Ein langer Weg
Wie Einwanderer in den Arbeitsmarkt finden
Teilhabe am Arbeitsleben ist für Eingewanderte wesentlich für die gesellschaftliche Integration. In Hessen werden sie beim Weg in den Job von verschiedenen Projekten gezielt unterstützt. Das größte Problem dabei: Anerkennung von Abschlüssen.
Donnerstag, 26.10.2023, 18:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 26.10.2023, 14:51 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Arbeit gilt als Schlüssel zur Integration. Der Weg zum Job ist für Migrantinnen und Migranten allerdings oft nicht leicht. „Ein großes Problem ist neben der Sprachbarriere die Anerkennung von Abschlüssen“, sagt Angelika Funk vom Beratungsnetzwerk „Bleib dabei“, das vom Mittelhessischen Bildungsverband in Marburg koordiniert und durch das Bundesarbeitsministerium und den Europäischen Sozialfonds gefördert wird.
Die Mitarbeiter des Netzwerkes beraten und unterstützen Zugewanderte bei ihrer Integration in den Arbeitsmarkt. Von 2016 bis 2022 habe das Netzwerk über 3400 Personen beraten, erläutert Funk. Allein 30 Prozent der Ratsuchenden hätten in Arbeit vermittelt werden können, elf Prozent in eine Ausbildung.
„Zu uns kommen oft Akademiker mit Migrationshintergrund, die mit ihrem Uni-Abschluss nichts anfangen können. Das ist für sie sehr frustrierend“, schildert Funk. Gleichzeitig verfügten viele auch über eine geringe Bildung. „Sie sind in ihren Heimatländern nur wenige Jahre zur Schule gegangen und müssen erst mal den Hauptschulabschluss nachholen.“ Ein neuer Schwerpunkt des Netzwerkes liege auf Zugewanderten mit Behinderungen. Für diese sehr unterschiedlichen Ausgangslagen brauche es unterschiedliche Unterstützungsmethoden.
Individuelle Beratung
Ziel des Projektes sei es, Menschen mit Migrationshintergrund mit individueller Beratung in Schule, Ausbildung und Arbeit zu vermitteln. „Arbeit bedeutet Teilhabe an der Gesellschaft“, sagt Funk. Zudem stärke sie Selbstbewusstsein und Zufriedenheit. „Die Menschen fühlen dann wieder, dass sie wichtig sind, etwas leisten können.“ Sie wünsche sich deshalb mehr Chancen für Migrantinnen und Migranten. „Wir würden sie sehr viel schneller in Arbeit bringen wollen.“
Zugewanderten bei der beruflichen Integration helfen will auch das Projekt „Sozialwirtschaft integriert“ der Stadt Kassel. Die Initiative unterstützt Frauen mit Migrationshintergrund aus der Stadt und dem Landkreis Kassel bei dem gesamten Weg von der Ausbildung bis zur Arbeitsaufnahme mit einem individuellen Coaching. „Wir wollen das Potenzial der Frauen mehr in den Fokus rücken“, sagt Bürgermeisterin Ilona Friedrich (SPD), die auch Ideengeberin und Initiatorin des Ausbildungsprojektes ist.
Ziel sei es, sie für Berufe in der Sozialwirtschaft zu qualifizieren und ihnen so eine Perspektive für einen Job in der Pflege, Erziehung oder Hauswirtschaft zu bieten. „Damit wirken wir gleichzeitig dem Fachkräftemangel entgegen, der in diesem Bereich besonders hoch ist“, erklärt Friedrich. Dazu stellt das Projekt jeder Frau eine eigene Coachin beiseite, die ihr hilft, die individuellen Hürden zu meistern.
Frauen brauchen länger
Das sei besonders oft die Kinderbetreuung, sagt Projektleiterin Terhas Andezion. „Frauen brauchen mehr Unterstützung als Männer, die deutlich schneller in Arbeit integriert werden. Sie möchten auch Teil der Gesellschaft sein, einen Mehrwert darstellen und sichtbar sein.“
Dass der Weg in den Job für Migrantinnen länger dauert, bestätigt auch Maria Metzing vom Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung in Berlin. „Nach sechs Jahren sind etwa 70 Prozent der zugewanderten Männer in Arbeit, aber nur 24 Prozent der Frauen“, berichtet sie.
Auch Metzing plädiert dafür, sie früher in Arbeit zu bringen. „Arbeit ist eine sehr wichtige Säule von Integration.“ Sie ermögliche Kontakte, den Aufbau eines Netzwerkes, soziale Teilhabe und finanzielle Unabhängigkeit. Vielen Migrantinnen und Migranten falle es aber schwer, eine adäquate Stelle zu finden. Es fehle teilweise an Zertifikaten. „Bildungsabschlüsse werden in vielen Ländern nicht so erlangt wie in Deutschland.“ Bei anderen würden Abschlüsse nicht anerkannt. „Das ist ein großes Problem.“
Das größte Problem: Anerkennung von Abschlüssen
Eines, dass Nandi van Kallen kennt. Die gebürtige Niederländerin mit Wurzeln im südamerikanischen Surinam kam 2014 nach Kassel. Deutsch hatte sie zwar schon in der Schule gelernt. Dennoch war es für die dreifache Mutter schwer, den Weg in den Arbeitsmarkt zu finden. „Das größte Problem war die Anerkennung meiner Abschlüsse“, sagt sie.
Inzwischen hat van Kallen als eine der ersten Teilnehmerinnen von „Sozialwirtschaft integriert“ eine Ausbildung zur Pädagogischen Fachkraft absolviert und arbeitet in einer städtischen Kita in Kassel. Vor dem Projekt habe sie vieles probiert, aber die Türen hätten sich immer wieder geschlossen, berichtet die 33-Jährige. „Dabei spielte meine Hautfarbe oft eine Rolle.“ Ihr sei wenig zugetraut worden. „Das Projekt hat dazu beigetragen, dass ich wieder sichtbar und ein Teil der Gesellschaft bin.“
Seit dem Start von „Sozialwirtschaft integriert“ im Jahr 2018 wurden laut Friedrich rund 305 Frauen vor allem aus Syrien, Afghanistan, Eritrea, Somalia und der Türkei aufgenommen. Von ihnen seien inzwischen gut 50 in Arbeit. Noch bis 2025 wird das Projekt vom hessischen Sozialministerium finanziert. „Die Stadtverordnetenversammlung hat aber schon beschlossen, es nach Ende der Förderung zu verstetigen und es ohne Geld aus Wiesbaden fortzuführen“, berichtet Friedrich. (epd/mig) Aktuell Wirtschaft
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