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Bezahlung mit einer Karte (Symbolfoto) © de.depositphotos.com

Abschreckungspolitik

Kommunen bewerten Bezahlkarte für Flüchtlinge unterschiedlich

In der Debatte um die Flüchtlingspolitik wurde zuletzt auch die Forderung nach einer Bezahlkarte für Flüchtlinge laut, die auf bestimmte Waren begrenzt werden und Bargeldabhebungen einschränken könnte. Wer sie am Ende umsetzt, ist aber offen. Der Flüchtlingsrat hält die Forderung für einen Irrglauben.

Sonntag, 05.11.2023, 16:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 05.11.2023, 13:05 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

Forderungen nach einer Bezahlkarte für Flüchtlinge stoßen bei den Vertretungen der Kommunen auf unterschiedliche Resonanz. Der Deutsche Städtetag steht solchen Plänen verhalten gegenüber. Eine Geld- oder Guthabenkarte für Asylbewerberleistungen klinge einfach, könne aber je nach Ausgestaltung sehr kompliziert werden, sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy dem „Evangelischen Pressedienst“. Der Deutsche Landkreistag hält eine bundesweit einheitliche Bezahlkarte dagegen für eine „gute Lösung“. „Wir befürworten den weitgehenden Übergang zu Sachleistungen für Asylbewerber“, sagte Präsident Reinhard Sager (CDU).

In der Debatte um eine Begrenzung der Fluchtzuwanderung nach Deutschland wurden zuletzt Forderungen nach mehr Sach- statt Geldleistungen für Flüchtlinge laut. Ermöglicht werden soll dies über eine sogenannte Bezahlkarte, die beispielsweise nur für bestimmte Waren und Dienstleistungen oder Geschäfte gelten könnte, Bargeldabhebungen begrenzt und Überweisungen ins Ausland ausschließt. Die Länder haben sich für eine solche Karte ausgesprochen.

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Vorbehalte gegen Bezahlkarten

Die Städte könnten sich eine solche Karte vorstellen, wenn sie einfach handhabbar wäre und möglichst bundesweit gelten würde, sagte Dedy. „Sie könnte die monatlichen Sätze für die Bedürfnisse des täglichen Lebens und für den eigenen Haushalt umfassen“, sagte Dedy. Auch eine Kartenlösung wäre aber nicht ohne zusätzlichen Aufwand für die Städte machbar, ergänzte der Hauptgeschäftsführer des kommunalen Spitzenverbands.

Zudem betonte er, dass eine Bezahlkarte Geldzahlungen nicht völlig ausschließen werde. Es werde immer wieder einzelne Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz wie Unfall- oder Krankheitskosten geben, die nicht über solche Karten abgewickelt werden könnten. Sager sprach sich dafür aus, dass Bargeld-Abhebungen nur für das sogenannte Taschengeld möglich sein sollten. Das liegt bei Asylbewerbern laut einer Umfrage des Mediendienstes Integration je nach Bundesland zwischen rund 100 und 150 Euro pro Monat.

Der Städtetag lehnt zusätzliche Kosten für die Kommunen durch die Bezahlkarte ab. „Sollten sich Bund und Länder auf eine Bezahlkarte für Asylbewerberleistungen verständigen, müssen sie die Umsetzung eng mit den Kommunen abstimmen und die zusätzlichen Kosten übernehmen“, sagte er. Sager warb dafür, dass sich Bund und Länder beim Treffen am Montag bei dem Thema verständigen und die Finanzierung klären. Die Regierungschefs und -chefinnen kommen dann mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zu Beratungen über die Flüchtlingspolitik zusammen, bei denen die Aufteilung der Kosten zwischen Bund und Ländern bei Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen im Mittelpunkt stehen dürfte.

Bund und Länder spielen Ball zurück

Bei ihrer Konferenz Mitte Oktober hatten die Ministerpräsidenten in ihrem Beschluss die Bundesregierung aufgefordert, „in enger Abstimmung mit den Ländern zeitnah die Voraussetzungen zur Einführung einer bundesweit einheitlichen Bezahlkarte zu schaffen und dabei die Umsetzbarkeit in den Kommunen sicherzustellen“.

