Die Rolle der Sprache
Wie viel Deutsch braucht ein Arzt?
Bevor ausländische Ärzte in Deutschland arbeiten dürfen, müssen sie ein Stapel an Zeugnissen und Zertifikaten vorlegen. Deutschkenntnisse müssen sie natürlich auch nachweisen, nur werden diese nicht immer ernsthaft nachgeprüft. Ein Manko mit Risiken und Nebenwirkungen.
Von Katarzyna Plucinska Montag, 25.08.2014, 8:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 23.04.2015, 20:47 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Dass in Deutschland hochqualifizierte Fachkräfte gefragt sind, ist seit langem kein Geheimnis mehr. Regelmäßig erreichen uns Informationen über Ärztemangel auf dem Land und über Praxen, die ohne Nachfolge geschlossen werden müssen. Um die Situation in den Griff zu bekommen, entwickelt man neue Konzepte und hofft auf ausländische Mediziner. Ärzte, die ihren Abschluss im Ausland erwarben und jetzt in Deutschland tätig sein wollen, müssen sich einem Approbationsverfahren unterziehen, bei dem ihre Ausbildung und Berufserfahrung geprüft werden. Aber was ist mit ihren Deutschkenntnissen? Sind sie etwa nicht so wichtig?
Außer einem Stapel von Zeugnissen und Zertifikaten, den Ärzte vorlegen müssen, um eine berufliche Anerkennung zu bekommen, brauchen sie auch Deutschkenntnisse. Logisch, aber nicht immer entsprechend ernsthaft nachgeprüft. Bei Recherchen auf ausländischen Websites stößt man auf viele Arbeitsangebote für Ärzte, die nach Deutschland ausreisen wollen. Die Arbeitsvermittler berichten dabei ihren Kunden nicht selten, dass Deutsch keine gewichtige Barriere wäre, um einen Job z.B. im deutschen Krankenhaus zu bekommen. Es scheint was dran zu sein, denn bislang gab es keine bundesweit gültigen Kriterien, wie gut ein Arzt Deutsch beherrschen sollte. Das Problem ist aber alles andere als marginal, denn nach Angaben der Bundesärztekammer ist heutzutage jeder zehnte Arzt ein Ausländer. Im Jahre 2013 übten schon mehr als 31.000 ausländische Ärzte ihren Beruf in Deutschland aus – und die Tendenz für kommende Jahre ist weiterhin wachsend.
Aber es werden neue Richtlinien für Sprachkenntnisse angestrebt: Bei der 87. Gesundheitsministerkonferenz, die im Juni dieses Jahres stattfand, verständigte man sich „auf ein einheitliches Überprüfungsverfahren der Sprachkenntnisse“. Laut der Konferenzbeschlüsse soll sich jeder ausländische Arzt sowohl mit Patienten als auch Kollegen „mühelos verständigen“ können. Künftig müsse er über ein allgemeines Sprachniveau B2 und ein Fachsprachenniveau C1 verfügen. Beim Loben dieser Entscheidungen sollte man ein vorsichtiger Optimist bleiben. Schon 2012 stellte nämlich der Marburger Bund folgendes fest: „Nach den derzeitigen Erfahrungen des Klinikalltags muss das Niveau B2 (GER) als im Alltag nicht ausreichend angesehen werden.“ Während der Hauptversammlung des Bundes wurde außerdem angedeutet, dass die mangelnden Sprachkenntnisse die Zusammenarbeit im Krankenhaus und die erfolgreiche Integration innerhalb der Ärzteschaft stören würden.
Wenn man ein Auge im Fall einer nicht ausreichenden Sprachbeherrschung zudrückt, tut man weder dem Arzt noch dem Patienten ein Gefallen. Bei der Ausübung des ärztlichen Berufs sollte die Sprache nie als nebensächlich angesehen werden, denn sie beeinflusst die Arzt-Patient-Beziehung wesentlich. Die Rolle der Sprache kommt schon bei der Anamnese zum Vorschein, weil die reibungslose Kommunikation bezüglich Vorerkrankungen und Beschwerden des Patienten der wichtige Schritt zur Stellung einer richtigen Diagnose ist. Darüber hinaus muss der Arzt imstande sein, ein Aufklärungsgespräch mit seinem Patienten zu führen und auf seine Fragen zu antworten. Nicht weniger relevant ist hierbei auch das Vertrauen des Patienten gegenüber dem Arzt, das zum großen Teil mittels der gemeinsamen Sprache erreicht werden kann.
Es sollen nicht die ärztlichen Fähigkeiten von ausländischen Medizinern infrage gestellt, sondern die Bedeutung ihrer sprachlichen Kompetenzen betont werden. Angesichts dessen, dass Deutschland weiter auf neue ausländische Fachkräfte angewiesen sein wird, scheint es notwendig, einen größeren Wert auf ihre Deutschkenntnisse zu legen. Eine gute bzw. sehr gute Sprachbeherrschung ist eine unverzichtbare Notwendigkeit. Ansonsten können Risiken und Nebenwirkungen nicht ausgeschlossen werden. Aktuell Meinung
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Daraus würde ich jetzt schlussfolgern: Es braucht mehr bezahlbare, berufsbegleitende Sprachkurse. Und hier ist die Politik in der Pflicht, diese bereitzustellen, wenn es so dringend Fachkräfte braucht. Sprache erlernt sich – auf einem guten Niveau und berufsbezogen – nicht von selbst. So wie es in dem Artikel beschrieben ist liest es sich, als wenn die Mediziner deutsch einfach können müssen. Das knüpft an an die Forderungen gegenüber Migranten, doch endlich deutsch lernen zu sollen, und blendet aus, was es braucht für einen erfolgreichen Spracherwerb. Es hat seinen Grund, warum die berufsbezogenen Deutschkurse des BAMF so überfüllt sind: Viele Menschen möchten deutsch lernen, sind aber alleine damit überfordert und nun froh, dass es endlich (je nach Status) bezahlbare bis kostenfreie Sprachkurse gibt. Unterstützung von staatlicher Seite dafür kommt langsam, aber hätte auch schon vor Jahrzehnten kommen können (siehe andere europäische Einwanderungsländer, z. B. Schweden oder die Niederlande, in denen Migranten viel schneller einen Zugang zu Sprachkursen haben).
