Berlin-Monitor
Fast jeder zweite Berliner mit antimuslimischen Einstellungen
Die Mehrheit der Menschen in Berlin steht hinter der Demokratie. Eine Minderheit, die das anders sieht, scheint aber zu wachsen. Das legt jedenfalls der neue „Berlin-Monitor“ nahe. Antimuslimische Einstellungen sind am meisten verbreitet.
Montag, 18.12.2023, 16:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 18.12.2023, 15:19 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Antimuslimische, rechtstotalitäre und antisemitische Einstellungen sind in der Berliner Bevölkerung einer Studie zufolge verbreitet. Gleichwohl unterstützt die große Mehrheit der Menschen in der Hauptstadt die Demokratie. Das geht nach Angaben der Sozialverwaltung aus dem am Montag veröffentlichten „Berlin-Monitor“ hervor, einer seit 2019 regelmäßig erhobenen Studie über die Einstellungen der Hauptstädter zu politischen und gesellschaftlichen Fragen. Für den „Berlin-Monitor“ befragten die Forscher im Auftrag des Senats von Ende Mai bis Ende Juli dieses Jahres 2048 Berlinerinnen und Berliner im Alter ab 18 Jahren.
Fast die Hälfte lehnt laut Studie Islam ab
In der Umfrage stimmten 42 Prozent der Befragten der Aussage „stark“ oder „eher“ zu, dass die Anzahl der Muslime in Deutschland zu hoch sei. 61 Prozent glauben demnach nicht, dass sich Muslime für eine offene Gesellschaft einsetzen. 58 Prozent sehen den Islam als frauenfeindliche und 54 Prozent als „rückständige“ Religion. 36 Prozent gehen davon aus, dass Muslime planen, den Westen Schritt für Schritt zu islamisieren. Nach Ansicht von 34 Prozent der Befragten streben Muslime danach, die Scharia in Deutschland einzuführen, also eine islamische, auf dem Koran fußende Gesetzgebung.
Die Autoren der Studie unter Leitung des Religions- und Kirchensoziologen Gert Pickel von der Universität Leipzig nehmen auf Basis der Befragung an, dass 20 Prozent der Befragten überzeugt muslimfeindlich und 48 Prozent überzeugt islamfeindlich seien, den Islam also ablehnten.
Fast ein Fünftel wünscht sich einen Führer
Rechtsautoritäre Einstellungen, die bereits im „Berlin- Monitor“ der Jahre 2019 und 2021 abgefragt wurden, nahmen den Angaben zufolge zu. So befürworteten nach Angaben Pickels rund 19 Prozent die Aussage: „Wir sollten einen Führer haben, der Deutschland zum Wohle aller mit starker Hand regiert.“ Vor vier Jahren waren es noch 10 Prozent. Dass Deutschland jetzt „eine einzige starke Partei“ brauche, die die Volksgemeinschaft insgesamt verkörpere, unterstützen aktuell 31 Prozent der Befragten. Vor vier Jahren waren es noch 19 Prozent. 8 Prozent glauben, unter Umständen sei eine Diktatur die bessere Staatsform (2019: 4 Prozent).
Gleichzeitig gaben 90 Prozent der Befragten an, dass die Demokratie am ehesten zu unserer Gesellschaft passe. 69 Prozent zeigten sich zufrieden mit der Demokratie.
Antisemitismus in vielen Köpfen
Ein weiteres Ergebnis ist zunehmender Antisemitismus in vielen Köpfen – und das schon vor dem Terrorangriff der islamistischen Hamas auf Israel am 7. Oktober und der Reaktion Israels, in deren Folge Hass auf Juden und auf Israel in Berlin nach Beobachtungen vieler Fachleute eine neue, traurige Dimension erreichten.
Laut Umfrage stellten sich zum Beispiel 15 Prozent hinter die Aussage „Auch heute noch ist der Einfluss der Juden zu groß“. 2019 waren es 3 Prozent. 12 Prozent glauben: „Die Juden und Jüdinnen haben einfach etwas Besonderes und eigentümliches an sich und passen nicht so recht zu uns“ (2019: 6 Prozent). 27 Prozent halten die Staatsgründung Israels für eine schlechte Idee (2019: 13 Prozent), 13 Prozent glauben: „Juden sind verantwortlich für die meisten Kriege und Konflikte in der Welt.“ (2019: 2 Prozent)
Die Studienautoren schließen aus der Erhebung, dass es „eine zunehmende autoritäre Dynamik“ in Berlin gebe. 54 Prozent der Befragten attestieren sie eine „autoritäre Aggression“, 31 Prozent eine „Verschwörungsmentalität“.
Senatorin Kızıltepe macht sich Sorgen
„Die Ergebnisse des Berlin Monitors 2023 bereiten mir große Sorge“, sagte Sozialsenatorin Cansel Kızıltepe (SPD) bei der Vorstellung. „Denn es wird deutlich, dass Rassismus und Antisemitismus tief in der Berliner Bevölkerung verwurzelt sind.“ Präventionsprojekte seien aktuell nötiger denn je. Deshalb sei es gut, dass die Mittel im Bereich Antidiskriminierung und Vielfalt im Haushalt 2024/2025 auf jeweils 30 Millionen Euro pro Jahr verdoppelt worden seien. (dpa/mig) Gesellschaft Leitartikel
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