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Seenotretter vom Rettungsschiff "Alan Kurdi" im Mittelmeer © Sea Eye/Cédric Fettouche

150 Flüchtlinge gerettet

Bundesregierung bat Crew der „Alan Kurdi“, Rettung einzustellen

Trotz Corona-Krise war das Rettungsschiff „Alan Kurdi“ wieder zu einem Einsatz im Mittelmeer aufgebrochen. Jetzt rettete die Crew 150 Flüchtlinge aus Seenot. Zuvor hatte die Bundesregierung die Seenotretter gebeten, während der Corona-Krise die Rettung von Menschen einzustellen.

Mittwoch, 08.04.2020, 5:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 07.04.2020, 21:14 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Das deutsche Rettungsschiff „Alan Kurdi“ hat vor der libyschen im Mittelmeer 150 Flüchtlinge aus Seenot an Bord genommen. Die Regensburger Hilfsorganisation Sea-Eye appellierte an das Auswärtige Amt, für die Geretteten Verantwortung zu übernehmen. „Es muss doch vorstellbar und menschenmöglich sein, eine Maschine für 150 Schutzsuchende nach Südeuropa zu senden, um die Menschen unverzüglich zu evakuieren“, betonte die Organisation. Die Bundesregierung habe schließlich mehr als 200.000 Menschen wegen der Corona-Krise aus dem Ausland zurückgeholt.

Nach Angaben von Sea-Eye saßen die Flüchtlinge am Montag ohne Rettungswesten in zwei überfüllten Holzbooten. Bei der ersten Rettungsaktion am Vormittag seien von einem libysch beflaggten Schiff Warnschüsse abgegeben worden, woraufhin einige Menschen ins Wasser gesprungen seien. Nachdem sich die Lage beruhigt habe, seien alle 68 Personen mit Schwimmwesten versorgt und gerettet worden.

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Noch während der ersten Rettung sei ein weiterer Seenotfall weiter nördlich gemeldet worden. Auch dieses überfüllte Holzboot mit 82 Menschen an Bord, darunter auch Kinder, sei am Montag evakuiert worden. Ein italienisches Versorgungsschiff habe wenige Stunden zuvor die Rettung verweigert, hieß es. Welchen Hafen die „Alan Kurdi“ mit 150 Flüchtlingen an Bord anlaufen kann, sei weiter unklar.

Bundesregierung: Rettet bitte nicht!

Italienische und maltesische Ministerien hätten gegenüber dem Auswärtigen Amt klargestellt, dass man einer Ausschiffung von geretteten Personen auch dann nicht zustimmen würde, wenn die Verteilung der Geretteten geregelt würde, hieß es laut Mitteilung. Als Begründung gaben die beiden Küstenstaaten laut Sea-Eye den gesundheitlichen Notstand im eigenen Land an.

Das Bundesinnenministerium wiederum habe Sea-Eye gebeten, während der Corona-Krise keine Fahrten aufzunehmen und bereits gestartete Schiffe zurückzurufen. Zu diesem Zeitpunkt sei die „Alan Kurdi“ aber bereits seit einer Woche im Einsatz gewesen, teilte Sea-Eye mit. Michel Brandt (Linke), Bundestagsabgeordneter und Obman im Menschenrechtsausschuss sprach von einem Aufruf zur unterlassenen Hilfeleistung.

Nicht weniger Flüchtlinge wegen Corona

Laut der International Organisation of Migration (IOM) ist die Zahl der Menschen, die über das Mittelmeer nach Europa gelangen, auch während der Corona-Krise ähnlich hoch wie im Vergleichszeitraum 2019 und 2018. Allein in den vergangenen Tagen wurden den Angaben zufolge hunderte Flüchtlinge, die über das Mittelmeer nach Europa wollten, zurück nach Libyen gebracht.

Menschenrechtsorganisationen zufolge erwarten sie dort Inhaftierung und Folter in Lagern. Die Organisation Alarm Phone, die einen Notruf für Flüchtlinge im Mittelmeer betreibt, berichtet immer wieder von verschwundenen Booten und vermissten Personen. (epd/mig) Aktuell Panorama

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  1. Gerrit sagt:

    Ich dachte immer: „Schlimmer geht’s nimmer“.

    Aber das ist, vornehm ausgedrückt, skandalös!!!!

