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Kölner Hauptbahnhof © shankar s. @ flickr.com (CC 2.0), bearb. MiG

Übergriffe in Köln

Wir schieben Täter ab und behalten das Problem

Wer eine Straftat begeht, muss nach Recht und Gesetz bestraft werden. Das muss für alle Menschen herkunfts- und religionsübergreifend gelten. Entsprechend muss auch die Debatte geführt werden. Sonst hilft sie niemandem. Von Birol Kocaman.

Von Montag, 11.01.2016, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 14.01.2016, 17:18 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Wer Diebstahl begeht, soll bestraft werden; wer Frauen sexuell belästigt, soll ebenfalls nach Recht und Gesetz bestraft werden. Bis hierhin sind die Forderungen rund um die Ereignisse am Kölner Hauptbahnhof legitim. Nachvollziehbar sind auch Forderungen nach Strafrechtsverschärfungen. Jedes Jahr werden etwa 7.000 bis 8.000 Anzeigen von Frauen registriert, die Opfer von Vergewaltigung und sexueller Nötigung geworden sind – die Dunkelziffer ist zehnmal so hoch 1. Wer so etwas tut, hat die Strafe verdient.

Nicht in Ordnung ist allerdings, dass diese Forderungen im Kontext von Asyl, Herkunft und Religion gestellt werden. Wenn eine Horde von jungen alkoholisierten Männern in Feierlaune Frauen sexuell belästigen, so ist das zunächst einmal leider nichts Neues. Von Gruppenexzessen – herkunfts- und religionsübergreifend – wird jeder in der Jugendhilfe und Sozialarbeit Beschäftigter berichten können.

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Warum also wurde die Debatte nicht schon viel früher geführt – nach einem der aktenkundigen 7.000 bis 8.000 Straftaten beispielsweise, warum nicht während eines Oktoberfests oder nach berauschenden Public-Viewing-Events? Bei solchen Veranstaltungen werden viele Frauen Opfer von sexuellen Übergriffen. Warum ist das nicht gesellschaftlich geächtet? Warum stört es uns nicht, dass viele Frauen wegen den Sprücheklopfern, Grabschern und Gewalttätern solche Feier ganz meiden und lieber zu Hause bleiben? Wo bleibt der Aufschrei?

Man könnte einwenden, die Geschehnisse am Hauptbahnhof wären in der Größenordnung spektakulär gewesen. OK. Bleibt immer nocht die Frage im Raum, aus welchem Grund die Debatte ethnisiert und kulturalisiert wurde und welche Rolle die Religion gespielt haben soll? Die Kombination aus „Gewalt gegen Frauen“, „Männer“ und „Muslime“ ruft offenbar inzwischen verfestigte Automatismen hervor. Es scheint gesellschaftlicher Konsens geworden zu sein, dass der Muslim Frauen schlägt. Unsere Werteordnung, unser Welt- und Frauenbild, unsere Freizügigkeit, heißt es dann. Und wer sich nicht daran hält, der fliegt. Auch OK.

Nur, wohin mit unserer Werteordnung, unserm Welt- und Frauenbild und unserer Freizügigkeit, wenn die Täter – ganz nach Seehofers Geschmack – abgeschoben sind? Dann hätten wir immer noch mehrere tausend Sexualdelikte Jahr für Jahr. Die lassen sich nicht abschieben – die sind Made in Germany. Und deshalb wird diese Debatte, so lange sie ethnisiert wird, keiner Frau helfen. Im Gegenteil: Wir werden uns für eine lange Weile einreden, wir hätten das Problem angepackt und behoben.

In Wahrheit haben wir Vorurteile und Ressentiments gegen Asylbewerber und Muslime geschürt. Darüber freut sich nur der braune Mob und reibt sich schon die Hände – über das neue Asylrecht.

