Deutsche Islamkonferenz
Experten loten Möglichkeiten muslimischer Wohlfahrtspflege aus
Fest steht: Muslime brauchen Wohlfahrtsverbände nach dem Vorbild der kirchlichen Organisationen. Wie es umgesetzt werden kann, wird derzeit bei der Deutschen Islamkonferenz beraten. Integrationsbeauftragte Özoğuz fordert Tempo.
Von Corinna Buschow Donnerstag, 15.01.2015, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 20.01.2015, 16:40 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Noch vor zwei Jahren hätte der Themenmix sicher für Zündstoff gesorgt. Die Deutsche Islamkonferenz, früher überschattet vom Streit über eine nach Ansicht der Islam-Verbände von den staatlichen Repräsentanten betriebene Engführung auf Themen der inneren Sicherheit, setzte sich neben dem Schwerpunktthema Wohlfahrt auch erneut die Diskussion über religiösen Fanatismus und Terror auf die Agenda. Es waren diesmal aber die muslimischen Vertreter selbst, die ein Zeichen setzen wollten.
In einer gemeinsamen Erklärung der Teilnehmer heißt es: „Der Anschlag in Paris ist ein Anschlag auf unsere demokratischen Werte, auch auf unsere muslimischen Werte. Es ist eine abscheuliche Tat, die wir auf das Schärfste verurteilen.“
Gewarnt wird darin auch vor der Instrumentalisierung islamistischer Gewalttaten für die Ziele von Rechtspopulisten. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) betont, man werde nicht akzeptieren, wenn Gewalttaten dazu benutzt würden, um Hass gegen Muslime zu schüren. „Wir alle müssen uns jetzt beherzt und besonnen für den Zusammenhalt in der Gesellschaft einsetzen“, appellierte er mit Blick auf die „Pegida“-Bewegung, die am Montag wieder Zehntausende Anhänger, aber noch mehr Gegner auf die Straßen deutscher Großstädte getrieben hatte.
Tagesordnung: Wohlfahrtspflege
Trotz der aktuellen Ereignisse in Paris und der deutschen Debatte blieben die Experten aus Bund, Ländern, Kommunen und Verbänden dann aber streng beim Thema Wohlfahrt. Auch, weil das Thema nicht trotz der aktuellen Lage, sondern gerade deswegen wichtig sei, betonten mehrere Teilnehmer.
So zeigte sich Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) davon überzeugt, dass mehr Angebote muslimischer Träger auch positiv auf das Zusammenleben von Muslimen und Mehrheitsgesellschaft wirken würden. „Wir brauchen deren Know-how, um die Gesellschaft zusammenzuhalten“, sagte sie dem Evangelischen Pressedienst. Sie verwies dabei auch auf die Beiträge muslimischer Vereine zur Prävention von Radikalisierung.
Auch der Präsident des Deutschen Städtetages, Ulrich Maly (SPD), betonte die Bedeutung muslimischer Sozialarbeit. Wenn ein muslimischer Wohlfahrtsverband selbstverständlich würde, gebe es in der Gesellschaft vielleicht auch einen Wechsel der Wahrnehmung von Muslimen, sagte der Nürnberger Oberbürgermeister. Als Beispiel nannte er die Kirchen, die nach seinen Worten vor allem aufgrund ihres sozialen Engagements als Autorität aufgefasst würden.
Noch viel zu tun
Die Frage eines muslimischen Wohlfahrtsverbands nach dem Vorbild der kirchlichen Organisationen Diakonie und Caritas blieb bei der Konferenz aber weiter offen. Muslimische Verbände hatten einen solchen Verband gefordert, auch weil es ein Zeichen der weiteren Gleichberechtigung des Islam sei, betonte der Sprecher des Koordinationsrats der Muslime, Erol Pürlü, am Dienstag erneut. Er räumte allerdings ein, dass eine konkrete Diskussion darüber noch verfrüht sei.
Auch Familienministerin Schwesig äußerte sich skeptisch. Zunächst müssten die Angebote muslimischer Träger wachsen. Außerdem appellierte sie an die bestehenden Träger, sich interkulturell zu öffnen. Noch fehlt der Islamkonferenz zudem noch eine solide Datengrundlage über bestehende Angebote und deren Bedarf. Schwesig sagte, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sei mit einer Studie beauftragt worden. Mit ersten Ergebnissen werde für das Frühjahr gerechnet.
Als eines der drängendsten Themen sieht Schwesig den Bereich der Pflege. In Deutschland lebten immer mehr Muslime, die älter als 65 Jahre seien. Auch die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoğuz (SPD), fordert bei dem Thema mehr Tempo: Noch immer seien Alten- und Pflegeheime nicht vollständig auf muslimische Senioren eingestellt, sagte sie. (epd/mig) Leitartikel Politik
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