NSU-Prozess

Die Waage der Justitia und ein Kommunikationsdesaster

Der NSU-Prozess und das „Versagen der Sicherheitsbehörden“ wird die Blicke der Welt nach Deutschland lenken. Diese historische Gerichtsverhandlung ist eine Chance, das verlorengegangene Vertrauen in die Sicherheitsdienste, in Politik und Rechtsstaat wiederherzustellen. Die Verantwortlichen setzen aber alles daran, diese Chance zu verspielen.

Von Mittwoch, 03.04.2013, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 01.12.2015, 9:27 Uhr Lesedauer: 7 Minuten  |  

Am 17. April 2013 beginnt einer der wichtigsten und brisantesten Gerichtsprozesse der deutschen Nachkriegszeit. Es geht um den Mord an zehn Menschen, darunter acht Türken, einen Griechen sowie einer deutsche Polizeikommissarin. Bei diesem Prozess steht Deutschland national wie international unter besonderer Beobachtung.

Das, was oftmals euphemistisch als „Versagen der Sicherheitsbehörden“ genannt wird, lenkt in den nächsten Wochen die Blicke der Welt nach Deutschland. Diese historische Gerichtsverhandlung ist zugleich eine Chance. Eine einmalige Chance, das verlorengegangene Vertrauen in die Sicherheitsdienste, in Politik und Rechtsstaat wiederherzustellen. Es geht, daran gibt es keinen Zweifel, auch darum, etwas wiedergutzumachen. Die Mentalität von einigen, leitenden Juristen jedoch scheint zu sein: „Angriff ist die beste Verteidigung“. Beobachter vermuten zudem, dass eine „Einmischung“ der Türkei mit allen Mitteln verhindert werden soll. Wie ist es sonst zu erklären, dass dem türkischen Botschafter in Deutschland, Hüseyin Avni Karslıoğlu und dem Vorsitzenden des Menschenrechtsausschusses im türkischen Parlament, Ayhan Sefer Üstün, bereits vor einigen Wochen ein fester Platz als Beobachter im Gerichtssaal verwehrt wurden?

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Dieselben Verantwortlichen haben nun die türkischen Medienvertreter und Nachrichtenagenturen abgewiesen. Dafür stehen gleich sieben öffentlich-rechtliche Medien auf der Liste: „Bayerischer Rundfunk (BR)“, „Deutschlandradio“, „Norddeutscher Rundfunk (NDR)“, „Südwest Rundfunk (SWR)“, „Mitteldeutscher Rundfunk (MDR)“, „Westdeutscher Rundfunk (WDR)“, „Zweites Deutsches Fernsehen (ZDF)“. Überdies sind kleine Lokalradios wie „Radio Arabella“ oder die „Bayerische Lokal – Radioprogramme (BLR)“ sowie viele weitere freie Journalisten auf der Akkreditierungsliste, die die „Süddeutsche Zeitung“ in ihrer Karfreitagsausgabe bekannt gab.

Die türkischen Medienvertreter, die sich um einen Platz beworben hatten, lauten: Nachrichtenagentur Anadolu (AA), Nachrichtenagentur Cihan, Tageszeitung „Hürriyet“, Nachrichtenagentur „İhlas“, Tageszeitung „Sabah“, Tageszeitung „Türkiye“ sowie die Tageszeitung „Zaman“. Kein einziger türkischer Journalist wurde jedoch in die Akkreditierungsliste aufgenommen. Das heißt im Klartext: Türkische Medienvertreter werden gemeinsam mit vielen weiteren namhaften ausländischen Medien keine Sitzplatzreservierung im Gerichtssaal haben. Auch international anerkannte Medienvertreter wie „Agence France Press (AFP)“, „Al Jazeera“, „Associated Press (AP)“, „Neue Züricher Zeitung (NZZ)“ oder die „New York Times“ zählen dazu. Sie alle können sich kein eigenes Bild von der Verhandlung machen und wären lediglich auf die Berichte ihrer mehrheitlich deutschen Kollegen angewiesen.

Der ehemalige türkischstämmige SPD-Europaabgeordneter Ozan Ceyhun bezeichnet die Ereignisse im Berliner „Tagesspiegel“ als „Schande“. Hakkı Keskin, ehemaliger Bundestagsabgeordneter der Linkspartei geht dagegen noch weiter. In der „Süddeutschen Zeitung (SZ)“ wirft er „Teilen der Gesellschaft, Politik und Justiz […] nicht nur fehlende Sensibilität, sondern eine bewusste Ignoranz“ und Diskriminierung vor. „Welt-Online“ bringt es auf den Punkt und titelt: „NSU-Akkreditierungsliste wird zur Blamage“.