  1. Dieser Satz wurde nachträglich ergänzt um die Dunkelziffer
Leitartikel Meinung
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  1. Mike sagt:

    Der Autor hat leider nicht den Sinn und Zweck einer Ausweisung verstanden. Die Ausweisung und anschließende Abschiebung ist keine Strafe, sondern eine Maßnahme der Gefahenabwehr, die verhindern soll, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung der Bundesrepublik Deutschland -erneut- hachhaltig und empfindlich gestört wird. Nachdem es in Deutschland offensicht eine gewisse Anzahl von Personen (mit deutscher aber auch mit ausländischer Staatsangehörigkeit) gibt, die mit ihrer Sexulaität nicht verantwortungsvoll umgehen können, wird durch die Ausweisung und Abschiebung eines Teil dieser Personen die Gefahr sexueller Übergriffe durchaus reduziert.

  2. Hatice sagt:

    @ Mike

    Vielmehr haben Sie den Verfasser nicht verstanden. Er hat Recht, wenn er davor warnt, das Problem nur im Kontext von Abschiebung zu behandeln. So wird das Problem nicht erkannt bzw. verzerrt.

  3. Alexei sagt:

    Herzlichen Glückwunsch Frau Merkel, Sie haben geschafft, dass ich, als Migrant, rechts wählen werde und stolz darauf bin.

    Der Grund ist ganz einfach. Wieso interessieren mich diese Fälle so besonders? Weil sie auf der Straße passieren. Der größte Teil der Vergewaltigungen passieren zu Hause und werden von Familienmitgliedern verübt. ICH weiss aber, dass ich kein Vergewaltiger bin und ich weiss, dass die Männer in meiner Familie ebenfalls keine sind. Folglich sind die Frauen in MEINER Familie, für die ICH zuständig bin in Sicherheit.
    Bleiben nur die Sextäter da draußen, um die es sich zu kümmern gilt…
    Das ist doch der Grund, wieso dieser Fall von vielen als rote Linie gesehen wird. Das könnte tatsächlich jemanden betreffen, den man kennt.

  4. Matthias sagt:

    Für die Deutsche gilt das Strafrecht genauso wie für Ausländer. Für Ausländer obendrein das Ausländerrecht. Wenn es 100 Sexualstraftaten in einer Gemeinde X gibt ist das schon schlimm genug. Wenn nun 20 dazu kommen, die vermieden werden können, in dem man diese 20 Personen abschiebt, macht es die hundert nicht vergessen, aber weniger schlimm.

    Und immer zu behaupten, sexualisierte Gewalt wäre kein Problem der Herkunft und damit verbunden sofort mit der Rassismuskeule zu schwingen bringt nichts. Frauenrechte in Deutschland sind andere als in ALgerien oder Marokko um Beispiele zu nennen. Wer in Marokko eine minderjährige vergewaltigt, entgeht seiner Strafe wenn er diese heiratet. Das ist dann die „Wiedergutmachung“. Da reden wir nicht mehr von marginalen Unterschieden, sondern von Welten.

    Natürlich ist deswegen nicht jeder Marokkaner gewalttätig gegen Frauen, aber das Verständnis von Frauenrechten ist ein anderes.

    In Algerie ist laut Umfragen des Friedensverein e.V. (Allerdings Stand 2011) eine 2/3 Mehrheit der Männer der Auffassung, dass die Frau ohne Hidschab nicht in die Öffentlichkeit darf.

    Die Aufnahmebereitschaft in Deutschland hängt auch davon ab, welches Image Flüchtlinge bekommen, durch Medien und soziale Netzwerke. Es ist wichtig, dass wir das positive Image aufrechterhalten.

    Und mal ehrlich, die Nordafrikaner haben nur geringe Chancen auf eine Flüchtlingsanerkennung. Wenn dann noch Sexualstraftaten dazukommen, ist eine Abschiebung doch sehr naheliegend. Daran ist nichts rassistisches und nichts verallgemeinerndes!

