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MiGAZIN Kolumnist Sven Bensmann © privat, Zeichnung MiG

Nebenan

Politische Personalien

In der Politik ist wieder was los: Ardern tritt zurück - so ganz ohne Super-Job in der Wirtschaft, Unions Pascha rotzt im Öffentlich-Rechtlichen Fernsehen, Deutschland hat eine neue Verteidigungsministerin. Und da war noch etwas...

Von Montag, 23.01.2023, 15:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 23.01.2023, 6:22 Uhr Lesedauer: 7 Minuten  |  

Die letzten zwei Wochen waren die einiger wichtiger politischer Weichenstellungen. Da war einerseits der durchaus beeindruckende Schritt der neuseeländischen Premierministerin Jacinda Ardern. Die hatte im Alter von nur 42 Jahren geschafft, was manch anderem mit 80 noch nicht gelingt: Loslassen. Weltweit geschätzt sagt sie „Ciao!“ zur Politik und tritt ab – und das wohl nicht einmal, weil ein besser bezahlter Job in der freien Wirtschaft wartet.

In Israel hat derweil die schwer rechtslastige Regierung eine Politik auf den Weg gebracht, die den Grundpfeiler der Demokratie außer Kraft setzen soll: die Unabhängigkeit der Judikative als deren drittem Grundpfeiler. Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes, dass ein Gesetz verfassungswidrig sei, sollen zukünftig mit einfacher Parlamentsmehrheit überstimmt werden können – einer Koalition, denen eben jene Judikative teils die Politikfähigkeit abspricht. Wer zuletzt noch meinte, Kritik an Israel sei in keiner Form geboten, weil Israel doch, gemessen an seinen Nachbarn, der einzige demokratische Staat der Gegend sei – als sei das bereits ein Wert an sich – werden sich dies dann wohl zukünftig noch einmal überlegen müssen: Wie auch immer man ein solches politisches System nennen will, in dem es eine unkontrollierte Parlamentsmehrheit gibt – Oligarchie, Plutokratie – eine Demokratie ist es nicht mehr.

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„Der kleine Pascha der Union, der niemanden neben sich duldet, während er seine selbsternannte Volkspartei als völkische Partei unter seiner egomanen Führung umformt, musste sich ja auch einiges anhören, nachdem er mal wieder eine seiner rassistoiden Plattitüden ins Öffentlich-Rechtliche gerotzt hatte. „

Und wo ich gerade von fundamentalistischen Rechtsaußen rede: Der kleine Pascha der Union, der niemanden neben sich duldet, während er seine selbsternannte Volkspartei als völkische Partei unter seiner egomanen Führung umformt, musste sich ja auch einiges anhören, nachdem er mal wieder eine seiner rassistoiden Plattitüden ins Öffentlich-Rechtliche gerotzt hatte – von dem andere gern behaupten, dass man, speziell dort, ja sowas nicht mehr sagen dürfe.

Selbst aus den eigenen Reihen, von Merz sofort als einzelne Stimmen von Hinterbänklern (hat er doch bereits dafür gesorgt, dass es außer ihm nur noch Hinterbänkler gibt) disqualifiziert, hatte es dafür Kritik gehagelt. Selbst sein Generalsekretär, normalerweise die Abteilung Attacke einer Partei, kommt aus dem Relativieren und Aufweichen seines alten Herrn nicht mehr heraus. Das ist eben, was passiert, wenn man einen egomanen Hetzer zum Parteichef macht, weil man „mehr Profil“ will, werden manche sagen: stagnierende Umfragewerte für die Partei und ein Totalausfall in der Einzelwertung. Aber die Union dürfte mehr als das wollen.

„Zeit, dass die alten Herren der CDU, die sich darin gefallen, mit der AfD zu flirten, sich eingestehen, dass man entweder ganz offen die AfD zum potenziellen Koalitionspartner aufwerten muss, wie das in Kommunen und Ländern ja bereits passiert, oder man wirklich eine Brandmauer zu den neuen Nazis braucht.“

In den 2020ern findet man aber eben keine Mehrheiten mehr mit Politik aus den 1950ern, da findet man nur die stets gleichen alten Lappen. Zeit, dass die alten Herren der CDU, die sich darin gefallen, mit der AfD zu flirten, sich eingestehen, dass man entweder ganz offen die AfD zum potenziellen Koalitionspartner aufwerten muss, wie das in Kommunen und Ländern ja bereits passiert, oder man wirklich eine Brandmauer zu den neuen Nazis braucht – dann aber eben nur zu dem Preis, sich dem einundzwanzigsten Jahrhundert zu öffnen, selbst wann man derzeit nur einen Parteivorsitzenden aus dem tiefsten zwanzigsten zu bieten hat.