Das Bundesarbeitsministerium spielt den Ball aber zurück. Das Asylbewerberleistungsgesetz, das Leistungsumfang und Form der Leistungsgewährung beinhaltet, ermögliche bereits weitgehend die Gewährung von Leistungen mithilfe einer Bezahlkarte, sagte ein Sprecher auf Nachfrage. Länder und Kommunen würden dieses Gesetz eigenständig umsetzen. Für mögliche weitere Maßnahmen vonseiten des Bundes sei das Ergebnis der Beratungen von Montag abzuwarten.

In der Vergangenheit waren Länder und Kommunen eher von Sachleistungen abgerückt, weil sie einen höheren Verwaltungsaufwand bedeuten. Das Land Nordrhein-Westfalen wies entsprechende Forderungen zuletzt mit Verweis auf Persönlichkeitsrechte zurück. Asylbewerberleistungen, die während des Asylverfahrens, maximal aber 18 Monate nach Asylantragstellung gezahlt werden, liegen unterhalb der Leistungen im Bürgergeld. Für alleinstehende Erwachsene liegt der Satz aktuell bei 401 Euro pro Monat, bei Unterbringung in einer Sammelunterkunft bei 369 Euro.

Söder: Notfalls Alleingang bei Bezahlkarte für Asylbewerber

Allen Vorbehalten und Erfahrung von Sachleistungen zum Trotz hat Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bekräftigt, der Freistaat werde notfalls im Alleingang Sachleistungen für Asylbewerber einführen. „Wir stehen für Sachleistungen über eine Bezahlkarte, mehr gemeinnützige Arbeitsangebote für Asylbewerber und verpflichtende Sprachtests als Integrationsvoraussetzung an der Schule“, sagte Söder dem „Münchner Merkur“. „Aber es wäre gut, wenn uns alle Länder folgen würden.“

In ihrem Koalitionsvertrag hatten CSU und Freie Wähler vereinbart, „soweit rechtlich möglich“ das Sachleistungsprinzip für Asylbewerber und landesweit eine Bezahlkarten-Lösung einführen zu wollen. Im August hatte das bayerische Innenministerium mitgeteilt, die Einführung einer solchen Karte sei bereits in Vorbereitung.

Flüchtlingsrat will Konto statt Bezahlkarte für Migranten

Der Thüringer Flüchtlingsrat hingegen spricht sich dafür aus, den Betroffenen Zugang zu regulären Girokonten zu gewähren. Die mögliche Einführung einer Bezahlkarte für Flüchtlinge sei dagegen eine unzulässige Form der Stigmatisierung, sagte die Projektkoordinatorin des Flüchtlingsrats, Juliane Kemnitz, der Deutschen Presse-Agentur. „Eigentlich ist eine Bezahlkarte ja nur ein Abschreckungsinstrument.“ Die Nutzung von gewöhnlichen Bankkonten sei zu diesem Zweck deutlich effizienter.

Allerdings dürften bei solchen Konten dann zum Beispiel keine Sperren aktiviert werden, um Geldzahlungen ins Ausland zu verhindern, sagte Kemnitz. Wenn in Deutschland lebende Flüchtlinge von dem wenigen Geld, dass sie erhielten, noch etwas sparten, um Angehörige zu unterstützen, dann dürfe ihnen das nicht verwehrt werden. Zudem würden sie „immer einen Weg finden, das zu tun, wenn sie bereit sind, sich etwas vom Mund abzusparen“.

Kemnitz dagegen sagte, die Vorstellung, dass eine Bezahlkarte die Zahl der nach Deutschland kommenden Flüchtlinge senken werde, sei völlig abwegig. „Eine Bezahlkarte baut ja keine Fluchtursache ab in den Herkunftsländern.“ Sie dämme weder den Klimawandel ein, noch beende sie die Kriege. (epd/dpa/mig) Aktuell Politik

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