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Das Bio-Siegel der Europäischen Union

Antisemitisch und Islamophob

EuGH-Urteil zum Bio-Siegel ist juristisch, medizinisch und ökonomisch ein Desaster

Das EuGH-Urteil gegen die Vermarktung von rituell geschlachtetem Fleisch ist auf drei Ebenen falsch: juristisch, medizinisch und ökonomisch. Das Bio-Siegel der EU ist damit entwertet worden und trägt fortan den üblen Geruch von Antisemitismus und Islamphobie in die Welt.

Von Peter Z. Ziegler Donnerstag, 28.02.2019, 5:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 03.03.2019, 20:45 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Das Urteil des EuGH gegen die Vermarktung von rituell geschlachtetem Fleisch ist ein Skandal. Es passt ideologisch in ein Europa, das jeden Monat weiter nach Rechtsaussen driftet. Das Bio-Siegel der EU ist damit entwertet worden und trägt fortan den üblen Geruch von Antisemitismus und Islamphobie in die Welt.

Das Urteil von Luxemburg ist auf drei Ebenen falsch. Juristisch, da es auf keiner Gesetzesgrundlage basiert. Medizinisch, weil es keine wissenschaftliche Begründung liefert. Ökonomisch, weil es der eigenen Landwirtschaft schweren Schaden zufügt.

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Mit ihrem skandalösen Urteil in der Rechtssache C-497/17 haben die Richter der Grossen Kammer die Empfehlung ihres Generalanwalts Nils Wahl verworfen. Derartiges geschieht beim EuGH äusserst selten. Das lässt Juristen aufhorchen. Wer den Schlussantrag des Generalanwalts liest, der sieht fachlich formuliert, warum das Urteil nichts taugen kann.

Er vertrat die Auffassung, dass eine Unvereinbarkeit zwischen der rituellen Schlachtung und dem Gütezeichen „ökologischer/biologischer Landbau“ der Verleihung des Bio-Siegels eine Voraussetzung hinzufügen würde, die die aktuellen Vorschriften nicht vorsähen. Den Verbrauchern von koscheren oder Halal-Produkten würde der Zugang zu den Garantien verwehrt, die das Gütezeichen „ökologischer/biologischer Landbau“ im Bereich der Qualität und der Lebensmittelsicherheit biete. Dieser Beurteilung dürften nicht wenige Juristen folgen, die ansonsten weder mit dem Islam noch mit Tierschutz etwas zu tun haben.

Ein ideologisches Urteil

Es ist ein ideologisches und kein medizinisches Urteil gegen Islam und das Judentum und es hat keinerlei wissenschaftliche Rechtfertigung. Es mögen westeuropäische Tierschützer auch noch so heftig auf die Gutachten ihrer Lobby pochen. Einerseits gibt es ausreichend Expertisen aus angelsächsischen Ländern, die genau das Gegenteil aussagen. In allen Staaten der USA gilt Schächten nach wie vor als tierschutzgerechte Schlachtung. In Grossbritannien denkt die Regierung nicht im Traum daran, die rituelle Schlachtung zu verbieten. Andererseits werden in Deutschland Gutachten unterdrückt, die besagen, der gekonnt ausgeführte Schnitt durch die Kehle des Schlachttieres sei schmerzfreier als eine Betäubung durch Bolzenschuss (die nicht selten misslingt). Einig sind sich die Kontrahenten nur darin, dass der beste Tierschutz der Verzicht auf übermässigen Fleischkonsum sei.

Richtig so. Juden und Muslime werden durch Luxemburger Richter vereint im Kampf gegen Islamphobie und Antisemitismus. Der Zentralrat der Juden in Deutschland widerspricht dem EuGH sehr heftig. Das Urteil in Sachen Bio-Label sei „ein Schlag ins Gesicht für die jüdische Gemeinschaft und zeugt von einer großen Unkenntnis über das religiöse Schlachten“, erklärte Zentralratspräsident Josef Schuster. Religiöse Schlachtung und ökologische Tierhaltung oder Produktion schlössen sich keineswegs aus, die Bio-Zertifizierung hänge vielmehr von artgerechter Tierhaltung und -transport sowie der Fütterung ab. „Es gibt keine wissenschaftlichen Untersuchungen, die belegen, dass die Schechita schmerzhaft sei“, betonte Schuster. Von den lendenlahmen Funktionären der islamischen Religionsgemeinschaften ist vorerst (wieder einmal) noch nichts zu hören.