Die Akkreditierungsbestimmungen waren ausbaufähig, um nicht zu sagen: suboptimal. Bei der Akkreditierung ging es um Minuten, wenn nicht gar Sekunden. Denn zahlreiche türkische Medienschaffende, wie etwa Celal Özcan von der Tageszeitung „Hürriyet“ berichten, sie hätten sich am Tag der Akkreditierungszulassung eingetragen. Die 50 Plätze seien bereits nach wenigen Stunden voll gewesen. Aber es gibt auch Beispiele dafür, dass es anders geht.

Bei dem Wettermoderator Jörg Kachelmann oder dem damaligen angeklagten Marco Weiss, der 2007 verdächtigt wurde, ein Mädchen missbraucht zu haben, wurde das Herkunftsprinzip bei Journalisten angewandt. Bei Kachelmann haben Schweizer Journalisten aufgrund der ethnischen Herkunft des Wettermoderators ein Kontingent erhalten. Auch bei Marco Weiss durften deutsche Reporter ausgiebig und zum Teil polarisierend über die Gerichtsverhandlung in Antalya berichten.

Dass das Münchner Oberlandesgericht nicht nach ethnischer Zugehörigkeit der Journalisten unterscheidet, ist gewiss ein gutes Zeichen. Aber vor dem Hintergrund, dass es sich bei den Mordopfern mehrheitlich um türkische- oder türkischstämmige Bürger handelt, deutet die Verhaltensweise des Gerichts auf eine Mischung zwischen Provokation und Nervosität hin. Eine souveräne Haltung sieht anders aus. Hier hätten das Gericht und sein Präsident ein wenig mehr Augenmaß, Empathie und Flexibilität an den Tag legen können. Gerade wenn es um Mord und die mögliche Verwicklung von V-Leuten geht, wäre Deeskalation statt Provokation eine weitsichtigere Maßnahme gewesen. Unser Rechtssystem hat ja wohl nichts zu verbergen.

Viele Türkischstämmige, vor allem jüngere Menschen, zweifeln an dem Respekt der Verantwortlichen vor den Mordopfern und deren Angehörigen. Die Art und Weise, wie mit türkischen Medien umgegangen wird, ist ein Kommunikationsdesaster. Ein Jahrhundertprozess wie dieser hätte nicht unbedingt in einem Saal stattfinden müssen, der nur Platz für insgesamt 250 Menschen, davon allein 50 für Zuschauer und lediglich 50 für Journalisten, bietet. Jedes Hochschulseminar, gerade die juristischen Fakultäten und Hörsäle, bieten Platz für mehr Menschen. Die Gerichtsleitung hätte im Vorfeld angesichts der Relevanz des Mordprozesses intensiver sprechen, kommunizieren und beraten müssen. Eine plausible und wohlwollende Lösung wäre bei so einem weltweit beachteten Prozess sicher nicht schwergefallen. Dies hätte Vertrauen und Transparenz geschaffen. Sturheit und Pedanterie scheinen aber überwogen zu haben.

Eine weitere Kommunikationspanne: Auch die bayerische Justizministerin Beate Merk (CSU), die die Entscheidung des Gerichts verteidigt, kommt mit ihren Erklärungsversuchen und Interviews unglücklich rüber.

Nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ wirft auch die EU-Kommission dem Gericht vor, „jedes Gespür fehlen zu lassen“ und „suboptimal“ gehandelt zu haben. Die Zeitung zitiert die EU-Justizkommissarin Viviane Reding, die sagt, dass es „das Normalste von der Welt“ sei, „dass ausländische Medien, erst recht aus Ländern mit Betroffenen“, dem Prozess hätten beiwohnen müssen. Außerdem meldet sich Nils Muiznieks, der Menschenrechtskommissar des Europarats, zu Wort und lässt verlauten, dass er die Entscheidung des Gerichts kaum verstehe. Fatal für das Vertrauen in deutsche Gerichte und andere Behörden sind die Aufmacher türkischer Zeitungen der letzten Tage. Die liberal-nationale „Hürriyet“ titelt: „Türkische Presse nicht erwünscht“ und gleich daneben: „Der Gerichtsprozess beginnt bereits ungerecht“ [„O Mahkeme Daha İlk Gün Adaletsiz Başladı“]. Die „Milliyet“ titelt: „Gerechtigkeit nach deutscher Art“.

