Anzeige
Sven Bensmann, Migazin, Kolumne, Bensmann, Sven
MiGAZIN Kolumnist Sven Bensmann © privat, Zeichnung MiG

Nebenan

Braune Sauce

Die Grenzen des Sagbaren sind so weit nach rechts verschoben, dass das Grundgesetz inzwischen wie ein linksradikales Pamphlet klingt. Daher ist es mal wieder Zeit, über die AfD zu reden - diese FDP für Arme.

Von Montag, 25.07.2022, 15:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 25.07.2022, 11:58 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Es ist mal wieder Zeit, über die AfD zu reden, diese FDP für Arme – und ja, ich war kurz geneigt „für geistig Arme“ zu schreiben, aber dann fiel mir wieder ein, dass die FDP ja die AfD für ebenso geistig arme, aber reiche Erben ist, also musste das wieder raus.

Die AfD hat letzte Woche nämlich mit zwei typisch hutbürgerlichen Initiativen auf sich aufmerksam gemacht. Zum einen hat da die ausländliche Migrations-Lesbe Alice Weidel beklagt, dass aber auch wirklich gar keiner mit ihr und ihren Kameraden reden will, und in jeder politischen Talkshow doch nur gefühlt mindestens ein AfD-Fatzke hocke, wo doch meist drei oder mehr Gäste eingeladen sind – und da wird der Volkskundler hellhörig: dann ist man schließlich in der Minderheit, obwohl man doch das Volk ist, und das Volk ist per definitionem ja in der Mehrheit.

___STEADY_PAYWALL___

Gleichzeitig wurde ein Journalist der sächsischen „Freien Presse“ – allein der Name wohl schon ein Reizbegriff für die Mehrheit der AfD-Abgeordneten – der explizit über die AfD berichten wollte, präziser deren sächsischen Landesparteitag, von diesem ausgeschlossen: Presse unerwünscht.

Anzeige

Und natürlich kann man jetzt darüber schwadronieren, dass die AfD ein seltsames Verständnis von Pressefreiheit habe, wenn sie einerseits Aufmerksamkeit einfordert, andererseits aber Journalisten von ihren Veranstaltungen auslädt, darüber, dass das ja heuchlerisch wirke, und geradezu gefährlich, wenn die AfD dann auch noch kolportiert, sie werde prüfen, Verlage und Publikationen aufzukaufen, um sie zu AfD-freundlichen Abnickerblättern hochzujazzen. Aber erstens ist das zu einfach und zweitens haben das schon viele andere gemacht (womit erstens bereits bewiesen wäre).

„In einem Land, in dem die Grenzen des Sagbaren mittlerweile so weit nach rechts verschoben wurden, dass man allenfalls mit linksradikalen Pamphleten wie dem Grundgesetz noch negativ auffällt…“

Denn es verdient einer gesonderten Aufmerksamkeit, dass dies ja die Wurzel der Kommunikationsstrategie der AfD ist, vielleicht deren einzige Strategie: Einen halbwegs vorzeigbaren Nazi, der neben Wolfgang Kubicki oder Christian Lindner halbwegs intellektuell, neben Olaf Scholz oder Angela Merkel beinahe eloquent wirkt, in eine Talkshow zu setzen, der dann rassistoide Plattitüden in den Raum wirft, auf die sich alle Anwesenden stürzen, um darüber vollständig zu vergessen, worum es denn eigentlich ging, dabei gleichzeitig aber überall dort, wo AfD’ler unter sich sind, wo es um die Sache geht und nicht bloß um provokante Wortsülze, möglichst einen Deckel rauf zu haben – weil die AfD an genau dieser Stelle eben über keinerlei Substanz und keinerlei Kohärenz verfügt. Und ja, ich nutze an dieser Stelle mit Absicht stets das „er“, denn die AfD ist ja doch ein Männerverein, in der allenfalls Kampflesben wie die Weidel und Mannsweiber wie die Storch es nach oben schaffen – und das wiederum sage ich nur so, weil es dem Weltbild derer entspricht, um deren Stimmen die Weidel und die Storch buhlen.

