecht werden können, wenn der Barbetrag aufgebraucht ist“, sagt Ellen Könneker vom Flüchtlingsrat. Insgesamt habe die Bezahlkarte zu vielen Einschränkungen im Alltag der Betroffenen geführt.

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Flüchtlingsrat: Bezahlkarte darf nicht diskriminieren

Der Flüchtlingsrat fordert von der Landesregierung, „dass es keine einschränkende und diskriminierende Leistungsgewährung für Geflüchtete gibt“. Bei der flächendeckenden Einführung der Bezahlkarte müssten mehrere Punkte sichergestellt sein: uneingeschränkte Bargeldabhebungen sowie Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr, keine örtliche Beschränkung der Karte sowie kein Ausschluss bestimmter Waren oder Dienstleistungen. Schließlich müssen Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung sichergestellt sein.

Der Landkreis Greiz hat im Dezember die ersten Bezahlkarten an Flüchtlinge im Landkreis ausgegeben. Im Januar sollte das Modellprojekt dann auf alle etwa 750 Asylbewerber im Kreis ausgeweitet werden. Sie bekommen den Großteil ihrer Leistungen auf eine Karte überwiesen, mit der sie regional einkaufen können. Abhebungen oder Überweisungen sind nicht möglich. Etwa 100 Euro werden weiter in bar ausgezahlt. Ein ähnliches Projekt wie in Greiz läuft derzeit im Landkreis Eichsfeld.

Stimmung hat sich gedreht

„Dass jemand davon nicht unbedingt begeistert ist, ist klar“, sagte Pöhland von der Flüchtlingsberatung weiter, die nach eigenen Angaben seit 20 Jahren Flüchtlinge in der Region betreut. „Die Bezahlkarte wird schon ein bisschen die Spreu vom Weizen trennen. Wer wirklich auf der Flucht ist, dem ist das egal.“ Die Betroffenen hätten auch verstanden, dass sich die Stimmung in der Bevölkerung gegen sie gedreht habe. „Eine Aufnahmegesellschaft sind wir schon lange nicht mehr.“

In Sachsen planen nach einem Bericht von „Sächsische.de“ mehrere Landkreise noch im Frühjahr die Einführung einer Bezahlkarte, mit der Barauszahlungen eingeschränkt werden sollen. In Hannover wurde im Dezember ebenfalls dieses System eingeführt, allerdings sind hier auch Abhebungen von Bargeld möglich. Auch im Ortenaukreis in Baden-Württemberg sollte ein solches Modell eingeführt werden.

Bezahlkarte soll bundesweit kommen

Bund und Länder hatten sich darauf verständigt, dass Asylbewerber in Deutschland mindestens einen Teil ihrer Leistungen künftig als Guthaben auf einer Bezahlkarte bekommen sollen. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe soll bis zum 31. Januar Vorschläge für bundesweit einheitliche Mindeststandards dazu erarbeiten.

Zuletzt hatte der „Spiegel“ berichtet, dass fast alle Bundesländer außer Bayern bei der Einführung der Karte zusammenarbeiten und sich an einer Ausschreibung für einen Dienstleister beteiligen wollen. Bayern setzt laut Bericht auf eine eigene Ausschreibung. Thüringens Staatskanzleichef Benjamin-Immanuel Hoff (Linke) betonte, der Freistaat sei daran interessiert, „dass eine Bezahlkarte so schnell wie möglich eingesetzt werden kann“.

Die Bezahlkarte ist umstritten. Die Bundesregierung und manche Landesregierungen wollen damit die Attraktivität Deutschlands für Geflüchtete senken. Kritiker halten dagegen, dass Geflüchtete nicht wegen Geldzahlungen nach Deutschland kommen, sondern weil sie auf ein faires Asylverfahren hoffen. (epd/mig) Aktuell Panorama

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  1. Timezone sagt:

    Wenn Flüchtlinge nicht wegen Geld kommen, wie von Kritikern bemängelt, sollte doch ohnehin alles i.O. sein und die Einführung der Bezahlkarte keine Akzeptanzprobleme hervorrufen.

    • topas sagt:

      wieso sollte denn alles in Ordnung sein ? Nix ist in Ordnung. Die Bezahlkarten sind doch Mist und verurachen am Ende ( wann immer das ist) nur unnötig Kosten und Mehraufwand an Arbeit.
      Aber was tut man nicht alles um der AFD zu gefallen

  2. topas sagt:

    Sind tatsächlich welche zurückgegangen nur aufgrund der Bezahkkarte ? Darf meht als bezweifelt werden…