Die berühmte Handwaage der Justitia ist von Anfang an in einer Schieflage. Was für ein Bild geben wir mit solchen Vorfällen in der Welt ab? Das ohnehin schon durch die Morde gestörte Vertrauen in Teile der staatlichen Behörden wird durch solche Ereignisse nicht besser. Es dürfte, nach gesundem Menschenverstand, nicht das Ziel staatlicher Einrichtungen sein, die Zuversicht und das Vertrauen in eben diese Einrichtungen und das Rechtsstaatssystem, auf das wir gerade nach dem Zweiten Weltkrieg stolz sein können, zu minimieren. Nicht umsonst schreibt Friedrich Schmidt von der „Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ)“, dass das Gericht „jedes Gespür für die menschlichen und politischen Befindlichkeiten“ vermissen lässt. Cemil Şahinöz, Chefredakteur der Zeitschrift „Ayasofya“ und Betreiber der Internetseite www.misawa.de macht jetzt schon “große Zweifel” sowie “ein Nachgeschmack an Ungerechtigkeit” an dem Verfahren aus.

In diesem Gerichtsprozess geht es um mehr als die Zulassung türkischer Medien in die Verhandlung. Es geht auch darum, Schlampereien bei der Aufklärung der Morde zu benennen. Es geht darum, zu prüfen, ob es stimmt, was Markus Decker im „Kölner-Stadt-Anzeiger (KSTA)“ schreibt: „Dass es eine geistige Nähe zwischen Teilen des Inlandsgeheimdienstes und rechten Kreisen gibt“. Decker schreibt, dass es „Zeitgenossen“ gebe, die dies schon „längst für ausgemacht“ halten. Andreas Förster von der „Frankfurter Rundschau (FR)“ ergänzt, dass es ein „über Jahrzehnte gewachsene[s] soziale[s] und politische[s] Beziehungsgeflecht in der rechtsextremen Szene […], das der Zwickauer Zelle Rückhalt geben konnte“, existiert.

Die rechtsradikale Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)“, deren Unterstützer und Helfershelfer bestehen nach letzten Erkenntnissen weder aus drei Personen noch aus 129 Personen, so wie in den letzten Tagen erklärt wurde, sondern aus viel mehr Menschen. Förster bezeichnet es als „bemerkenswert“, dass es unter den 129 Verdächtigen „acht inzwischen enttarnte V-Leute des Verfassungsschutzes und – in einem Fall – des Berliner Landeskriminalamts auftauchen“. Er geht davon aus, dass „längst nicht alle Spitzel in die Übersicht aufgenommen wurden“ und nennt eine vorsichtige Schätzung von „knapp zwei Dutzend“ V-Leuten, die mit der rechtsextremistischen Terrorbande in Verbindung standen.

In einem Interview von Eren Güvercin mit dem Anwalt, Publizisten und dem Vizepräsidenten der Internationalen Liga für Menschenrechte Rolf Gössner für die „Islamische Zeitung (IZ)“, äußert sich Letzterer über die Arbeitsweise sowie die „Vertuschungsmanöver und Schredderaktionen“ von Teilen der Dienste. In dem NSU-Prozess des Münchener Oberlandesgerichts wird auch über diese „Ungereimtheiten“ Aufklärung nötig sein. Auf diese Aufklärung sind die türkische Community, Deutschland und die Welt gespannt. Aktuell Meinung

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  1. Lionel sagt:

    Kein vernünftiger Mensch wird bestreiten, dass es die von aloo masala benannten Problembereiche gibt.
    Wenn allerdings gleich schwerste Geschütze aufgefahren werden, ist das Kommunikationsdesaster unvermeidlich, um somit auch zum Thema zurückzukehren.
    „Sabah“ und vielleicht auch die „Hürriyet“ gehen wegen der umstrittenen Sitzplatzvergabe nach Karlsruhe.
    Eine möglichen Entscheidung des BVerfG könnte dazu führen, dass es zu einer Abkühlung der erhitzten Gemüter kommt.

  2. Marie sagt:

    @Marie

    Ein Prozess verhandelt nur die Anklagepunkte, um (im besten Fall) zu einem abschließenden Urteil gegenüber den Angeklagten gekommen.

    Es ist definitiv nicht die Aufgabe der Gerichte “Schlampereien der Behörden bei der Aufklärung der Morde zu benennen”. Die Aufgabe der Gerichts ist zu einer Entscheidung hinsichtlich der Anklage zu gelangen und einen fairen Prozess zu gewährleisten.

