Nebenan
Getrübtes Urteilsvermögen
Bei Wahlen geht es auch darum, ob die Justiz in Deutschland auf dem rechten Auge blind ist und Frauen vor dem Kadi Menschen zweiter Klasse sind. Ein paar Beispiele gefällig?
Von Sven Bensmann Dienstag, 21.09.2021, 5:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 20.09.2021, 12:13 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Das ist sie also: Die letzte „Nebenan“ vor der Bundestagswahl. Eigentlich ja der richtige Zeitpunkt, noch einmal in aller Form vor den katastrophalen Folgen zu warnen, mit der eigenen Stimme CDU/CSU und FDP in eine wie auch immer geartete Regierung zu verhelfen. Aber mir soll ja keiner vorwerfen, ich sei parteiisch oder hätte ganz allgemein etwas gegen die schwarzgelb-versifften Schlechtmenschen.
Und einerseits will ich ja auf den gesunden Menschenverstand der Leser vertrauen wollen, andererseits haben auch viele bereits per Brief gewählt, sodass die Zielgruppe der Ansprechbaren gar nicht mehr allzu groß sein könnte. Es gibt da aber auch etwas anderes, das dringend angesprochen werden muss, bevor im Koalitionsgeschacher auf absehbare Zeit keine Zeit mehr dafür sein wird. Und das tangiert den Wahlkampf, ist also zumindest nicht ganz aus der Luft gegriffen.
Im Kern geht es aber darum, ob die Justiz in Deutschland auf dem rechten Auge blind ist, ob Ausländer und Frauen vor dem Kadi Menschen zweiter Klasse sind – ein Vorurteil, das seit den Gründungsjahren der Bundesrepublik im Raum steht und nie ganz entkräftet werden konnte.
Aktuell ist da ganz konkret die Geschichte um Andy Grote (#Pimmelgate), seines Zeichens hauptberuflich alter, weißer Mann und nebentätig als Hamburger Innensenator. Der hatte unbedingt am eigenen Leibe erleben wollen, was eigentlich dieser „Streisand-Effekt“ eigentlich ist – und (mittelbar) eine Hausdurchsuchung veranlasst bei jemandem, der ihn auf Twitter als „Pimmel“ bezeichnet hatte und dies bei einer Vorladung auch zugegeben hatte – wohl um Beweise zu sammeln, welcher völlig unbekannte Täter für den fraglichen Tweet denn wohl verantwortlich sein könnte.
Gegenüberstellen sollte man diesen Hamburger Verhältnissen einfach mal jenen Spruch des Berliner Landgerichts, das da befunden hatte, Beleidigungen, die die „Sueddeutsche“ als „Drecks Schwein“ [sic!], „Schlampe“ und „noch drastischere sexistische Ausdrücke“ zusammenfasste (und ja, das schließt auch „Drecks Fotze“ [sic!] mit ein), seien von der Meinungsfreiheit gedeckt und eben keine Beleidigungen, wenn sie sich gegen Renate Künast richten. Aber die ist ja auch ne Frau, ne Grüne noch dazu – und vor allem kein Innensenator. Das, was anderen Frauen, gerade solchen mit außerdeutschen Vorfahren, und gerade im Internet, alles so an den Kopf geworfen wird, das dürfte ich hier wohl nicht einmal dann schreiben, wenn ich wollte.
Ein Schelm, wer zweierlei Maß dabei entdecken will.
Dann ist da aber auch noch jenes Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz. Demnach ist es nämlich völlig OK, wenn eine rechtsextreme Partei auf ihren „Wahlplakaten“ zum Mord an den Grünen auffordert – weil es ja unklar sei, welche Grünen da eigentlich gemeint seien – Werder Bremen wird’s ja wohl kaum sein. 100 Meter zum nächsten Grünen-Wahlplakat reiche jedenfalls vollkommen aus.
Auch hier noch ein Vergleich: „Das spezifische ihrer Geste und ihrer Funktion lässt keine andere Möglichkeit sich mit ihnen in Beziehung zu setzen als in einer Ecke mit dem Gewehr wartend!“, reicht aus, um in einem Land, dass die Todesstrafe nicht kennt, in der Gefängniszelle getötet zu werden. Mutmaßlich.
Und wer skrupellos dafür verantwortlich ist, schwarze Teenager mit Brechmitteln zu töten, der hat das Zeug zum Kanzler. Meinung
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