Ökonomisches Desaster

Ökonomisch betrachtet wird das Urteil ein weiteres Desaster für die Landwirte auslösen. Allzu gerne möchten die schon vom Russland-Boykott geplagten Erzeuger von Rindfleisch ihre Produkte weltweit vermarkten. Für islamische Länder von Marokko über den Golf bis Malaysia bedarf es künftig eines Halal-Siegels. Das Bio-Siegel kann sich die EU dank des heuchlerischen Fehlurteils von Luxemburg hinter den Spiegel stecken. Spätestens in vier Wochen weiss jeder muslimische Verbraucher, und jede Konsumentin, dass Produkte mit dem islamfeindlichen EU-Siegel unerwünscht sind. Alle Lebensmittel, nicht nur Fleischprodukte. Sie werden allesamt aus den Supermärkten verschwinden. In Kairo zuerst, dann in Islamabad und Teheran, schliesslich in Dubai, Djakarta und Kuala Lumpur. Alhamdulillah – die Welt ist durch soziale Medien kleiner geworden.

Was wird nun werden? Schauen wir uns das Bio-Siegel nochmals an, dass noch als EG, noch nicht als EU firmiert. Der Handel wird ab sofort dessen Werbewirksamkeit überprüfen. Brüssel wird es klammheimlich verschwinden einmotten und den Verbrauchern nach einer Anstandsfrist ein neues Siegel anbieten. Es möge ein Bio-Halal-Kosher Label sein, inscha`allah. Aktuell Meinung

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  1. Phil sagt:

    Kompliment. Sehr guter Artikel. Und trifft aus meiner Sicht alles zu bis auf drei Dinge:

    1. Europa driftet nicht jeden Monat weiter nach Rechtsaussen. Die Pseudo-Eliten, die in Europa in Politik und Medien das Sagen haben, driften täglich weiter nach Linksaussen.

    2. Der Antisemitismus kommt in der Regel von Links. Von International- und National-SOZIALISTEN. Spätestens seit Stalin nur dadurch daran gehindert wurde den Befehl zur Durchführung der fix und fertig in der Schublade liegenden Vernichtung der Juden in der UDSSR zu geben, weil er gerade noch rechtzeitig in seinen eigenen Exkrementen liegend krepiert ist … spätestens seit damals sollte bekannt sein, dass jegliche Form des SOZIALISMUS für Juden das gleiche Endergebnis bedeutet: die Auslöschung.

    3. Dass von diesem Unsinns-Urteil auch Muslime betroffen sind, ist ein „Kollateralschaden“. Wurde seitens der ansonsten massiv islamophilen Linken – egal ob „Tierschützer“ oder nicht – vermutlich billigend in Kauf genommen. Oder einfach nur mal wieder – wie links üblich – vor lauter Aktivismus nicht zu Ende gedacht.

  2. Jacky sagt:

    Merke: Nicht jedes Urteil was etwas mit Religion zu tun hat und sich dagegen entscheidet hat „islamophobe“ oder „antisemitische“ Begründungen.
    Die inflationäre Nutzung der beiden Begriffe wertet sie im gleichen Zug ab.

    Ein Vergleich mit den Gesetzen in anderen Ländern ist übrigens nicht legitim – wir befinden uns hier im säkulären Europa, die Gesetze andere Länder interessieren uns nicht (oder zieht der Autor demnächst uch die homophoben GEsetze in den sieben Ländern als Vergleich an in denen das mit dem Tode bestraft wird?

  3. Ute Plass sagt:

    Das EuGH-Urteil zum Bio-Siegel mag juristisch, medizinisch und ökonomisch ein Desaster sein, aber antisemitisch und islamophob?

    Diejenigen, die mit solchen Anwürfen argumentieren tragen wenig
    zur notwendigen Tierrechtschutz-Debatte bei.