    Das ist der eine Punkt. Der zweite Punkt ist, dass die Verfehlungen der deutschen Sicherheitsbehörden nicht dem Rechtstaat anzulasten sind. Das Vertrauen in die deutschen Sicherheitsbehörden ist verloren gegangen, auch bei mir. Es ist nicht der Job des deutschen Rechtstaat, verlorenes Vertrauen in anderen Bereichen zu kompensieren.Das Vertrauen in den deutschen Rechtstaat ist erst dann beschädigt, wenn der Prozess unfair ist.

    @aloo masala

    Ihre Argumentation wird immer seltsamer – die Sicherheitsbehörden und die Strafverfolgungbehörden sind kein Teil des Rechtsstaates? Die haben also mit dem Rechtsstaat überhaupt nix zu tun? Die gehören da nicht dazu? Kaum zu glauben, was Sie hier an abenteuerlichen Unrichtigkeiten behaupten. Das ist nun wirklich der Lacher des Tages.

    Und selbstverständlich ist es die Aufgabe eines Gerichtes, im Rahmen der Aufklärung der Tatumstände und der Bewertung und Würdigung der Beweismittel Schlampereien oder gar eine Unterstützung durch Strafverfolgungbehörden und staatliche Sicherheitsbehörden aufzuklären, was denn sonst. Um zu einem Urteil zu gelangen, muss alles aufgeklärt werden, aber hallo. Wer hat die Täter finanziert, wer war beteiligt, welche Beweismittel wurden auf welche Weise gewonnen, gab es weitere Mittäter, Beihilfe, gab es Unterstützer und so weiter und so fort. Danach richtet sich u.a. auch die Schwere der Schuld und somit das Strafmaß.

  3. aloo masala sagt:

    @Marie

    Da haben Sie natürlich recht. Es müsste Rechtsprechung und nicht Rechtstaat heißen. Da bin ich durcheinander gekommen. Was ich gemeint habe, hätten Sie sich ja eigentlich selbst denken können, oder?

    Die Vergehen von Nichtangeklagten stehen in einem Prozess nicht zur Debatte, um benannt zu werden oder Vertrauen in den Rechtsstaat zu gewinnen, sondern dienen höchstens der Überprüfung der Anklage.

  4. Marie sagt:

    Gegen die hier Nichtangeklagten wird zwar nicht verhandelt, aber zur Aufklärung des Tatgeschehens spielen selbstverständlich sämtliche Tatumstände eine wichtige Rolle. Wenn es sich beispielsweise herausstellt, dass der mutmaßliche Täter gar nicht der Haupttäter war, sondern Unterstützung durch andere erfuhr (z.B. V-Männer des Staates oder gar einen Mitarbeiter des Verfassungsschutzes) oder gar angestiftet wurde oder was auch immer und es beispielsweise ein Netzwerk von Tätern gab, in welchem der Angeklagte gar nicht die wesentliche Rolle gespielt hat oder gar angestiftet wurde, ist das sehr wohl prozessrelevant. Alle Tatumstände sind prozessrelevant. Die Nebenkläger haben hier ähnliche Befugnisse wie der Staatsanwalt und Sie können sicher sein, dass da sehr vieles eine Rolle spielen wird. Beruflich hatte ich viele Jahre mit Strafprozessen zu tun, Sie können mir glauben, ich weiß, wovon ich rede.

  5. Marie sagt:

    Türken sollen die neuen Juden sein?
    Mir ist nicht bekannt, dass es einen Boykott türkischer Geschäfte, systematische Ausgrenzung von Türken in Schulen, Unternehmen und Vereinen, ein Äquivalent zu den Nürnberger Rassegesetzen oder zur Pogromnacht vom 9. November 1938 gegeben hätte.
    Von der Shoah in diesem Zusammenhang wagt man erst gar nicht zu sprechen.

    Zu behaupten, irgendein Bevölkerungsteil im gegenwärtigen Deutschland würde nun die Rolle der Juden zur Zeit des 3. Reiches einnehmen, ist eine unsägliche Verharmlosung der nationalsozialistischen Verbrechen.