Und dann hat Deutschland ja auch noch eine neue Verteidigungsministerin. Die hat schon jetzt ein Problem: einen Pimmel. Während es beim Militär jedoch, unter diesen „echten Männern“, zumeist ja darauf ankommt, wer denn wohl den dicksten, den längsten oder den schönsten hat (but please: don’t ask, don’t tell), ist hier der Lümmel selbst das Problem – viele Frauen werden das kennen.

„Wer im Kabinett eine Frau besetzt, die so offensichtlich ohne jede Kompetenz auskommt, erweist dem eigentlichen Anliegen der Gleichstellung einen Bärendienst und delegitimiert die Frauenquote qua Gegenbeweis.“

Der Demenzkanzler hatte schließlich im Wahlkampf Parität versprochen, also gleich viele Männer wie Frauen im Kabinett zu besetzen, nur um am Ende jene Frau, die für alle vehementen Quotengegner ein argumentativer Glücksfall war, fallen lassen zu müssen. Ich sage gut so: Wer im Kabinett eine Frau besetzt, die so offensichtlich ohne jede Kompetenz auskommt, erweist dem eigentlichen Anliegen der Gleichstellung einen Bärendienst und delegitimiert die Frauenquote qua Gegenbeweis.

Scholz hatte auf den Rücktritt jedenfalls einen Ersatz vorstellen müssen, und auch wenn es hieß, er habe niemanden außer Boris Pistorius überhaupt gefragt, darf doch davon ausgegangen werden, dass eine Reihe von Personen, sicher nicht wenige Frauen, zuvor dankend abgesagt hatten, womöglich schlicht proaktiv: Bitte Olaf, lass diesen Kelch an mir vorübergehen, bitte frag mich nicht! Dann muss ich dir auch nicht absagen!

„Schließlich ist das Einzige, an dem es der Bundeswehr nicht mangelt, das Geld.“

Nun musste aber halt unbedingt irgendjemand her. Eine Bundeswehr so ganz ohne Führung, das geht ja nunmal nicht (*badumm tss*)! Anforderungsprofil: unterstellte Autorität bei gleichzeitigem Fehlen jedweder politischen Ambition. Und die Fähigkeit, mit dem stetig weiter aufgeblasenen Militärbudget, das siebtgrößte der Welt und beinahe auf Augenhöhe dem russischen Wehretat, eine halbwegs wehrfähige Bundeswehr zu gestalten, ohne dass am Ende jemand zu neugierig nachfragt, wo eigentlich all die Milliarden versumpft sind, schließlich ist das Einzige, an dem es der Bundeswehr nicht mangelt, das Geld.

Das Verteidigungsministerium ist daher, gerade heute, kein Karrieresprungbrett, es ist eine Brücke ins Nichts. Wer dieser Tage Frauen ins Spiel brachte, die noch auf eine politische Karriere hoffen, allein um mit deren Berufung die Parität zu wahren, hat entweder das nicht verstanden oder muss sich den Vorwurf gefallen lassen, diese Frauen gezielt sabotieren zu wollen. Hätte Scholz eine Landesministerin oder gar Ministerpräsidentin mit Restzukunft berufen, wäre ihm daher auch völlig zu Recht unterstellt worden, sich elegant einer Konkurrentin entledigen zu wollen.

Und überhaupt: Es sollte sich doch ein anderes Ministerium finden lassen, in dem eine Frau glänzen kann. Die Pandemie ist gerade offiziell beendet worden, und so braucht es doch eigentlich keinen Pandemieexperten Lauterbach mehr im Gesundheitsministerium, der sonst nur Privatisierung der Gesundheit zugunsten des Shareholder-Value zu bieten hat – denn die ist die Wurzel all derer Probleme, die das deutsche Gesundheitssystem heute plagen. Die FDP mag für einen eher darwinistischen Ansatz in der Gesundheit von ihrer Wählerschaft gefeiert werden; die SPD-Wählerschaft ist da aber anders gepolt. Und Markus Lanz wartet sicher auch schon sehnlichst darauf, dass ihn der Karl endlich mal wieder besuchen kommt. Scholz sollte daher besser nicht abwarten, bis Lauterbach ihm krachend auf die Füße fällt, sondern die Gelegenheit der Personalrochade jetzt nutzen.

