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EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) (Archiv) © European Parliament @ flickr.com (CC 2.0), bearb. MiG

EU-Politik

Von der Leyens Rechtsruck

Wie eng wird im neuen EU-Parlament nach der Wahl mit rechten Parteien zusammengearbeitet? Ursula von der Leyen steht in der Kritik – auch wegen der umstrittenen Migrationsabkommen. Auch der frühere EU-Kommissionspräsident Juncker ist besorgt über den Rechtsruck.

Sonntag, 26.05.2024, 12:54 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 26.05.2024, 12:54 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat sich bei einer TV-Debatte mit weiteren Spitzenvertretern europäischer Parteienfamilien dafür gerechtfertigt, eine Kooperation mit der rechtskonservativen EKR-Fraktion nicht auszuschließen. „Ich habe mit Giorgia Meloni sehr gut im Europäischen Rat zusammengearbeitet, wie ich es mit allen Staats- und Regierungschefs tue“, sagte die Spitzenkandidatin der EVP-Fraktion am Donnerstagnachmittag im EU-Parlament in Brüssel. Meloni sei eindeutig für Europa und gegen Putin, das habe sie sehr deutlich gesagt. „Und für die Rechtsstaatlichkeit – wenn das so bleibt – dann bieten wir an, zusammenzuarbeiten.“

Die ultrarechte Partei der italienischen Premierministerin Meloni, die Fratelli d’Italia, ist Mitglied der EKR-Fraktion. Bei einer Debatte Ende April in Maastricht hatte von der Leyen eine Kooperation mit dieser Fraktion nach der Wahl nicht ausgeschlossen. Als ein Grund dafür gilt, dass sie für eine Wiederwahl durch das Europaparlament auf Stimmen von der Partei von Meloni angewiesen sein könnte.

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Unverständnis über von der Leyens Haltung

Sandro Gozi, Spitzenkandidat der liberalen Renew-Fraktion, äußerte bei der Diskussion in Brüssel Unverständnis über von der Leyens Haltung: Er verstehe nicht, wie die Europäische Volkspartei und von der Leyen bereit seien, sich Meloni zu öffnen. „Man muss gegen die extreme Rechte kämpfen.“ Gozi bezeichnete sowohl die EKR-Fraktion als auch die rechtsnationale ID-Fraktion als Teil der extremen Rechten.

Der Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten, Nicolas Schmit, betonte ebenfalls, dass es keine Allianz mit der extremen Rechten geben dürfte. „Ich würde sagen: in solchen Angelegenheiten brauchen wir Klarheit und keine Zweideutigkeit.“

„Kein Kompromiss mit der extremen Rechten“

Auch Walter Baier, Spitzenkandidat der europäischen Linken, pochte darauf, dass es keinen Kompromiss mit der extremen Rechten und ihrer Agenda geben dürfe. „Deshalb war ich wirklich schockiert, Frau von der Leyen, als ich Sie in Maastricht sagen hörte, dass es vom Ausgang der Wahlen abhängt, ob Sie mit ihnen koalieren oder mit ihnen zusammenarbeiten werden.“

Terry Reintke, Spitzenkandidatin der europäischen Grünen, warnte davor, dass ein Rechtsruck bei der Wahl und eine mögliche Zusammenarbeit der EVP- mit der EKR-Fraktion „eine Katastrophe für das Klima“ wäre.

Juncker besorgt über Rechtsruck in Parteienfamilie mit CDU und CSU

Besorgt über rechte Tendenzen in der EU-Politik hat sich auch der frühere EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker geäußert. „Ich stelle einen Rechtsruck in der EVP fest, gegen den ich kämpfe. Wer sich zu sehr nach rechts lehnt, riskiert, aus dem Fenster zu fallen“, warnte Juncker in einem am Freitag veröffentlichten Interview der Zeitung „Luxemburger Wort“.

Zu der christdemokratischen EVP gehören neben Junckers Partei CSV und der deutschen CDU und CSU unter anderem die Regierungsparteien aus EU-Ländern wie Österreich, Schweden, Griechenland und Irland. Sie führt derzeit in Umfragen zur Europawahl und hat Ursula von der Leyen als ihre Spitzenkandidatin für eine zweite Amtszeit als Kommissionspräsidentin nominiert.

Juncker, der von 2014 bis 2019 EU-Kommissionspräsident war, sagte weiter: „Wenn traditionelle Parteien damit beginnen, wie Rechtspopulisten zu reden, dann werden die Grenzen zwischen gestandenen Volksparteien und den Rechtsextremen verwischt – auch in der Wahrnehmung innerhalb der Bevölkerung. Damit kann die Demokratie nur verlieren.“ Es würde der EVP gut zu Gesicht stehen, sich meilenweit vom allgemeinen Rechtsdrall fernzuhalten. Zugleich betonte er, dass er auch andere Parteien für die Entwicklungen für verantwortlich halte. „In Frankreich hat Emmanuel Macron den Rechtsruck zu verantworten und nicht die EVP“, sagte er.

Juncker warnte vor jeder formellen Koalition mit rechtsextremen Parteien. Zu einer möglichen Zusammenarbeit zwischen der EVP und Melonis Fratelli d’Italia äußerte sich Juncker etwas zurückhaltender als noch vor einigen Monaten. „Ich muss zugeben, dass Giorgia Melonis Partei wider meiner Erwartungen einen eher pro-europäischen Kurs fährt“, sagte er. Allerdings müsse man auch auf den Diskurs achten, den Parteien pflegten, bevor sie an die Macht gekommen seien, und darauf, welches Menschenbild sie vertreten hätten.

EU-Spitzenkandidat Schmit attackiert von der Leyen für Migrationsdeal

Weiter in der Kritik steht von der Leyen auch wegen der umstrittenen Migrationsabkommen mit Staaten in Nordafrika. Der Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten, Nicolas Schmit, kritisierte von der Leyen dafür heftig. Er sei entsetzt über die Medienberichte, denen zufolge Geflüchtete in Tunesien in die Wüste getrieben, verprügelt und teilweise getötet würden, sagte Schmit während der TV-Debatte.

„Das ist nicht Europa. Das sind nicht unsere europäischen Werte. Das ist eine Vereinbarung mit einer bösartigen Diktatur“, sagte Schmit. Direkt an Kommissionspräsidentin von der Leyen gerichtet, ergänzte er: „Also erzählen Sie uns nicht, es gehe darum, Schlepper und Schleuser zu bekämpfen. Es geht darum, Flüchtlinge zu bekämpfen.“ Das sei das Problem mit „diesen Abkommen“.

Der Spitzenkandidat der europäischen Linken, Walter Baier, sagte: „Lassen Sie mich ganz persönlich antworten. Ich habe meine Großmutter nie kennengelernt, weil sie in Auschwitz starb. Sie starb in Auschwitz, weil im Jahr 1938 die sogenannten westlichen Demokratien daran scheiterten, ihre Grenzen für Flüchtlinge zu öffnen.“ Heute scheitere die EU wieder daran, ihre Grenzen für Geflüchtete zu öffnen. Das sei eine Schande. Es brauche Respekt und Solidarität, erklärte der Österreicher.

EU-Bürgerinnern und Bürger sind am 9. Juni zur Wahl eines neuen EU-Parlaments aufgerufen. Bei der TV-Debatte stellten sich die Spitzenkandidaten der europäischen Parteifamilien vor. Von der Leyen kandidiert für eine zweite Amtszeit als EU-Kommissionspräsidentin. (dpa/epd/mig) Aktuell Politik

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