In einem Land, in dem die Grenzen des Sagbaren mittlerweile so weit nach rechts verschoben wurden, dass man allenfalls mit linksradikalen Pamphleten wie dem Grundgesetz noch negativ auffällt, schadet es einem rechtsextremen Politiker halt nicht mehr, wenn er sich in eine Talkshow setzt und dort Hass in die Runde rotzt, denn „das wird man ja wohl noch sagen dürfen“.

Führt man den potenziellen AfD-Wählern aber vor Augen, wie die Parteitage oder das Programm der Partei aussehen, dann wird sich der ein oder andere die Augen reiben, was diese Volks-Partei da eigentlich wirklich vorhat. Von wegen Kümmerer, selbst die FDP kann sich in Sachen Oligarchie bei der AfD noch etwas abschauen. Dass eine, wie die Storch, die aus der faschofreundlichen Feudalherrschaft kommt und das „von“ führt, als bedeute es etwas, oder eine, wie die Weidel, die ja schließlich nicht hier leben muss, für so etwas werben, erschließt sich mir dabei noch. Warum aber ein Beamter wie der Höcke dafür steht, lässt sich wohl nur damit erklären, dass er glaubt, als zukünftiger Führer, wie sein Freund Putin, schon genug wird auf die Seite schaffen können, um in dieser Liga mitspielen zu können – oder damit, dass er tatsächlich nur eine Sockenpuppe des Götz Kubitschek ist und lediglich die Lippen zu dessen Texten bewegt.

Ein bisschen erinnert es mich aber schon an jene Zukunftssatire „Futurama“, in der ein eingetupperter Richard Nixon im Jahre Dreitausendirgendwas von einer Bühne herunterbellt, er werde die Steuern für die Reichen senken und die Zähne der Armen als billige Aquariumskiesel benutzen, wenn er erstmal Präsident ist, um diesen Armen so richtig zu zeigen – und die Zuschauerschaft ihn frenetisch dafür feiert, denn jetzt gehöre man vielleicht noch zu jenen Armen, die bluten sollen, aber irgendwann, da werde man ganz sicher zu den Reichen zählen, und dann sollen all die Armen so richtig bluten.

Schon dort hat es am Ende nur funktioniert, weil Nixon eine Dyson-Mauer an der südlichen Grenze des Sonnensystems bauen wollte – ganz wie heute auch die AfD den Verstand ihrer Wähler in einer brauen Sauce aus Rassismus und Nationalismus ertränken will. Meinung

Zurück zur Startseite
MiGLETTER (mehr Informationen)

Verpasse nichts mehr. Bestelle jetzt den kostenlosen MiGAZIN-Newsletter:

UNTERSTÜTZE MiGAZIN! (mehr Informationen)

Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.

MiGGLIED WERDEN
Auch interessant
MiGDISKUTIEREN (Bitte die Netiquette beachten.)

  1. Levent Öztürk sagt:

    Wären all die Opfer von den durch Rechtsextremisten begangenen Anschlägen, wie in Mölln, Solingen, Hanau, München, Köln Keupstr., Nürnberg, vertuschte NSU-Serienmorde, NSU 2.0 usw. usw. usw. keine Türken, sondern Deutsche (ohne Migrationshintergrund) bzw. jüdische Mitbürger oder z.B. US-Bürger, dann gäbe es in Deutschland solche abartigen gesellschaftspolitischen „Experimente“ der Sorte AfD, NPD, Pegida und Co. in keinster Weise. Absolut unverständlich, dass es diesen Braunen Sumpf mit all seinen Erscheinungen in Deutschland immer noch gibt; anscheinend weil wohl die Opfer dieser rassistisch motivierten und von Rechtsextremisten durchgeführten Anschläge und Attacken immer und immer wieder nahezu ausnahmslos der Türkischen Community entstammen.