Zur Frage von Deutschkennntissen in medizinischen Berufen gibt es bereits fundierte Überlegungen; für Ärzte z.B. hier: http://deutsch-am-arbeitsplatz.de/fileadmin/user_upload/PDF/BLAEK_Professor_Roche_Sprache_und_Beruf.pdf, zum Pflegebereich z.B. hier: http://fada.awo.org/home/
Insgesamt empfehle ich allen Interessierten noch die Fachstelle Berufsbezogenes Deutsch im bundesweiten Netzwerk „Integration durch Qaulifizierung“ (IQ) http://deutsch-am-arbeitsplatz.de/home.html. Dort wird seit 2005 der Frage nach den erforderlichen Deutschkenntnissen in diversen Berufen aus didaktischer Sicht nachgegangen. U.a. werden dort auch Projekte und deren Ergebnisse zu diesem Bereich sowie bereits entwickelte Materialien vorgestellt.
Sicherlich ist Deutsch für Heilberufe in der BRD wichtig. Das ändert aber nichts an der grundsätzlichen Schieflage bei der Migration von Gesundheitskräften.
Deutsche Ärzte wandern aus in die Schweiz und nehmen ihre steuerfinanzierte Ausbildung mit, auf umgekehrten Wege wandern ausländische Ärzte ein und nehmen ihre steuerfinanziertes Human Kapital der Auswanderungsstaaten mit.
Die USA handelt besonders schlau und investiert in die Ärzte-Ausbildung in Südamerika, um sie anschließend in die USA abwerben zu können. Kuba entsendet seine Ärzte und behält dafür 30% – 50% des Gehaltes ein für das Aufstocken der Fremdwährungsreserven. Die BRD als deutschsprachiges Land hat kaum Chancen bei diesem Kampf um die Köpfe zu gewinnen – Englisch ist die Lingua Franca.
Die Absicht seine demographischen Probleme auf Kosten der anderen EU Mitgliedstaaten zu lösen, und diese Menschen mittels rechtlicher Ungleichbehandlung in die Arbeitmarktlücken zu lotsen, ist ebenfalls keine nachhaltige Lösung.
Die Gesundheitspolitik ist Stückwerk. Man sollte besser über die transnationale Besteuerung von Gesundheitsberufen reden und neue Steuerabkommen vereinbaren,um die Rendite aus dem steuerfinanzierten Human Kapital dieser Berufe auf die beteiligten Ein- und Auswanderungsstaaten aufzuteilen. Dann könnte man über einen fairen Verteilungsschlüssel für die Kostenaufteilung für Sprachkurse reden.
Für Überlegungen in dieser Richtung gibt es seit Jahren die Bhagwati Steuer, um den Brain Drain zu besteuern. Nur wollen die alten Industrieländer nichts davon wissen.
Wenn man weiter gehen will, könnte man die Migration von Gesunheitskräften auch als Handel mit Dienstleistungsbündel auffassen. Der Einwanderungsstaat importiert Gesundheitsfachkräfte und exportiert digitale Sprachkurse in die Ausbildungsbetriebe der Auswanderungsstaaten.
In Deutschland sind vor allem billige Arbeitskräfte gefragt. Da dürfen die Ansprüche an die Qualifikation schon einmal leiden. Vergleiche mit den USA sind witzlos, da Englisch nun mal in vielen Ländern von vornherein Verkehrssprache ist. Die Sprache ist auch nicht das einzige Problem, sondern die schnöde Tatsache, dass Steuern und Abgaben zu hoch sind, um Koryphäen herzuholen. Den Kampf um die klügsten Köpfe kann Deutschland nur gewinnen, wenn es auf den eigenen Nachwuchs setzt. Das heißt: Löhne rauf, damit Mediziner auch an „niederen Diensten“ Interesse finden. Ohne eine Entschlackung des Arbeitsmarktes und der Sozialsysteme wird die Zuwanderung von Fachkräften nur ein Erfolgsmodell bleiben, das auf der Hälfte der Strecke stecken bleibt. Ich möchte vor allem zu bedenken geben, dass es bei der jetzigen demographischen Entwicklung nicht ein „mehr“ an Medizinern geben wird, sondern ein „weniger“. Das Gesundheitswesen wird schrumpfen, weil die Kosten überhand nehmen und die Beitragszahlungen zurückgehen. Rund die Hälfte der Krankenhäuser in Deutschland steckt in Schulden. Irgendwann kommt der Offenbarungseid und dann stehen viele Ärzte und Angestellte einfach auf der Straße. Ich wäre mit der Mär „Deutschland braucht Fachkräfte“ sehr vorsichtig. Deutschland braucht vorübergehend in einigen Bereichen Fachkräfte, aber bestimmt nicht überall. Vor Wunschvorstellungen sei unbedingt gewarnt.