    Die Bundesregierung „bittet“ … ebenso gut können sie sagen: Laßt sie absaufen. Und das sollen unsere sogenannten „Werte“ sein ???

    Gleichzeitig werden zehntausende Erntehelfer eingeflogen, damit (berechtigt) die Spargelbauern nicht in „die Knie“ gehen und Menschen, die von dieser Arbeit leben, Arbeit haben (auch berechtigt). Aber bei wenigen Flüchtlingen gibt es Organsationsprobleme???

    Man darf Probleme nicht gegeneinander aufwiegen. Corona ist ein großes Problem (menschengemacht), aber die anderen Probleme sind doch weiterhin da und müssen auch gelöst werden.

    • Erik sagt:

      Folgekosten: mindestens 1000 Euro pro Nase und Monat. Wer erwirtschaftet die? Jedenfalls nicht „die Crew“. Nein, die tragen sich niemals selber. Auch nicht „sozialversicherungspflichtig angestellt“ – da kann man die Selbsttrageentlohnung ausrechnen. Sagen wir: das ist Staatsluxus. Man sehen wie lange sich die BRD den gönnt.

      • Gerrit sagt:

        Pardon bitte für den Ausdruck, aber solche Kommentare sind zum kotzen.

        Was die Crew der Alan Kurdi dort macht, kann man nicht aufrechnen. Sie retten nämlich Menschenleben … und das ist nicht bezahlbar! Dafür gebührt ihnen Respekt und nicht solche merkwürdigen Kommentare.

        Und Leute, die solche Rechnungen aufmachen, vergessen, daß es einen Großteil der Flüchtlinge, auch sogenannte „Wirtschaftsflüchtlinge“ nur gibt, weil wir, also die reichen Länder, die armen Länder und Menschen dort über Jahrzehnte ausgebeutet haben. Sie haben keine Chance für ein eigenbestimmtes Leben.
        Und deren eigene sogenannten Staatschefs und Eliten, meistens Autokratien, wurden zusätzlich von reichen Ländern hofiert (nur ein Beispiel: Bokassa u.v.m.) für günstige Lieferverträge von Rohstoffen.

        Was wir heute erleben in der Flüchtlingssituation ist das Ergebnis jahrzehntelanger Fehler in der Außen- und Entwicklungspolitik und der Dekolonisation.

        Und die, die mit Worten wie „Selbsttrageentlohnung“ um ich werfen und von Staatsluxus sprechen, sollten lieber dafür kämpfen, daß z.B. im Kongo nicht bereits Kinder Coltan abbauen müssen zur Unterstützung der Familienversorgung … damit wir ein billiges Handy bekommen! Oder Kinder aus Mali und anderen Nachbarstaaten an Kakaobauern in der Elfenbeinküste „verschachert“ werden zur Ernte von Kakaobohnen, damit wir in Deutschland geschätzte 11kg Schokolade pro Jahr billig „fressen“ können. Beispiele dieser Art gibt es viele.

        Diese Kinder sollten lieber und besser eine vernünftige Bildung bekommen. Ohne Bildung sind es größtenteils die „Flüchtlinge von morgen“.
        Und sie sollten sich dafür einsetzen, daß Ansätze wie das Lieferkettengesetz auch umgesetzt und nicht vom Kanzleramt und Wirtschaftsministerium abgebremst/ausgebremst wird. Das wäre dann mal ehrlich. Vielleicht mehr bezahlen für’s Handy, den Kaffee, die Schokolade, die Textilien usw. usw. – mit einem Wort „Fairness“!

        Das wäre mal ehrlich -statt solcher Kommentare. Denn auch diese Kinder und alle Menschen dort haben Hoffnungen und vor allem ein RECHT auf ein würdiges Leben.

        Es liegt also an uns, die Situation zu ändern. Mit „1.000-Euro-Kalkulationen“ ändert man NICHTS!!!

  2. Ute Plass sagt:

    „Zuvor hatte die Bundesregierung die Seenotretter gebeten, während der Corona-Krise die Rettung von Menschen einzustellen.“

    Nicht zu fassen, diese Art von „politischer Triage“ !!!

    Der Kommentar von @Erik spiegelt das wider, was ein autoritärer Kapitalismus mit den Menschen macht, was natürlich nicht bedeutet, dass solch zugerichtete Seelen keine Verantwortung haben, für die daraus resultierende Verrohung.

    Hoch traurig :-(