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MiGAZIN Kolumnist Sven Bensmann © privat, Zeichnung MiG

Nebenan

Neues Jahr, alte Scheiße.

Wer glaubt, die Corona-Pandemie sei bereits der Einschnitt unserer Zeit gewesen, dem könnte im Jahr 2024 eine Überraschung bevorstehen.

Von Montag, 08.01.2024, 10:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 08.01.2024, 8:48 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

2024 könnte vielleicht das letzte Jahr sein, dass sich noch unter dem Oberbegriff einer alten Normalität subsummieren lässt – dabei startete es bereits mit einem kleinen Vorgeschmack darauf, wie die klimatische Zukunft Deutschlands aussehen könnte. Direkt im Anschluss in das wärmste Jahr, das diese Welt in langer Zeit erlebt hat, stehen vom Rhein bis nach Lübeck selbst Großstädte unter Wasser, und das, obwohl der Meeresspiegelanstieg, das eigentliche Problem, im Grunde noch gar nicht begonnen hat: Allein die Großwetterlagen haben sich durch den Klimawandel so geändert, dass auf die Rekordtrockenheit nun Rekordüberschwemmungen folgen.

Wir reden allerdings, wenn wir von solchen als „Jahrhundertereignissen“ reden immer noch innerhalb der Maßstäbe unserer eigenen Erfahrungen: Diese Überschwemmungen, Stürme, Dürren werden, so heißt es, zukünftig etwa 30-mal so häufig auftreten wie bisher. Man muss nicht Mathe studiert haben, um hier auf eine Zahl zu kommen, die sehr viel näher an „alle drei Jahre“ liegt, als an „alle hundert Jahre“ – und zwar nicht nur in Deutschland, nicht nur in den Niederlanden oder in Japan, wo man Vorsorge für Katastrophen treffen kann und trotzdem am Ende viele Tote zu beklagen sind (wie im Ahrtal oder zuletzt beim Erdbeben vor Ishikawa an Neujahr), sondern auch überall sonst. Diese Zahlen lassen für Deutschland zwar hoffen, dass nach der Ahrtalkatastrophe von 2021 jetzt erstmal bis 2027 Ruhe ist mit Überschwemmungen – verlassen sollte man sich darauf aber nicht.

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Meteorologisches Klima ist vor allem aber nicht alles, auch mit dem politischen Klima geht es stabil bergab. Auf die rekordhafte intellektuelle Leere im Konrad-Adenauer-Haus im letzten Jahr werden dieses Jahr unzweifelhaft Rekord-Wahlergebnisse für die AfD folgen, jene Partei der geistigen Leere, die derzeit von Rekord-Umfrageergebnis zu Rekord-Umfrageergebnis – pardon – marschiert.

„“Auf die rekordhafte intellektuelle Leere im Konrad-Adenauer-Haus im letzten Jahr werden dieses Jahr unzweifelhaft Rekord-Wahlergebnisse für die AfD folgen.““

Im Fahrwasser der Proteste, die derzeit unter dem Deckmantel von Bauerninteressenten in ganz Deutschland stattfinden und die längst den Rahmen des zulässigen überschritten haben, wird wohl auch die AfD weiteren Zulauf finden, selbst wenn diese die Subventionen für Bauern noch deutlich radikaler beschneiden will, als die Ampel. Dazu reicht dem für seine intellektuelle Höhe nicht gerade berühmten Bauernstand ein gepflegtes „Wir gegen die pösen Ausländers“ offensichtlich aus.