    Das Dritte Reich war das Ende einer langen Entwicklung – die Hetze hat schon viel früher angefangen und der Boden für die von Ihnen genannten Dinge war längst bereitet, sonst wären Sie nicht möglich gewesen. Der Antisemitismus ist ja nicht im Dritten Reich vom Himmel gefallen. Die derzeitige, seit Jahren anhaltende und sich stetig steigernde Hetze gegen Muslime bereitet den Nährboden für rassistische Morde und am Ende dieser Entwicklung sind Progrome und Weiteres in keinster Weise auszuschließen. Erst wird der Boden bereitet, dann folgt die Ausführung – 60 % der deutschen Bevölkerung haben rassistische Ressentiments gegenüber Muslimen, das belegen Studien. Ich sehe da keinen Unterschied bezüglich der Bereitung des Nährbodens vor dem Dritten Reich bzw. auch noch in den frühen 1930er Jahren und der heutigen Entwicklung – bezüglich der rassistischen Feindbilder haben die Muslime die Juden ersetzt, das ist überhaupt keine Frage. Und die Vorstellung, wohin dieser Hass und diese Ablehnung noch führen kann, versetzt nicht nur mich als Deutsche in Angst und Schrecken. Da gibt es viele, die das genau so sehen. Die Shoa ist nicht einfach nur so aus heiterem Himmel passiert, sie war das Ende einer langen Entwicklung des Rassismus gegen Juden und in dieser Entwicklung stecken wir drin, nur dass es dieses Mal die Muslime sind, gegen die hasserfüllt gehetzt wird und beileibe nicht nur bei PI – auch bei t-online und anderswo, ein Beispiel unter unzähligen hatte ich ja eingestellt. Und der Staat unternimmt dagegen rein gar nichts, Muslimhetze ist mittlerweile gesellschaftsfähig. Und die Opfer werden zu Tätern erklärt, wie man am Beispiel NSU problemlos erkennen kann, aber nicht nur da.

  6. Lionel sagt:

    @ Rolf Kessler

    Es sollte nicht vergessen werden, dass Juden seit vielen Jahrhunderten in Deutschland bzw. den deutschen Ländern lebten.
    Die Existenz einer jüdischen Gemeinde in Köln im Jahr 325 (!), also in der Spätantike ist belegt.
    Mit Ausnahme einer kleineren Zahl jüdischer Einwanderer aus Polen waren um 1930 alle Juden in Deutschland deutsche Staatsbürger.
    Ein jüdischer Autor nannte es geradezu tragisch-widersinnig, dass ausgerechnet in dem Land, in dem die Integration der Juden in allen Gesellschaftbereichen zu diesem Zeitpunkt am weitesten fortgeschritten war, infolge der Machtergreifung der Nazis die Shoah geschehen konnte.

  7. aloo masala sagt:

    @Marie

    Ich glaube Ihnen, wovon Sie reden (Ihr Beitrag, 19:16). Allerdings widerlegt er nicht mein Argument, sondern bestätigt nur das was ich ebenfalls gesagt habe.

    Was Sie allerdings ignorieren ist folgender Sachverhalt: Die ganzen Aspekte, die Sie erwähnen, dienen ausschließlich zur Entscheidungsfindung zu den gegebenen Anklagepunkten, spielen jedoch keine Rolle, um andere Interessen zu bedienen. Mit anderen Interessen bedienen meine ich das, was der Autor des Artikels sagt, zum Beispiel Vertrauen in den Rechtstaat zurück zu erlangen.

  8. aloo masala sagt:

    @Kessler/Lionel

    In diesem Zusammenhang sollte man auch nicht vergessen, dass

    a) die meisten Türken / Muslime ebenfalls bestens in diese Gesellschaft integriert sind.

    b) auch Juden oftmals und über Jahrhunderte unter sich blieben, was bei Türken/Muslimen von Teilen der deutschen Gesellschaft als integrationsunwillige Parallelgesellschaft diffamiert wird.

  9. Alfred B. sagt:

    @Marie
    „Die derzeitige, seit Jahren anhaltende und sich stetig steigernde Hetze gegen Muslime bereitet den Nährboden für rassistische Morde und am Ende dieser Entwicklung sind Progrome und Weiteres in keinster Weise auszuschließen. Erst wird der Boden bereitet, dann folgt die Ausführung – 60 % der deutschen Bevölkerung haben rassistische Ressentiments gegenüber Muslimen, das belegen Studien. Ich sehe da keinen Unterschied bezüglich der Bereitung des Nährbodens vor dem Dritten Reich…“

    Ich hoffe ihnen ist schon irgendwie klar, dass dieser Hass und das Misstrauen nicht aus dem Nichts gekommen sind! Es gab terroristische Anschläge von radikalen Muslimen und eine stetige bis Heute andauernde Berieselung von muslimischen Hasstiraden im Internet. Die unzureichende Distanzierung und Ablehnung dieser Muslime von moderaten islamischen Verbänden, war leider auch nicht gerade ein Vertrauensbeweis.
    Vor 2001 waren Muslime ja kein wirkliches Thema in Deutschland. Das kam alles erst mit dem 11. September! Bleiben Sie doch bitte so fair!

