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Bayern

Security in Ankerzentren kostet mehr als 100 Millionen Euro pro Jahr

Die Ankerzentren sollten Asylverfahren beschleunigen, haben dieses Ziel jedoch weit verfehlt. Jetzt kommt heraus, dass sie den Steuerzahler viel Geld kosten: Jährlich mehr als 110 Millionen Euro verschlingt ein höchst umstrittenes Sicherheitskonzept.

Sonntag, 12.11.2023, 15:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 12.11.2023, 13:04 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Trotz starker Kritik wurden die ersten Ankerzentren 2018 errichtet. Der damalige Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) versprach sich von den Zentren schnellere Abschiebungen und Asylverfahren. Inzwischen weiß man: Das Ziel wurde verfehlt. Wie jetzt bekannt wurde, kosten die Ankerzentren den Steuerzahler zudem viel Geld. So gibt Bayern pro Jahr mehr als 100 Millionen Euro allein für Sicherheitsmitarbeiter in seinen Ankerzentren aus. Das ergab eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur bei den sieben Bezirksregierungen des Freistaats. Demnach lagen die Kosten für Security im Jahr 2022 bei rund 111 Millionen Euro. Für das laufende Jahr rechnen die Bezirksregierungen mit einem Anstieg auf rund 128 Millionen Euro – unter anderem wegen der Eröffnung weiterer Unterkünfte für eine steigende Zahl von Geflüchteten.

Wie viel in den Regierungsbezirken für Sicherheitsdienste in Ankerzentren ausgegeben wird, ist vor allem von der Zahl der Standorte und der eingesetzten Mitarbeiter abhängig. Spitzenreiter bei den Kosten ist Oberbayern als größter Regierungsbezirk mit insgesamt neun Einrichtungen, rund 300 Mitarbeitern pro Tag und voraussichtlichen Kosten von etwa 42 Millionen Euro im laufenden Jahr. Dahinter folgt Schwaben mit ebenfalls neun Einrichtungen, bis zu 167 Mitarbeitern am Tag und fast 34 Millionen Euro.

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Viele Unterkünfte voll oder überfüllt

Viele der Anker-Unterkünfte sind seit einiger Zeit entweder am Rande ihrer Kapazitäten oder deutlich überbelegt. So waren im Ankerzentrum in Unterfranken Anfang November 1.794 Menschen untergebracht – fast 300 mehr als die reguläre Kapazität erlaubt. In Niederbayern lebten fast 100 Menschen mehr in der Ankereinrichtung als vorgesehen. In Oberfranken war das Ankerzentrum nach Angaben der Bezirksregierung voll ausgelastet, Oberbayern meldete eine Auslastung von 97 Prozent.

Obwohl die Gebäude teils so voll sind, dass zusätzlich Zelte aufgestellt werden müssen, haben die Regierungsbezirke nur wenige körperliche Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitsmitarbeitern und Bewohnern erfasst. Ausnahme ist Oberfranken mit 19 Verletzten im laufenden Jahr. So waren allein bei einer Schlägerei Mitte September sieben Menschen in der Einrichtung in Bamberg verletzt worden.

Zuletzt ermittelte die Polizei zudem wegen eines versuchten Tötungsdelikts nach einem Streit zwischen zwei Bewohnern und einem Security-Mitarbeiter einer Anker-Einrichtung in Regensburg. Die beiden Männer sollen am Mittwoch mit schweren Gegenständen auf den Mann geworfen haben, sodass dieser zu Boden ging.

Keine bayernweiten Zahlen zu Körperverletzungen

Genaue Übersichten zu Vorfällen mit Verletzten führen aber die meisten Bezirksregierungen nicht und verweisen stattdessen auf die Polizei. Das Landeskriminalamt konnte laut einer Sprecherin jedoch keine bayernweite Auswertung für Körperverletzungen in Ankerzentren vornehmen.

In Unterfranken monierte zuletzt aber der Bezirkschef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Thomas Grimm, eine Überlastung der Beamten durch Einsätze in der Anker-Einrichtung in Schweinfurt – wegen „einer Vielzahl von Einsätzen“ pro Tag.

Umstrittener Einsatz von Security-Unternehmen

Das Sicherheitspersonal in sämtlichen Ankerzentren wird nach Angaben der Bezirksregierungen von Behörden auf seine Zuverlässigkeit überprüft. In mehreren Regierungsbezirken würden die Mitarbeiter zudem zu speziellen Themen wie Deeskalation, interkulturelle Kompetenz und Umgang mit Drogenmissbrauch geschult – entweder in Regie der beauftragten Firmen oder durch die Ankereinrichtungen selbst.

Erforderlich wurden diese Maßnahmen nachdem Kritik laut wurde. Aufgrund mehrerer Fälle von Übergriffen von Sicherheitspersonal auf Geflüchtete steht die Auslagerung der Sicherheit in Anker-Zentren inzwischen unter besonderer Beobachtung. Wie die MDR-Doku „Rechts und gewalttätig? Security ohne Kontrolle“ zeigt sind aggressives Verhalten und Rassismus in der Branche weit verbreitet. Besorgniserregend ist, dass Security-Unternehmen bei Bekanntwerden von rassistischen Ausfällen kaum oder gar nicht reagieren. Insider berichten sogar von einer indirekten Finanzierung rechtsextremer Strukturen – insbesondere in östlichen Bundesländern.

Verfahren dauern länger in Anker-Zentren

In Ankerzentren werden in Bayern neu angekommene Flüchtlinge untergebracht. Dort sollen die Arbeit des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, der Bundesagentur für Arbeit, der Jugendämter, Justiz- und Ausländerbehörden gebündelt werden. Das sollte die Abschiebung derjenigen beschleunigen, die kein Bleiberecht bekommen und Asylverfahren beschleunigen. Inzwischen ist bekannt, dass das Ziel der Verfahrensbeschleunigung weit verfehlt wurde. Mehr noch: Asylverfahren in Ankerzentren dauern sogar länger. (dpa/mig) Aktuell Panorama

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