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Söders „Show-Effekt“

Bayern prescht vor: Bezahlkarte für Asylbewerber ab Frühjahr

Bargeldzahlungen für Asylbewerber sollen in Bayern bald weitestgehend der Vergangenheit angehören. Damit will der Freistaat Vorreiter sein. Viele Details sind aber noch offen. Die Kritik fällt scharf aus.

Dienstag, 14.11.2023, 17:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 14.11.2023, 15:49 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Bayern drückt bei der Einführung einer Bezahlkarte für Asylbewerber aufs Tempo: Bereits im Frühjahr 2024 soll diese „tatsächlich in der Praxis zur Anwendung“ kommen, wie Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) nach einem entsprechenden Kabinettsbeschluss am Dienstag in München sagte. Man habe ein Konzept für Bayern erarbeitet – nun könne mit den Ausschreibungen für ein einheitliches und flächendeckendes Zahlkartensystem begonnen werden.

Mit der Bezahlkarte sollen Asylbewerber dann im Freistaat ähnlich wie mit einer EC-Karte in Geschäften bezahlen können. Überweisungen oder Online-Käufe mit der Karte sollen ausgeschlossen werden. Zudem soll der Einsatzbereich bei Bedarf geografisch beschränkt, bestimmte Händlergruppen sollen ausgeschlossen werden können. Barabhebungen sollen „auf das rechtlich gebotene Minimum beschränkt werden“. Die genaue Höhe müsse noch geprüft und festgelegt werden, hieß es vom Innenministerium. Und: Wenn sich ein Asylbewerber beispielsweise nur innerhalb Bayerns aufhalten dürfe, gebe es keinen Grund, dass die Karte in einem anderen Bundesland einsetzbar sein müsse.

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Indem mit der Karte Bargeldleistungen „weitestgehend“ ersetzt werden, sollen laut Kabinettsbeschluss „Zuzugsanreize verringert und die Finanzierung von Schlepperkriminalität bekämpft“ werden. Die Karte sei „ein wichtiger Aspekt bei der Reduzierung des Pull-Effekts in Richtung Deutschland oder in Richtung Bayern“, sagte Herrmann.

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Herrmann: Aus „eigenem Antrieb“

Zur Frage, ob und wie das Ganze, wie angekündigt, mit anderen Ländern koordiniert werden soll, sagte Herrmann, Bayern handle nun aus „eigenem Antrieb“ und sei „früh dran“. Einige Länder strebten sicher ähnliche Lösungen an oder würden sich möglicherweise dem „bayerischen Vorbild“ anschließen – wenn es dort „politisch gewünscht“ sei. „Ich bin mir sicher, da wird sich in der Praxis der eine oder andere daran orientieren.“ Einzelne Länder hätten bereits Interesse signalisiert.

Eigentlich hatten sich Bund und Länder vergangene Woche zunächst auf eine Länder-Arbeitsgruppe verständigt, „welche bis zum 31. Januar 2024 ein Modell zur Einführung einer Bezahlkarte erarbeitet“. Die Nutzung solcher Bezahlkarten soll Schutzsuchenden die Möglichkeit nehmen, Geld aus staatlicher Unterstützung in Deutschland an Angehörige und Freunde im jeweiligen Herkunftsland zu überweisen.

Bezahlkarten-Idee nicht neu

Grundsätzlich soll die bayerische Bezahlkarte in allen Anker-Zentren und in anschließenden Asylunterkünften eingeführt werden, „soweit dies nach den bundesrechtlichen Vorgaben möglich ist und Leistungen nicht bereits als Sachleistungen erbracht werden“. Der Freistaat will den Vertrag dazu schließen und die Kosten übernehmen. Zur Höhe der Kosten äußerte sich Herrmann auf Nachfrage aber zunächst nicht.

Neu ist die Idee einer Bezahlkarte nicht – nur wurde das Projekt in den vergangenen Jahren bislang nicht umgesetzt. 2018 hatte das bayerische Kabinett schon einmal beschlossen, Sozialleistungen für Asylbewerber „wo irgend möglich und rechtlich zulässig“ von finanziellen Zahlungen auf Sachleistungen umzustellen. „Hierzu zählen unter anderem die Ausgabe von Körperpflegepaketen und die Bereitstellung von W-LAN in allen größeren Unterkünften, die Versorgung mit ÖPNV-Tickets, aber auch die geplante Erprobung einer „Bezahlkarte“, mit der die Aushändigung von Bargeld größtmöglich vermieden werden soll“, hieß es damals in einem Kabinettsbericht.

Paritätische kritisiert Karte scharf

Die Staatsregierung sieht akuten Handlungsbedarf auch deshalb, weil die bayerischen Asylbewerberunterkünfte bei einer Gesamtkapazität von rund 130.600 Plätzen derzeit zu 96,2 Prozent ausgelastet seien. Nach Angaben Herrmanns sind bis Ende Oktober bereits mehr als 41.000 Menschen neu nach Bayern bekommen. Das seien schon jetzt mehr als im gesamten vergangenen Jahr. Das Innenministerium gehe in einer Prognose nun von etwas mehr als 50.000 Zugängen bis Jahresende aus. Aktuell gebe es zwar gewisse Hinweise für einen leichten Rückgang der Zahlen. Man müsse aber abwarten, ob sich dies am Ende bestätige. Auf der anderen Seite wurden bis September 1.711 Rückführungen und rund 8.000 freiwillige Ausreisen von abgelehnten Asylbewerbern gezählt.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband kritisierte die Einführung der Karte scharf. Dies sei „reine Symbolpolitik verbunden mit einem enormen Bürokratieaufwand“. Auch Erfahrungen aus Pilotprojekten hätten gezeigt, dass die Bezahlkarte im Alltag nicht praktikabel sei. „Der ausschließlich bargeldlose Zahlungsverkehr bedeutet für die Geflüchteten vollends den Ausschluss vom gesellschaftlichen Leben. Bezahlkarten verhindern Integration, stigmatisieren Geflüchtete und schränken ihr Recht auf Selbstbestimmung ein“, hieß es.

Söders Show-Effekt

Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze kritisierte, vergangene Woche hätten Bund und Länder gemeinsam Beschlüsse auf den Weg gebracht, um die Rahmenbedingungen einer Bezahlkarte zu prüfen und festzulegen. „Jetzt prescht Markus Söder wieder für den Show-Effekt vor.“ Bislang habe die Karte zum Beispiel in Erding und Zirndorf nicht funktioniert, weil lokale Händler sie nicht als Zahlungsmittel akzeptiert hätten. „Vor diesem Hintergrund Bayerns Behörden nun im Hauruck-Verfahren diesen enormen Verwaltungsaufwand aufzuladen, ist schlicht unverantwortlich. Es braucht eine flächendeckende gemeinsame Lösung, wie auf der MPK beschlossen“, argumentierte Schulze.

Auch Experten des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (Dezim) hatten zuletzt erklärt, die Karten seien mit einem erheblichen bürokratischen Aufwand verbunden, wirkten stigmatisierend und verhinderten letztendlich auch nicht, gekaufte Güter in Bargeld zu tauschen. Rücküberweisungen in Herkunftsländer kämen auch eher von Menschen, die hierzulande beschäftigt seien. (dpa/mig) Aktuell Politik

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