  4. K.Moustafa sagt:

    Sehr geehrter Herr Ziegler,

    warum diese despektierliche Beschreibung: „Von den lendenlahmen Funktionären der islamischen Religionsgemeinschaften ist vorerst (wieder einmal) noch nichts zu hören.“? Diese Ausdrucksweise passt nicht zum Rest des ansonsten informativen Artikels. Als Journalist kann man beim Recherchieren auch den Telefonhörer in die Hand nehmen und zum Beispiel beim Zentralrat der Muslime nachfragen, dann hätte man vermutlich gehört, dass in Kürze bzw. bereits eine Stellungnahme vorliegt. Siehe hier: http://islam.de/30824 und nachfolgend in Auszügen:

    „ZMD: Urteil stellt Diskriminierung dar und Schächten steht im Einklang mit dem Tierschutz (…)

    Nach dem Urteil des obersten EU-Gerichts darf Fleisch von Tieren, die ohne vorherige Betäubung rituell geschlachtet wurden, nicht mit dem EU-Bio-Gütesiegel gekennzeichnet werden.

    Zu diesem Urteil äußert sich der ZMD-Vorsitzende Aiman Mazyek wie folgt: „Eine richtig praktizierte Halal-Schächtung erfüllt die Tierschutz- Kriterien und verdient aus diesem Grunde den BIO-Siegel sogar eher als z.B. nach Bolzenschlägen betäubte Tiere. Obgleich das EugH auf die bestehende Ausnahmereglung für Juden und Muslime hinweist, schränkt sie den Zugang basierend auf einseitig verfassten wissenschaftlichen Expertisen den Zugang für Juden und Muslime zum Bio-Markt ein, was einer Diskriminierung für religiöse Minderheiten gleichkommt. Statt die Auswüchse der Massentierhaltung in der EU zu bekämpfen und Maßnahmen zur Reduzierung des Fleischkonsums der europäischen Bevölkerung zu ergreifen, wird durch Rechtsinterpretation religiösen Minderheiten – nämlich Muslimen und Juden – der Zugang zu tierwohlgerechtem Bio-Fleisch verwehrt.“ (…)“

  5. A.B. Bubenheim sagt:

    Der Koran erklärt zwar, daß den Angehörigen der anderen Schriftreligionen (insbesondere Christen und Juden) der Genuß des Fleisches von von Muslimen durch Schächtung getöteten Tieren erlaubt ist (vgl. Koran, Sure 5, Vers 5), Juden, die darauf achten, nur koscheres Fleisch zu essen, sehen die islamische Schächtung jedoch nicht als für sie als Juden koscher an, und für die meisten Christen hat die Schlachtung hinsichtlich der Einhaltung ritueller Vorschriften keine Bedeutung. Somit sollte man meinen, daß für Christen und Atheisten ein islamisches Halal-Zertifikat bedeutungslos ist.
    Umgekehrt bedeutet für Muslime und Juden ein Bio-Zertifikat nicht, daß das Fleisch entsprechend ihrer jeweils religiösen Vorschriften gewonnen wurde, und ist daher sowohl für Muslime als auch Juden, die auf die Einhaltung dieser Vorschriften achten, diesbezüglich unerheblich. So sagt der Koran: „Für jeden von euch haben Wir ein Gesetz und einen deutlichen Weg festgelegt. Und wollte Allah, hätte Er euch wahrlich zu einer einzigen Gemeinschaft gemacht“ (5, 48). Das kann man so deuteten, daß jede Gruppierung oder Gemeinschaft das ihr entsprechende Zertifikat hat und die Zertifikate anderer nicht für sich selbst zu berücksichtigen braucht, jedoch diejenigen anderer als für jene maßgeblich respektieren sollte.

    Wie der deutschstämmige Scheich Abdullah Halis Dornbrach vom Mevlevihane in Trebbus/Brandenburg, feststellt, der selbst eine offizielle Erlaubnis der deutschen Behörden für islamische Schlachtung besitzt, soll im Islam das für den Verzehr geeignete Fleisch nicht nur ḥalāl, d. h. von nach den religiösen Vorschriften geschlachteten, bzw. geschächteten, Tieren stammen, sondern auch „gut“ (arab. ṭayyib) sein (Koran an mehreren Stellen, u. a. 16, 114), was – seiner Auffassung nach – bedeutet, daß die Tiere in Freilaufhaltung und mit Futter ohne schädliche Zusatzstoffe aufgezogen worden sind und während des Transports und vor ihrer Schlachtung keiner Quälerei ausgesetzt sind und nicht einmal Angst haben dürfen.