  5. r. sagt:

    Sie schreiben: „Jedes Jahr werden etwa 7.000 bis 8.000 Frauen Opfer von Vergewaltigung und sexueller Nötigung.“ Das ist leider falsch und eine sehr große Untertreibung. Jedes Jahr werden an die 8.000 Vergewaltigungen und schwere sexuelle Nötigungen angezeigt. Die Forschung ist weitgehend einig, dass zwischen 85 und 95 Prozent der Taten in diesem Bereich nicht angezeigt werden.*

    Daher ist das Problem in Wirklichkeit zehn mal so groß: Jedes Jahr werden in Deutschland etwa 80.000 Frauen vergewaltigt oder Opfer einer schweren sexuellen Nötigung. Um nicht falsche, verharmlosende Zahlen zu verbreiten, ist wahrscheinlich eine Korrektur des Artikels sinnvoll.

    *Unterschiedliche Studien kommen zu den Ergebnissen, dass sich der Anteil der Frauen, die eine erlebte Vergewaltigung NICHT anzeigen zwischen 95% und 84,5% bewegt. Quellen: Müller und Schröttle (2004): Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland, Langfassung der Untersuchung. Herausgegeben vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Hellmann, D.F. (2014): Repräsentativbefragung zu Viktimisierungserfahrungen in Deutschland. Hannover: KFN

  6. Babs sagt:

    Der Artikel erscheint mir, wie ein verzweifelter Versuch, die Taten von Männern mit einem ganz bestimmten kulturellen und sozialen Background auf alle Männer zu verallgemeinern. Nur löst man so das eigentliche Problem weder hier in Deutschland noch in den Herkunftsländer dieser Kriminellen.
    Der Grund warum diese Männer sich in Köln so primitiv und rücksichtslos auf die Frauen gestürzt haben ist m.M. nach außerhalb Deutschlands zu finden und hat mit den von Deutschen begangenen Sexualstraftaten nichts zu tun. Es ist die Sozialisierung dieser speziellen Männer, deren tradiertes Frauenbild und deren verklemmte Sexualität.
    Am besten einfach mal mit Frauen aus diesen Ländern sprechen ode rzu Wort kommen lassen, die sagen einem ganz genau, welche Männer Probleme machen und wo Frauen sicherer leben.

  7. Volker K. sagt:

    Wir werden das Problem zwar nicht komplett lösen wenn wir eine striktere Abschiebung vollziehen, aber jeder „Einzelfall“ der dadurch verhindert wird ist es wert. Jeder der hierher kommt und unser Gastrecht mißbraucht sollte keine zweite Chance bekommen weitere Taten zu verüben. Die Bevölkerung hat ein Recht vor Straftätern geschützt zu werden. Und selbstverständlich muß eine große Debatte angestoßen werden, daß in unserem Land immer noch viel zu viele Sexualstraftaten begangen werden. Ich bezweifele allerdings daß sie offen und ehrlich geführt werden kann, wenn man von vorneherein Denkblockaden setzen möchte, die ethnische Herkunft und die Religionszugehörigkeit ausschließt. Wenn das bei näherer Analyse Tatsächlich ein Faktor ist der von Relevanz ist, dann müssen auch disese Teilaspekte betrachtet werden um umafaßenden Schutz vor sexueller Gewalt zu gewährleisten. Nur wenn man ohne Vorbehalte auch diese Faktoren analysiert kann man etwas gegen Vorurteile unternehmen. Wer allerdings vor Begin einer etwaigen Debatte alles ausschließen möchte was einem nicht gefallen würde, bzw. wem die daraus entstehenden Erkenntnisse nicht passen, der macht deutlich daß er die Ergebnisse steuern möchte und zwar um seine eigene Community vor berechtigter Kritik zu schützen. Ist das der Sinn?

  8. Alexei sagt:

    BTW es stimmt wohl, dass viele muslimische Länder geringere Vergewaltigungsquoten haben als westliche.
    Die ganz einfache Erklärung hier, liegt in der unterschiedlichen Definition für Vergewaltigungen. Ich behaupte mal, dass es keinem Gericht in Saudi Arabien bewusst ist, dass man seine Frau vergewaltigen kann. Hier bei uns, gilt das als gesunder Menschenverstand, dass es so etwas gibt und diese Form der sexuellen Gewalt, ist eine der am meisten verbreiteten. Die meisten Fälle, liegen im eigenen Umfeld.