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MiGAZIN Kolumnist Sven Bensmann © privat, Zeichnung MiG

Nebenan

Das Privileg der Ausländer

Das Hochwasser im Süden spielte vor der Europawahl den Grünen in die Hände, der Messerangreifer von Mannheim den Rechten. Jetzt ratet mal, wer verloren hat!

Von Montag, 10.06.2024, 10:14 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 10.06.2024, 8:26 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Fast könnte man meinen – wie es der Postillon formulierte – die Natur hätte so kurz vor der Europa-Wahl unfaire Schützenhilfe für die Grünen leisten wollen, indem sie den bayrischen Ministerpräsidenten und sein Wahlvolk mit den Folgen von dessen Politik konfrontiert und Städte unter Wasser gesetzt hat.

Doch so kann nur jemand denken, der nicht aus Bayern ist – und er unterschätzt damit den bayrischen Wähler. Denn egal, ob ihm die Ernte wegschwimmt oder verdorrt, ob es im Sommer schneit oder im Winter der Wald brennt, der bayrische Wähler steht zu seiner CSU. Auf die Idee, dass ein radikaler Wandel des Klimas auch einen radikalen Wandel der Politik nach sich ziehen könnte – und vielleicht auch sollte – kommt er gar nicht.

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Ihm reicht es vielmehr, dass der bayrische Ministerpräsident gegen den Klimawandel täglich eine Wurst isst und dies auf Steuerzahlerkosten im Internet postet, schon, weil er glaubt, dass er damit den Grünen eins auswischen würde; und für echten Klimaschutz ist der Maggus ja auch gar nicht oft genug im Landtag. Überhaupt: Unmenschliches (lies: mehr als die tägliche Wurst) kann man von dem Maggus im Kampf gegen den Klimaschutz ja irgendwie auch gar nicht erwarten dürfen. Der Maggus ist ja auch nur ein Mensch, wie du und ich. Na ja, vielleicht nicht so wie ich. Aber wie das treckerfahrende bayrische Landei.

Da kam es dann allzu gelegen, dass ebenso kurz vor der Wahl noch etwas anderes passierte, dass sich vorzüglich für eine Ausschlachtung durch rassistische Ressentiments eignete. Vor einigen Tagen hat schließlich in Mannheim ein Mann einen anderen Mann erstochen.

„Weil der Täter ein Afghane ist, eignete sich die Tat für eine populistische Instrumentalisierung.“

Weil der Täter ein Afghane ist, eignete sich die Tat für eine populistische Instrumentalisierung. Und schaut man sich die Wahlergebnisse vom Sonntag an, war sie erfolgreich. Ein toter Polizist wiegt offenbar vier Ertrunkene auf, wenn der Täter schwarze Haare hat: Die Grünen verlieren, die AfD gedeiht. Und das ist bedauerlich, weil es auf Dauer das Fundament unserer Demokratie unterspült: Panikmache vor Menschen sticht die wahre Bedrohung der anstehenden Klimakatastrophe aus. Dass allerdings dann auch noch Kanzler Olaf Scholz verlangte, der Mann müsse, unter Missachtung aller Regeln des deutschen Rechtsstaats und internationaler Verträge, sofort in ein Kriegsgebiet abgeschoben werden, das ist weit mehr als nur tragisch oder bedauerlich – schon, weil es erklärt, warum die AfD gerade bundesweit die SPD überholt hat.

Und es zwingt sich die Frage auf: Darf man Olaf Scholz‘ Aussagen zynisch als billiges Wahlkampfmanöver verharmlosen, weil es in Deutschland so kurz vor einer Wahl normalerweise gut ankommt, Rassismus zu schüren? Nun, den Olaf kennen wird doch alle als einen anständigen Hanseaten, nicht als zynischen Machtpolitiker, der sich nicht an sein Geschwätz von gestern gebunden fühlt und im Falle des Falles einfach erklärt, sich an nicht mehr erinnern zu können, oder etwa nicht? Der Olaf ist ein anständiger, geradliniger, eben ein zutiefst hanseatischer Sozialdemokrat. Es wird also schon eine Überzeugung dahinterstecken.

„Null Toleranz, wie man neudeutsch so gern sagt.“

Nur welche? Die eine Möglichkeit lautet in etwa so: Scholz ist mittlerweile mit der AfD ideologisch voll auf Remigrations-Linie und nutzte die Gelegenheit, um jemanden allein aufgrund seiner Herkunft loszuwerden, den er nicht in seinem Land haben will, weil er hier seiner Meinung nach nicht hergehört. Die anderer macht mir persönlich noch ein bisschen mehr Angst: Scholz will keinesfalls besonders vulnerable Gruppen diskriminieren, er will allgemein zukünftig mehr Härte zeigen, ohne Ansehen der Person: Null Toleranz, wie man neudeutsch so gern sagt.

Wenn also unweigerlich demnächst mal wieder so ein tragischer Angriff passiert, und dann wieder ein Piefke der Täter ist, was dann? Alle Moffen, zumal in ein Kriegsgebiet, abschieben geht ja schließlich nicht – selbst wenn die Ukraine zumindest die wehrfähigen Gummihälse sicher gern aufnähme.

„Kein Deutscher würde je alle Deutschen in Sippenhaft nehmen, weil einer von ihnen gewalttätig ist.“

Gäbe es also womöglich, wenn in Zukunft mal wieder ein Thomas, ein Hubert oder eine Birgit auf einen Polizisten einsticht, Ausgangssperren für alle Krauts? Würden alle deutschen Supermärkte geschlossen? Würde ich womöglich nur noch nach Vorlage eines ausländischen Passes in Bus oder Bahn gelassen? Müsste der Kanzler höchstselbst in den Hausarrest, während eine Notstandsregierung aus Cem Özdemir, Omid Nouripour und Kaweh Mansoori das Land führt, weil wir mit Almans einfach keine Toleranz mehr haben dürfen, so wie wir jetzt gerade mit Afghanen und Syrern keine Toleranz mehr haben dürfen?

Ich gebe zu, diese Angst ist zutiefst irrational. Kein Deutscher würde je alle Deutschen in Sippenhaft nehmen, weil einer von ihnen gewalttätig ist. Das ist und bleibt wohl ein Privileg der Ausländer. Meinung

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  1. Levent Öztürk sagt:

    Das altbekannte spielen der 3 Affen deutscher Medien nach dem 2.0 Brandanschlag in Solingen wo diesmal eine ganze türkisch-bulgarische Familie von eine Deutschen aus rassistischen Motiven ermordet wurde, darunter ein 3 jähriges Kleinkind und ein 4-monatiger Säugling, spielte kurz vor der Fußball-EM dem deutschen Ansehen und kurz vor der Europawahl der AfD in die Hände.