„Julian Reichelt erklärte im Zuge des Rücktritts auf seinem Hutbürger-Kanal im Internet ja, Deutschlands schlechtester Minister aller Zeiten sei abgetreten… Aber ich bitte Sie, Herr Reichelt: So lange ist Andy Scheuers Zeit als Verkehrsminister doch auch noch nicht vorbei.“

Oh, und noch etwas: der wandelnde Samenstau Julian Reichelt erklärte im Zuge des Rücktritts auf seinem Hutbürger-Kanal im Internet ja, Deutschlands schlechtester Minister aller Zeiten sei abgetreten. Das kann ich auch nicht so stehen lassen. Denn ich halte Reichelt allgemein zwar nicht für sonderlich gescheit, und Geschichtswissen will ich dem Jammerlappen mit der notorisch offenen Hose nun auch nicht unterstellen.

Aber ich bitte Sie, Herr Reichelt: So lange ist Andy Scheuers Zeit als Verkehrsminister doch auch noch nicht vorbei. Selbst ein intellektuell herausgeforderter Aficionado wie Sie müsste sich doch noch daran erinnern können. Und wenn Sie sich wirklich nicht mehr erinnern: Einfach mal im Internet ne richtige Zeitung googeln. Das hebt ja vielleicht sogar die journalistische Qualität Ihrer kleinen Verschwörer-Klitsche. Meinung

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  1. Dennis Grau sagt:

    Obschon meines Versprechens Zven Bensmanns Beiträge nicht mehr zu lesen, nutze ich meine Fähigkeit 15 Zeilen in zwei Sekunden zu überfliegen, um mir eine Meinung über seine Beiträge zu bilden.

    Dieser Beitrag von Zven beleuchtet die bekannte Achse Neuseeland-Israel-Deutschland als Wichtigste des aktuellen, politischen Weltgeschehens.
    Oder könnte seine Kritik an Israel der verdeckte, eigentliche Kern seines Beitrages sein?
    Seine Quintessenz ist, das Israel keine Demokratie (mehr) ist.
    Ich frage mich, warum sein Beitrag zu Israel nicht in hebräisch verfasst ist, um mit dieser Kritik, „Satire“, „Meinung“ eine Wirkung auf den israelischen, politischen Dialog zu erzielen?

    Kann es sein, dass Zven Israel wirklich real den Status Demokratie abspricht?
    Welche Folgen hat dies für sie in Israel? Sie vermuten richtig, keine.
    Welche Folgen hat dies für sie in Neuseeland oder Deutschland? Sie vermuten richtig, keine.

    Handelt es sich vielleicht um ganz, ganz, ganz linke Aussagen, welche zumindest hier in Deutschland rechts genannt würden?

    Ich kann dem Migazin nur raten, sich von diesem Autor zu trennen, außer sie möchten auch antisemitische Beiträge senden.

    Meiner Meinung nach wird jeder andere, ernsthafte Journalist bei Migazin in seinem Ansehen durch die Beiträge von Zven beschädigt.

    Du weißt wo ich wohne, Zven ;)

  2. Loki sagt:

    “ Oh, und noch etwas: der wandelnde Samenstau Julian Reichelt erklärte im Zug…. “

    Immer cool und sachlich bleiben,Svenja.
    Nach Möglichkeit Beleidigungen vermeiden.
    Ansonsten könnte man noch auf die abwegige Idee kommen,dass du dich intellektuell auf dem Niveau eines Drittklässlers bewegst.
    Also Svenja..erst in die Tischkante beissen und dann in die Tastatur hauen.

    • Dennis Grau sagt:

      @Loki
      Ich kann deinen Kommentar nur dahingehend interpretieren, dass du dich persönlich um den Samenstau Julian Reichelts kümmerst und deshalb diese Aussage als unrichtig widerlegen kannst.

      Ich möchte mich dennoch weit distanzieren von deinem chauvinistischem Kommentar, weil der Eindruck entstehen könnte, dass er Meinem inhaltlich folgt.

      Lokis Kommentar wurde erstellt , bevor Meiner nach Prüfung veröffentlicht wurde.

      Noch ein Nachtrag zu meinem ersten Kommentar: Es ist das Wort Oligarchie, welches mich im beschriebenen Zusammenhang sehr aufmerksam werden ließ.
      Die pseudoverdeckte Aussage dahinter ist, dass Oligarchie auch schon jetzt mit intakter Gewaltenteilung besteht.
      Klare Verschwörungstheorie und damit antisemitisch, meiner Meinung nach.
      Ich würde dies nicht leichtfertig vorwerfen, wenn es nicht so ins Auge stechen würde.