Starke Reden, große Versprechen, Fotos mit Opfern. Warum sahen so viele Politiker in Hanau aus wie Beileidstouristen? Ein paar Gedanken. Von Ekrem Şenol
Vor zwei Jahren löste der rassistische Anschlag in Hanau mit neun Toten Entsetzen aus. Zum Jahrestag versprachen Politiker erneut „lückenlose Aufklärung“. Die Hinterbliebenen fordern mehr als nur warme Worte und Fotos mit den Opfer-Familien. In München schlugen Polizisten Hanau-Demonstranten.
Am 19. Februar vor zwei Jahren erschoss ein Mann in Hanau neun ausländisch gelesene Menschen, seine Mutter und sich selbst. Die Staatsanwaltschaften haben ihre Ermittlungen beendet. Doch die seelischen Wunden in Hanau sind noch nicht verheilt. Von Jens Bayer-Gimm
Prozessauftakt im „NSU 2.0“-Komplex: Die Angeschriebenen wurden wüst beschimpft und bedroht. Die Unterschrift „NSU 2.0“ unter den Briefen soll ein Einzeltäter gesetzt haben. Opfer und Anwaltsverbände trauen den Ermittlungen nicht.
Am Mittwoch beginnt der Prozess gegen den mutmaßlichen Versender der „NSU-2.0“-Drohbriefe. Offiziell ist er ein Einzeltäter. Gegen diese These protestieren Empfängerinnen der Drohbriefe in einer gemeinsamen Stellungnahme und fordern Aufklärung – insbesondere Verbindungen zu Sicherheitsbehörden.
Warum war der Notausgang versperrt? Warum war der Notruf nicht erreichbar? Warum wurden die Angehörigen nicht informiert? Zahlreiche Fragen beschäftigen die Angehörigen der Hanau-Mordopfer bis heute. Der Untersuchungsausschuss will noch 30 Zeugen hören.
Der Anschlag in Hanau im Februar 2020 wühlte die Bundesrepublik auf. Ein Täter hatte neun Menschen mit ausländischen Wurzeln, seine Mutter und dann sich selbst erschossen. Nach knapp zwei Jahren sind die Ermittlungen zum Abschluss gekommen.
Quälende Stunden in der Tatnacht, fehlende Hilfsangebote: Mit bewegenden Aussagen von Verwandten und engen Freunden der Mordopfer hat der Landtags-Untersuchungsausschuss zum Anschlag von Hanau seine Aufklärungsarbeit aufgenommen.
Auch Jahre nach der Verurteilung von Beate Zschäpe sind viele Fragen zur Terrozelle NSU offen. Am zehnten Jahrestag der Selbstenttarnung des Terrorkomplexes wird massive Kritik am Umgang der Behörden mit deren Taten laut.
Soziologe Matthias Quent fordert ein Zentrum für die Archivierung und Erforschung der NSU-Akten. Die Aufarbeitung sei längst nicht abgeschlossen. Das Vorgehen der Behörden habe zu einem großen Misstrauen in der Gesellschaft geführt.