    Außerdem kann zurecht daran gezweifelt werden, dass sich etwas ähnliches, vor allem in Deutschland, nochmal wiederholt! Man sieht ja auch Heute schon, dass beispielsweise die Christen in der Türkei immer noch mehr Repressionen ausgesetzt sind, als die Muslime in Deutschland. Und die Türkei nennt sich selbst, das westlichst orientierteste unter den muslimischen Ländern. Ein Holocaust oder ähnliches wird es wohl eher in einem muslimisch geprägten Staat geben als in Deutschland.

    Übrigens ist der Vergleich zwischen Juden damals und Muslime Heute in Deutschland auch ein sehr beliebtes Spiel bei den Salafisten. Mit solchen unzulässigen Verlgeichen pushen und hetzen die sich gegen die Deutschen hoch bzw. glauben in den heiligen Krieg ziehen zu müssen. Kein Video in dem Pierre Vogel nicht ähnliche Vergleiche zieht, wie Sie Marie.

  10. Rolf Kessler sagt:

    @Marie

    „In meiner Gegend wohnen sehr viele Muslime[..] Die Türken gehen überwiegend arbeiten und zahlen auch in unsere Sozialkassen ein, “

    So so, Fräulein Marie, die Türken gehen also „überwiegend“ arbeiten und zahlen „auch“ (lies: sogar) in unsere Sozialkasse ein? Sollen wir jetzt jubeln? Für mich klingt das ziemlich rassistisch, meiner Meinung nach. Aber damit haben Sie sich entlarvt: Sie sind eine von den Personen, die die Türken eben NICHT auf Augenhöhe sehen, sondern als schutzbedürftige, schwache Minderheit (= Opfer) betrachten, für die Leute wie Sie auch mal das Ruder in die Hand nehmen müssen. Leute wie Sie kennen Türken meist nur aus dem Dönerladen oder als den freundlichen Gemüsehändler von nebenan. Haben Sie muslimische Freunde? Ich habe viele, und viele von denen sehen auch einiges kritisch innerhalb ihrer Community.

    „Sie tauschen lediglich das Feindbild Juden gegen das Feindbild Türken aus, Herr Kessler.“

    Ich habe keine Feindbilder. Schon gar nicht gegen Muslime. Ich sag nur nicht zu allem: Oh, super, alles top, was die Muslime machen. Wenn auf irgendwelchen Veranstaltungen der grauen Wölfe „Juden ins Gas“ skandiert wird, unterschreibe ICH das nicht. Sie ja anscheinend schon. Komische Weltsicht haben Sie, Fräulein Marie. Sie messen permanent und fast schon pathologisch mit zweierlei Maß. Überdenken Sie das mal bitte. So ist nämlich keinem geholfen.
    Mir Juden-oder-Ausländerfeindlichkeit zu unterstellen, ist schon eine Unverschämtheit. Nochmals: ich male mir nur nicht alles rosarot und schön, so wie Sie.

    „Gehören Sie zu jenen, die mit Transparenten gegen den Bau muslimischer Gotteshäuser demonstrieren und Kopftücher als Bedrohung des Rechtsstaates sehen? Oder täusche ich mich da?“

    Sicherlich nicht. Kopftücher sehe ich nur als Bedrohung, wenn schon 2-jährige Mädchen damit frewillig rumlaufen. Sie verstehen die Ironie?

    „Arthur hat völlig recht, die Türken sind die neuen Juden.“

    Nein, sind sie nicht. Nicht zuletzt tun Sie den Türken damit grob unrecht, in dem Sie sie in diese(!) Opferrolle pressen. Fast schon widerlich ist das. Es gibt Ressentiments gegen Türken (bzw. Muslimen allgemein) und zwar hauptsächlich gegenüber den traditionsbewussten, das ist richtig.

    „Die verbale Hetze in großen Teilen dieser Gesellschaft steht der verbalen Hetze gegen die Juden kaum nach“

    Wie wissen, dass der Hass auf die Juden im 3.Reich gesteuert und kanalisiert und staatlich verstärkt wurde? Sie wissen, was jahrelange Propaganda aus Menschen macht?