    Bei der Betäubung werden die Tiere erst durch Elektroschock oder Bolzenschuß gequält und dann ein zweites Mal durch die eigentliche Schlachtung – falls sie dann noch bei Bewußtsein sind. Wie von der Anwendung beim Menschen bekannt, ist Elektroschock sehr schmerzhaft und wird u. a. zur Folterung angewandt. Soweit mir bekannt, gibt keinen Beweis dafür, daß die Tiere durch den Elektroschock tatsächlich das Bewußtsein verlieren. Es kann sein, daß sie dadurch nur gelähmt sind, jedoch mit vollem Bewußtsein alles mitbekommen, was mit ihnen geschieht. Führt eine unsachgemäß durchgeführte Betäubung vor der Schächtung zum Tode des Tieres, dann gilt dieses nach dem islamischen Religionsgesetz als Kadaver und nicht mehr als zum Verzehr geeignet. Ist nach der Schlachtung mehrerer Tiere nicht mehr zu ermitteln, von welchem vor der Schlachtung verendeten Tier das Fleisch im einzelnen stammt, dann ist alles Fleisch aus dieser Schlachtung als rituell unrein anzusehen.
    In einem Video ist zu sehen, wie US-amerikanische Muslime die Tiere vor der Schlachtung ohne Betäubung durch das Sprechen religiöser Formeln beruhigen. Es geht darum, daß das Fleisch der Tiere kein Adrenalin und andere schädliche Stoffe enthält, die vor der Schlachtung ins Blut abgesondert werden, wenn dieses unter Angst und Streß leidet, was der Fall bei der akkordmäßigen Massenschlachtung ist, gleich ob das Tier mit oder ohne Betäubung getötet wird. Das Herz muß bei der Schächtung noch schlagen, damit möglichst wenig Blut im Fleisch zurückbleibt. Das ausgeströmte Blut gilt im Islam auf jeden Fall als unrein und kann unter keinen Umständen zur Herstellung z. B. von Blutwurst verwendet werden.

    In einem früheren Beitrag von Migazin (http://www.migazin.de/2019/02/27/juden-urteil-eugh-kein-bio/?utm_source=wysija&utm_medium=email&utm_campaign=MiGAZIN+Newsletter) heißt es:
    Nach Angaben des Zentralrats (der Juden in Deutschland) führt die koschere Schächtung ein ausgebildeter Schlachter mit einem chirurgisch scharfen Messer durch. Dabei durchtrenne er mit einem einzigen Schnitt Luft- und Speiseröhre sowie Blutgefäße des Tieres, was zu einem dramatischen Abfall der Hirndurchblutung und der Sauerstoffversorgung führe. „Das Tier verliert das Bewusstsein innerhalb weniger Sekunden und damit seine Schmerzempfindlichkeit.“ Die gängigen Betäubungsmethoden wie Bolzenschuss- und Elektrobetäubung könnten dagegen durchaus ein Leiden des Tieres verursachen, hieß es weiter [Zitat Ende]. Dementsprechend haben sich auch zuständige Stellen der Muslime, wie bspw. des Islamischen Zentrums Aachen, geäußert.

  6. Ute Plass sagt:

    „.. schließlich geht es weder bei Bio-Fleisch noch bei Halal-Fleisch vorrangig ums Tierwohl, sondern schlicht ums menschliche Fressen. Um die anscheinend unstillbaren menschlichen Gelüste nach den toten Körpern anderer Wesen, obwohl wir um Umwelt-, Gesundheits- und ethische Konsequenzen wissen. Wenn man bei solch fragwürdigem Tun mit dem Finger auf andere zeigen und sich moralisch über sie erheben kann, umso besser.“

    http://www.taz.de/Kommentar-Halal-darf-nicht-bio-sein/!5572606/

  7. Jacky sagt:

    Ach die wundervolle Halal-Schlachtung in der Türkei z.B.?

    Und DAS soll für das Tier BESSER sein? Sorry das ist vollkommen unethisch.
    Es gibt genug Möglichkeiten dem Tier das Leid zu verringern wenn man es schon schlachten muss und da sind mir religiöse Befindlichkeiten VOLLKOMMEN egal. Da reden wir von Glauben, Frieden und um die Opfer (die Tiere) geht es hier überhaupt nicht.

    https://www.zdf.de/dokumentation/37-grad/37-geheimsache-tiertransporte-100.html

  8. @K.Moustafa. Erst zwei Tage nach dem Urteil meldete sich endlich auch der ZMD u.a. auf islam.de mit einer eher wachsweichen Erklärung. Der Zentralrat der Juden war schon am Urteilstag präsent. Und dies glasklar.