Dass man sich ideologisch ohnehin weitgehend einig ist, zeigt sich bereits an Parolen und Bildsprache und benötigt den Hinweis auf die Landvolkbewegung schon gar nicht mehr. Ein Blick auf die Fotos der Protestierenden genügt. Und ja, natürlich drängt sich an dieser Stelle ein Einwurf auf und man sollte die Frage stellen, warum eigentlich Klimaaktivisten für das Blockieren von Straßen sogar präventiv weggesperrt werden, Treckerfahrer, die Straßen blockieren und Politiker persönlich bedrohen, die offen ihr Nähe zu weit rechts stehenden Organisationen bekunden und von Generalstreik faseln, hingegen frei „protestieren“ können. Aber das führt ja doch zu nichts. Jedes Land bekommt die öffentliche Meinung, die es verdient – und die bestimmt in dieser verranzten Republik eben immer noch Friede Springer.

„“Vielleicht würde das Mittelmeer ja 500 Millionen weiße Wohlstandsflüchtlinge aufnehmen, wenn erst einmal der Russe an die Tür klopft?““

Hinzu kommt, dass Deutschland – manchen wirds schockieren – gar nicht allein auf der Welt ist. Während den USA dieses Jahr der weltpolitische Selbstmord droht, sollte Trump wiedergewählt werden – oder ein blutiger Bürgerkrieg, falls nicht – fragt man sich in ganz Europa, was denn wohl mit unserem Wohlstand und unserer Sicherheit passiert, wenn Uncle Sam erst einmal nicht mehr da ist, um auf uns aufzupassen. Flucht dürfte jedenfalls ausfallen – dazu waren wir zu sehr darauf versessen, überall Fluchtursachen zu schaffen oder zu erhalten, die unseren Wohlstand gemehrt haben und Mauern zu bauen, wo uns unsere Politik in den eigenen Arsch zu beißen drohte. Vielleicht würde das Mittelmeer ja 500 Millionen weiße Wohlstandsflüchtlinge aufnehmen, wenn erst einmal der Russe an die Tür klopft? Man wird sehen.

Aber auch damit wären weder dem äthiopischen Bauern, noch dem somalischen Fischer oder dem ghanaischen Kakaopflücker geholfen, die noch immer keine Ahnung haben, wovon sie denn eigentlich leben sollen, wenn der Klimawandel erst einmal so richtig loslegt. Gut, den ghanaischen Kakaopflücker treiben üblicherweise andere Fragen an – Fragen wie: „Wo bin ich hier?“, „Wer sind diese Leute?“, „Wo ist meine Mama, ich bin doch erst 8!?“ und „Ist das nicht toll, wie erfolgreich sich all diese milliardenschweren Unternehmen für das Ende von Kinderarbeit auf ghanaischen Kakaoplantagen einsetzen?“. Aber harte Arbeit vertreibt solche Gedanken schnell.

Vielleicht bräuchte es deshalb gerade heute wieder große Visionäre mit Weitblick, Menschen, wie den kürzlich verstorbenen CDU-Mann Schäuble, der erst die Länder Südeuropas in die finanziellen Knie zwang und anschließend diese Länder, die für die Staatsfinanzierung unerlässlichen, profitablen Staatsbetriebe zu verkaufen – und der sich anschließend bis an sein Lebensende fragte, wie es denn wohl sein könne, dass den Chinesen so plötzlich ein ganzer Hafen im Herzen Europas gehört. Visionäre, wie das Tech- und Finanzgenie Elon Musk, der vor etwas über einem Jahr das Tech-Unternehmen Twitter (taxiert auf einen Wert von etwa 44 Milliarden Dollar) aufkaufte und es durch seine Weitsicht und seinen genialen Verstand innerhalb kürzester Zeit in das Tech-Unternehmen X verwandelte (geschätzt auf einen Wert von unter 20 Milliarden Dollar), dessen Raumfahrunternehmen SpaceX eine Rakete nach der anderen in die Luft jagt, mit einer Erfolgsquote, für die die Leitung der NASA geteert und gefedert aus dem Land gejagt worden wäre.

Immerhin für alle, die 2024 nicht als Jungfrau sterben wollen, bedeutet das gute Nachrichten: Wir sind längst alle gef… Frohes Neues. Meinung

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