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Panorama-Blicka auf die Stadt Agadez/Niger © de.depositphotos.com

Gegen Erpressung

Niger hebt Gesetz gegen Beihilfe zu Flucht auf

Unter Druck der EU hatte Niger ein Gesetz verabschiedet, das Menschenschmuggel unter Strafe stellte. Die Militärjunta hat es jetzt wieder aufgehoben. EU-Komissarin Johansson ist besorgt. Sahel-Experte warnt vor den Folgen. Afrikanische Länder wollen sich nicht mehr durch Hilfsgelder erpressen lassen.

Dienstag, 28.11.2023, 20:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 29.11.2023, 9:01 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Die Schleusung von Geflüchteten soll im westafrikanischen Niger künftig straffrei bleiben. Der Anführer der Militärjunta, Chef Abdourahamane Tiani, habe das entsprechende Gesetz aufgehoben, sagte der Sprecher von Premierminister Lamine Zeine am Montag. Das Gesetz war Teil der Strategie Europas zur Eindämmung der Fluchtbewegung über das Mittelmeer.

Der Niger ist eins der wichtigsten Transitländer für Menschen aus Afrika, die in Richtung Europa wollen. Die Europäische Union arbeitet mit dem Niger bereits seit 2015 zusammen, vor allem um die Fluchtroute von der nigrischen Wüstenstadt Agadez nach Libyen zu blockieren.

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EU-Gelder in Polizei und Grenztruppen geflossen

Das Gesetz, das den Schmuggel von Menschen von Agadez durch den Sahel bis zur Grenze mit Libyen mit bis zu zehn Jahren Haft unter Strafe stellte, wurde 2015 unter Druck der EU verabschiedet. Die EU hatte im Gegenzug Milliardenhilfen versprochen. Die Gelder seien allerdings vor allem in Trainings und Aufrüstung von Polizei und Grenztruppen geflossen. Seit Einführung des Gesetzes war nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) die Zahl von Geflüchteten im Niger gesunken.

Vertreter der Stadt Agadez begrüßten das Aufhebungsdekret. Das Gesetz habe negative wirtschaftliche Auswirkungen auf die Region gehabt, die als Schleuser-Hochburg bekannt war, sagte Mohamed Anacko, Präsident des Regionalrats von Agadez.

„Jetzt tritt für Europa das Horrorszenario ein.“

EU-Innenkommissarin Ylva Johansson äußerte sich besorgt über die Rücknahme des Anti-Migrations-Gesetzes im Niger. „Ich bedauere diese Entscheidung sehr und ich bin sehr besorgt, was die Konsequenzen anbelangt“, sagte Johansson am Dienstag in Brüssel. Nachdem das Gesetz 2015 verabschiedet wurde, seien Johansson zufolge die Flüchtlingszahlen in die EU signifikant gesunken. „Und auch die Zahl der Menschen, die ihr Leben in der Wüste verloren haben, ist gesunken“, sagte die EU-Kommissarin. Das Risiko sei sehr hoch, dass mit dem Ende Gesetzes die Zahl der Toten in der Wüste wieder steige. „Das ist die große Sorge. Aber wahrscheinlich bedeutet es auch, dass wieder mehr Migranten nach Libyen kommen und dann vielleicht auch versuchen, von dort aus das Mittelmeer zu überqueren, um in die EU zu kommen“, ergänzte sie.

Laut Ulf Laessing, Leiter des Sahel-Programms der Konrad-Adenauer-Stiftung, will die Militärregierung im Niger die EU unter Druck setzen. Es werde deutlich, dass sich Länder nicht mehr durch Hilfsgelder erpressen lassen wollen, sagte er. Menschen könnten sich nun wieder durch den Niger Richtung Libyen auf den Weg machen, sagte Laessing. „Jetzt tritt für Europa das Horrorszenario ein.“

„Schmuggler passen sich schnell an neue Gegebenheiten an“, betonte der Experte der CDU-nahen Stiftung. Dass Sanktionen und die Streichung von Hilfsgeldern seit dem Putsch die wirtschaftliche Situation extrem verschlechtern, könne außerdem dazu beitragen, dass mehr Menschen anderswo ein besseres Leben suchen.

Experte: Realität ins Auge blicken

Die Militärregierung im Niger wird von der EU nicht offiziell anerkannt. Zwischen Vertretern von EU-Staaten und der Junta habe es nur informelle Gespräche gegeben, sagte Laessing. Es sei möglich, dass einige Länder diesen Ansatz mit der Rücknahme des Anti-Migrations-Gesetzes nun überdenken. Es sei Zeit, der Realität ins Auge zu blicken. Der ehemalige Präsident Mohamed Bazoum werde nicht zurückkehren. Die Aufhebung des Gesetzes könnte schwerwiegende Folgen für die Migration über das Mittelmeer haben.

Der Niger wird seit einem Putsch am 26. Juli vom Militär regiert. Das Land galt als letzter demokratischer Partner Europas und der USA im Kampf gegen Terrorismus in der Sahelzone. Seit dem Staatsstreich sind die Beziehungen zwischen dem Niger und westlichen Partner überwiegend auf Eis gelegt. (dpa/epd/mig) Ausland Leitartikel

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