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Pegah Edalatian (Die Grünen)

Vielfaltsumfrage

Politische Repräsentation von Menschen mit Migrationsgeschichte

Deutschland ist ein Einwanderungsland. Mittlerweile haben alle demokratischen Akteur:innen das anerkannt. Nun müssen Gesellschaft und Politik die richtigen Schlüsse daraus ziehen.

Von Sonntag, 12.11.2023, 16:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 12.11.2023, 13:53 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Gut jede vierte in Deutschland lebende Person hat einen Migrationshintergrund. Bei Kindern unter zehn Jahren ist die Anzahl sogar doppelt so hoch. Die Politik spiegelt diese gesellschaftliche Vielfalt allerdings nicht angemessen wider: So haben nur 11,3 Prozent der Bundestags- und 7,2 Prozent der Landtagsabgeordneten einen Migrationshintergrund.

Dieses Repräsentationsdefizit schwächt unsere Demokratie. Wenn Menschen in der Politik kein Gehör finden, kann ihr Vertrauen in unsere demokratischen Institutionen erodieren. Und umgekehrt: Durch vielfältige Perspektiven wird die politische Debatte bereichert und unsere politischen Entscheidungen werden besser. Das stärkt unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt.

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Die Gründe für das Repräsentationsdefizit sind vielfältig. Die bestehenden Einwanderungs- und Einbürgerungsgesetze schließen einen großen Teil der Einwanderungsgesellschaft vom demokratischen Beteiligungsprozess aus. Es ist deshalb richtig, dass die Ampelregierung mit der Reform des Staatsbürgerschaftsrechts politische Teilhabe ermöglicht. Dennoch haben die demokratischen Parteien in Deutschland bei der Öffnung ihrer Strukturen noch viel zu tun. Zu häufig treffen Menschen mit Rassismuserfahrungen auf Hürden und Barrieren, die ihr politisches Engagement in Parteien erschweren.

Statut für eine vielfältige Partei

Bei Bündnis 90/Die Grünen haben wir uns auf den Weg gemacht. Als feministische Partei, die aus sozialen Bewegungen entstanden ist und mit ihrem Frauenstatut die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen garantiert, haben wir im Dezember 2020 unser Vielfaltsstatut verabschiedet. Das Statut verankert Maßnahmen zum Abbau von Diskriminierungen in unserer Partei, mit dem Ziel, diskriminierte Gruppen gemäß ihres gesellschaftlichen Anteils auf allen Ebenen zu repräsentieren.

„Die Erhebung zeigt, dass Menschen mit Migrationshintergrund im Vergleich zur Gesamtbevölkerung mit 14 Prozent der Befragten in unserer Partei unterrepräsentiert sind.“

Als erste deutsche Partei haben wir dieses Jahr eine umfassende Erhebung durchgeführt, um ein besseres Verständnis dafür zu bekommen, wie die Repräsentation in unserer Partei auf der Bundes-, Landes- und kommunalen Ebene tatsächlich aussieht.

Die Ergebnisse zeigen: Wir stehen in vielen Feldern gut da – manchmal sogar besser als wir selbst dachten. Unsere Partei ist zweifellos eine feministische, queere und inklusive Partei.

Aber die Erhebung zeigt auch, dass Menschen mit Migrationshintergrund im Vergleich zur Gesamtbevölkerung mit 14 Prozent der Befragten in unserer Partei unterrepräsentiert sind. Das über alle Parteien hinweg bestehende Repräsentationsdefizit von Menschen mit Migrationsgeschichte zeigt sich also auch in unseren Parteistrukturen.

Hürden und Barrieren abbauen

Im Parteiengefüge ist es nicht leicht, einer Minderheit anzugehören. Wenn man mit Vorurteilen konfrontiert wird, stößt man auf Barrieren, die demotivierend wirken. Diskriminierungserfahrungen sind kräftezehrend – auch das kann den Aufstieg erschweren.

„Dort, wo andere wichtige Netzwerke bilden können, fehlt es Minderheiten oft an Ressourcen, um die Parteistrukturen zu navigieren und eine politische Karriere zu bestreiten.“

Immer wieder gegen Barrieren anzukämpfen bedeutet zwei Dinge: erstens muss man viel härter arbeiten, um anerkannt zu werden. Und zweitens kommt man nicht so schnell voran. Dort, wo andere wichtige Netzwerke bilden können, fehlt es Minderheiten oft an Ressourcen, um die Parteistrukturen zu navigieren und eine politische Karriere zu bestreiten.

Als erste vielfaltspolitische Sprecherin meiner Partei ist es meine Aufgabe, unsere Parteistrukturen inklusiver zu machen und Diskriminierungen abzubauen. Dabei begegnen mir Rückhalt, Freude und Enthusiasmus, aber auch Frust und Ungeduld.

Unsere Strategie zur Förderung von Vielfalt in der Partei fußt auf Schulungen, um das Wissen über Diskriminierungsmechanismen auf allen Ebenen der Partei zu verankern. Denn es ist entscheidend, dass wir ein gemeinsames Verständnis für Diskriminierung entwickeln. Erst so ermöglichen wir es unseren Mitgliedern, Diskriminierung zu benennen und gemeinsam Handlungsoptionen für eine diskriminierungskritische Organisationsstruktur zu entwickeln. Denn die Umsetzung unseres Vielfaltsstatuts darf nicht von Einzelnen abhängen, sondern muss als Gemeinschaftsaufgabe begriffen werden.

Gleichzeitig ermächtigen wir Menschen mit Rassismuserfahrung in unserer Partei gezielt dazu, sich einzubringen. Als vielfaltspolitische Sprecherin stelle ich hierfür entsprechende Angebote wie Empowerment-Programme und Vernetzungstreffen zur Verfügung. Selbstvertretungen und Netzwerke wie BuntGrün, eine Gruppe von Parteimitgliedern mit Rassismuserfahrung und Migrationsgeschichte, haben dabei eine besondere Rolle. Sie bieten geschützte Räume für Menschen mit Rassismuserfahrungen und empowern sie. Meine Aufgabe ist es, diese Netzwerke zu stärken.

„Es reicht nicht, wenn einzelne Personen nach vorne gestellt werden und eine Vorbildfunktion ausfüllen. Wir müssen unsere Strukturen für alle ändern.“

Damit Menschen mit Rassismuserfahrung einen Weg in der Politik für sich in Betracht ziehen, braucht es Vorbilder. Aber es reicht nicht, wenn einzelne Personen nach vorne gestellt werden und eine Vorbildfunktion ausfüllen. Wir müssen unsere Strukturen für alle ändern. Unser Statut ist erst dann erfüllt, wenn die Repräsentation von Menschen aus diskriminierten Gruppen über einige wenige Vertreter:innen hinausgeht. Denn die Forschung zeigt, dass die inhaltliche Repräsentation erst dann vollumfänglich gelingt, wenn eine signifikante Anzahl in Entscheidungspositionen repräsentiert ist.

Für dieses Anliegen haben wir zahlreiche Verbündete innerhalb und außerhalb der Partei. Das stimmt mich zuversichtlich. Meinung

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