Ulrich Kober, Migazin, Bertelsmann Stiftung, Integration, Einwanderung, Migration
Ulrich Kober © Bildvorlage Jan Voth/Bertelsmann Stiftung, Zeichnung: MiG

Mission erfüllt?

Das Fachkräfte-Einwanderungsgesetz beginnt zu wirken

Die Fachkräfte-Einwanderung aus Nicht-EU-Staaten verzeichnet Höchstwerte, im internationalen Vergleich bleibt Deutschland dennoch Mittelmaß. Mit ein Grund: die parteipolitisch getriggerte Migrationsskepsis.

Von Dienstag, 16.01.2024, 8:39 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 17.01.2024, 12:23 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Der neue Fachkräftemigrationsmonitor der Bertelsmann Stiftung zeigt mit rund 71.000 Personen, die 2022 aus Nicht-EU-Staaten zur Arbeitsaufnahme nach Deutschland gekommen sind, einen neuen Höchstwert. Das ist eine gute Nachricht: Der „Migrationskiller“ Pandemie ist überwunden, das zunächst ausgebremste Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FEG) von 2020 scheint Wirkung zu entfalten!

Bei aller Freude über die Dynamik der Erwerbsmigration aus Drittstaaten bleibt ihre absolute Zahl aber relativ niedrig. Das ist problematisch, weil die EU-Binnenmobilität als bisherige Hauptquelle der Arbeitszuwanderung für Deutschland zurückgeht: 2015 waren noch rund 685.000 Personen aus der EU gekommen, 2022 nur noch 482.000. Aus demografischen Gründen wird diese Einwanderung weiter zurückgehen, denn fast alle EU-Staaten haben niedrige Geburtenraten.

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Die Arbeitsmigration aus Nicht-EU-Staaten wird in diesem Kontext für Deutschland noch wichtiger. Denn der Bedarf an Arbeitskräften bleibt hoch, so die Unternehmensbefragung für den Fachkräftemigrationsmonitor: 2023 hatten 56 Prozent der Unternehmen Fachkräfteengpässe bei Personen mit Berufsausbildung, 30 Prozent bei Personen mit Hochschulabschluss und 11 Prozent bei solchen ohne Berufsausbildung. Besonders betroffen sind die Alten- und Krankenpflege, der Tourismus bzw. die Gastronomie und das Bauwesen sowie Handwerk.

„Die Mission des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes, genügend Menschen aus Drittstaaten für den deutschen Arbeitsmarkt zu gewinnen, ist also noch nicht erfüllt.“

Die Mission des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes, genügend Menschen aus Drittstaaten für den deutschen Arbeitsmarkt zu gewinnen, ist also noch nicht erfüllt. Das sah auch die verantwortliche Politik und hat das FEG bereits nach drei Jahren überarbeitet. Die Reform, die das Erwerbsmigrationsrecht weiter liberalisiert, zieht viele Register: Von abgesenkten Gehaltsgrenzen für die Blaue Karte EU über erleichterte Zugänge für berufserfahrene Personen, Pflegehilfskräfte und Berufskraftfahrer bis zu Einführung der Chancenkarte und Entfristung der Westbalkanregelung.

„Der erweiterte Rechtsrahmen ist notwendig für einen weiteren Anstieg der Erwerbsmigration aus Drittstaaten, aber nicht hinreichend.“

Sogar kurzzeitige Kontingente für Personen unabhängig von ihrer Qualifikation wurden eingeführt, um z. B. ein Reisechaos an deutschen Flughäfen wie 2022 zu vermeiden. In der Arbeitsverwaltung wird damit gerechnet, dass mit der sukzessiven Umsetzung der Reform dann jährlich rund 130.000 Personen aus Drittstaaten zur Arbeitsaufnahme nach Deutschland kommen können.

Das ist allerdings kein Selbstläufer. Der erweiterte Rechtsrahmen ist notwendig für einen weiteren Anstieg der Erwerbsmigration aus Drittstaaten, aber nicht hinreichend. Die Migrationsverwaltung bleibt die Achillesferse der ambitionierten Reform.

Auslandsvertretungen und Ausländerbehörden sind mit vielen Aufgaben jenseits der Erwerbsmigration überlastet. Die hohe Komplexität des reformierten Erwerbsmigrationsrechts mit vielen Prüfungserfordernissen und Ermessensspielräumen überfordert die Ämter. Sie brauchen einfachere, digitalisierte und zentralisierte Verfahren und mehr und besser qualifiziertes Personal.

„Die aktuelle parteipolitisch getriggerte Migrationsskepsis, die sich am rechten Rand zu einer ausgeprägten rassistischen Migrationsfeindschaft auswächst, ist nicht hilfreich für die Attraktivität Deutschlands.“

Auch auf der Nachfrageseite gibt es Schwierigkeiten. Denn Unternehmen sind bisher bei der Anwerbung aus dem Ausland sehr zurückhaltend: in den letzten vier Jahren sind nur 16 bis 17 Prozent in diesem Feld aktiv geworden – vor allem wegen der Schwierigkeiten der sprachlichen Verständigung und der Einschätzung ausländischer Qualifikationen. 61 Prozent der Unternehmen wünschen mehr staatliche Abkommen zur Vermittlung ausgebildeter Fachkräfte.

Schließlich ist die aktuelle parteipolitisch getriggerte Migrationsskepsis, die sich am rechten Rand zu einer ausgeprägten rassistischen Migrationsfeindschaft auswächst, nicht hilfreich für die Attraktivität Deutschlands. Das Land befindet sich im globalen Wettbewerb um Talente und ist dabei im Vergleich zu anderen OECD-Staaten nur Mittelmaß. Die Mission, mehr Menschen mit ihrer Fachexpertise und Arbeitskraft für Deutschland zu gewinnen und im Land zu halten, ist noch lange nicht erfüllt. Meinung

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