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Bundeskanzler Olaf Scholz - Rede im Bundestag

Nach Mannheim

Scholz will Schwerstkriminelle nach Afghanistan und Syrien abschieben

Die Messerattacke von Mannheim hat eine Debatte über die Abschiebung von Straftätern ausgelöst. Der Kanzler macht jetzt eine klare Ansage dazu, könnte aber Probleme bei der Umsetzung bekommen.

Von , , , und Donnerstag, 06.06.2024, 14:40 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 06.06.2024, 14:40 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Als Konsequenz aus der tödlichen Messerattacke von Mannheim will Bundeskanzler Olaf Scholz die Abschiebung von Schwerstkriminellen nach Afghanistan und Syrien wieder ermöglichen. „Solche Straftäter gehören abgeschoben – auch wenn sie aus Syrien und Afghanistan stammen“, sagte der SPD-Politiker am Donnerstag im Bundestag. „Schwerstkriminelle und terroristische Gefährder haben hier nichts verloren.“

Wie genau er das ermöglichen will, sagte der Kanzler in seiner Regierungserklärung noch nicht. Das Bundesinnenministerium arbeite an der praktischen Umsetzung und sei bereits mit den Nachbarländern Afghanistans im Gespräch.

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Auch Verschärfung des Strafrechts und der Ausweisungsregeln geplant

Ein Afghane hatte am vergangenen Freitag in Mannheim fünf Teilnehmer einer Kundgebung der islamfeindlichen Bewegung Pax Europa sowie einen Polizisten mit einem Messer verletzt. Der Beamte erlag später seinen Verletzungen. „Das tödliche Messer-Attentat auf einen jungen Polizisten ist Ausdruck einer menschenfeindlichen Ideologie, eines radikalen Islamismus“, sagte Scholz dazu. „Dafür gibt es nur einen Begriff: Terror. Terror sagen wir den Kampf an.“

Neben einem Ende des Abschiebestopps für Afghanen und Syrer kündigte Scholz in seiner Rede nur vier Tage vor der Europawahl noch weitere Konsequenzen aus der Attacke an. Man werde auch nicht länger dulden, wenn terroristische Straftaten verherrlicht und gefeiert werden, sagte er. Deshalb würden die Ausweisungsregeln so verschärft, dass aus der Billigung terroristischer Straftaten ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse folgt. „Wer Terrorismus verherrlicht, wendet sich gegen alle unsere Werte und gehört auch abgeschoben.“ Damit reagiert Scholz auf Beiträge in den sozialen Medien, in denen die Messerattacke von Mannheim gefeiert wurde.

Außerdem will der Kanzler das Strafrecht verschärfen. Wer Frauen und Männer, die helfen und Leben retten wollten, hinterrücks angreife oder in Hinterhalte locke, müsse die volle Härte des Gesetzes zu spüren bekommen. „Dafür werden wir das Strafrecht gezielt schärfen und solche hinterlistigen Überfälle härter bestrafen.“ Es müsse auch konsequenter von der Möglichkeit Gebrauch gemacht werden, Waffen- und Messerverbotszonen auszuweisen.

Abschiebestopp für Afghanistan seit 2021

Der Abschiebestopp für Afghanistan gilt seit der Machtübernahme durch die Taliban in Kabul im August 2021. Schon in der Zeit davor hatte man sich wegen der damals schon schwierigen Sicherheitslage darauf verständigt, nur Männer – und vor allem Straftäter und sogenannte Terror-Gefährder – unter Zwang nach Kabul zu bringen.

Scholz will jetzt zu dieser Regelung zurückkehren. Der Kanzler argumentiert, dass bei Schwerstkriminellen und terroristischen Gefährdern das Sicherheitsinteresse Deutschlands schwerer wiege als das Schutzinteresse des Täters.

Die Innenministerkonferenz (IMK) von Bund und Ländern hatte bereits im vergangenen Dezember bemängelt, dass schwere Straftäter und Gefährder aus Staaten wie Syrien und Afghanistan nicht in ihre Herkunftsstaaten abgeschoben werden können. Sie bat das Bundesinnenministerium, bis zur IMK-Frühjahrssitzung am 19. Juni nach Lösungen zu suchen. Dann sollen die Ergebnisse vorgelegt werden.

Probleme bei der praktischen Umsetzung

Bei der Umsetzung gibt es aber eine ganze Reihe Probleme. Für eine Abschiebung per Flugzeug wäre eine Zusammenarbeit mit den Taliban-Machthabern in Kabul oder der für schlimmste Menschenrechtsverletzungen verantwortlichen Regierung des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad nötig. Wie Scholz in seiner Rede sagte, wird deswegen nun im Fall Afghanistans die Rückführung über Nachbarstaaten wie Pakistan oder Usbekistan geprüft.

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) befürchtet zudem, dass Abgeschobene auch von Afghanistan oder Syrien aus wieder Terroranschläge planen könnten. Es müsste auch noch definiert werden, für welche Straftaten genau der Abschiebestopp aufgehoben werden soll.

Die Grünen sind skeptisch

Scholz könnte auch in seiner Ampel-Koalition ein Umsetzungsproblem bekommen. Die FDP stellte sich zwar klar hinter seinen Vorstoß. „Wer hier bei uns islamistisch motivierte Straftaten begeht, von Volksverhetzung und Judenhass bis hin zu schweren Gewalt- und Tötungsdelikten, bedarf offenkundig keines Schutzes vor islamistischen Regimen“, sagte Fraktionschef Christian Dürr. Ob der Messerangriff von Mannheim tatsächlich einen sogenannten „islamistischen“ Hintergrund hat, ist bisher offen und Gegenstand der Ermittlungen.

Die Grünen stehen zu Abschiebungen nach Afghanistan oder Syrien skeptisch gegenüber. Baerbock machte ihre Bedenken schon vor der Regierungserklärung deutlich. Die Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann sagte in der Debatte zur Regierungserklärung zwar: „Menschen, die schwere Straftaten begehen, müssen nach Verbüßung der Strafe abgeschoben werden.“ Sie fügte aber hinzu, dass für alle Herkunftsländer kontinuierlich geprüft werden müsse, ob die Sicherheitslage Abschiebungen zulasse. Zu Verhandlungen mit den Taliban äußerte sie sich skeptisch. „Auch wird zu klären sein und zu prüfen sein, für welches Drittland es attraktiv sein soll, Terroristen oder schwere Straftäter aufzunehmen. Bin gespannt darauf, welche Antworten wir darauf finden“, sagte sie.

Unionsfraktionschef Friedrich Merz verlangte von Scholz schnelles und entschlossenes Handeln. „Die Zeit des Warnens und des Verurteilens, des Abwiegelns und der Ankündigungen, diese Zeit ist jetzt vorbei“, sagte der CDU-Vorsitzende in seiner Antwort auf die Regierungserklärung. „Die Menschen erwarten, dass wir handeln. Sie erwarten Entscheidungen. Sie warten auf eine klare, unmissverständliche Antwort der Politik.“ (dpa/mig) Aktuell Politik

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  1. Tom sagt:

    Ja ja. Die Grünen sehen Abschiebungen von Straftätern mal wieder skeptisch. Ihre Skepsis können sie bald von der Oppositionsbank aus hegen und pflegen. Gut so.