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Handy (Symbolfoto) © congerdesign @ pixabay.com (Lizenz), bearb. MiG

Staatsvertrag

Glücksspiel in Deutschland und Suchtprävention

Der neue Glücksspielstaatsvertrag ist in Kraft. Erstmals können Glücksspiele ohne staatliche Beteiligung angeboten werden. Das stellt in der Branche einiges auf den Kopf – und nicht immer zugunsten der Spieler, auch wenn die neuen Regeln Spielerschutz vorgeben.

Dienstag, 12.09.2023, 0:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 20.10.2023, 16:28 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Seit dem 1. Juli 2021 ist der Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) in Kraft. Die meisten neuen Regelungen betreffen Glücksspielanbieter im Netz. Damit haben viele virtuelle Einrichtungen die Chance, ihr Angebot ganz legal und gesetzeskonform zu offerieren. Im Gegenzug sollen Anbieter von Glücksspielen die Rechte der Spieler stärken und suchtpräventive Maßnahmen einführen. Das hört sich zunächst einmal gut an. In Deutschland ist Spielsucht ein weit verbreitetes Phänomen, überdurchschnittlich oft sind Migranten betroffen.

Der Vertrag verspricht durch teilweise Legalisierung mehr Kontrolle und mehr Spielsuchtprävention. Jahrelang war die rechtliche Lage ungeklärt. Sowohl Spieler als auch Betreiber bewegten sich in einer rechtlichen Grauzone.

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Bisher war das Glücksspiel nur in staatlich regulierten Lotterien erlaubt. Die Ausnahme machte das Bundesland Schleswig-Holstein. Dort galt eine Sonderregelung, der sich die anderen Bundesländer jedoch nicht anschlossen. Dieses Verbot in Deutschland missachtete die europäische Rechtsprechung, wonach Anbieter mit einer EU-Lizenz auch in Deutschland tätig sein dürfen. Deshalb verlegten deutsche Betreiber ihren Firmensitz ins europäische Ausland. Bevorzugt wurden Enklaven wie Malta, Curacao und Gibraltar angesteuert. Das führte dazu, dass der Glücksspielmarkt sehr unübersichtlich wurde und illegalen Geschäftspraktiken Tür und Tor eröffnete.

Intentionen des Gesetzgebers

Ein Ziel der Legalisierung ist die Vereinheitlichung des Glücksspielmarktes. Dabei hatten die Bundesländer auch die Suchtprävention im Blick. Die Suchtgefährdung bei online Angeboten stellt ein zunehmendes Problem dar. Betroffene geraten durch die Sucht nicht nur in eine finanzielle Schieflage, sondern werden auch zunehmend ins soziale Abseits gedrängt, Familien gehen daran kaputt, ganze Existenzen können vernichtet werden. Überwachungsmechanismen, die die Spiele-Anbieter bereitstellen müssen, sollen in Zukunft verhindern, dass sich Spieler verschulden. Zudem soll der Jugendschutz gestärkt werden, damit Minderjährige nicht mehr durch die Maschen schlüpfen können und in eine Abstiegsspirale gelangen.

Mit den neuen Regeln soll zudem die ordnungsgemäße Durchführung der Spiele gewährleistet und der Ausbreitung des Schwarzmarktes Vorschub geleistet werden. Zugleich soll die transparente Vereinheitlichung der Regelungen die Marktposition der Betreiber stärken, da sie nun gleichen und damit fairen Wettbewerbsbedingungen unterliegen. Schließlich dürfte auch die Aussicht auf zusätzliche Steuereinnahmen die Entscheidung der staatlichen Gremien beeinflusst haben, dieser Legalisierung zuzustimmen.

Welche neuen Regelungen treten in Kraft?

Die neuen Regelungen betreffen sowohl Spielanbieter als auch die Spieler selbst. Beide müssen sich den neuen Regeln unterwerfen und ihr Angebot bzw. ihr Spiel diesen anpassen. Besonders Anbieter müssen sich künftig zurücknehmen.

Auswirkungen für die Anbieter

Die Betreiber dürfen Lizenzen für Spiele in unbegrenzter Anzahl beantragen. Damit geht jedoch eine Beschneidung des Angebotsspektrums einher. Die Werbung für ihre Produkte wird auf die Nachtzeiten zwischen 21 und 6 Uhr morgens beschränkt.

Zudem gelten auch Einschränkungen bei einzelnen Spielen. Der Einsatz ohne Limit beispielsweise war gestern, heute sind die Einsätze auf einen Euro pro Spiel begrenzt. Zudem werden Spieler regelmäßig über Gewinne und Verluste informiert. Ein sogenannter Panikknopf, den Spieler in Eigeninitiative betätigen können, sorgt dafür, dass er für 24 Stunden vom Spielbetrieb ausgeschlossen wird. Diese Einschränkungen gefallen den Betreibern aus naheliegenden Gründen weniger.

Auswirkungen auf die Spieler

Das Suchtpotenzial tritt dann besonders hervor, wenn Spieler versuchen, erlittene Verluste durch krampfhaftes Zocken zu amortisieren. Um eine überdimensionale Verschuldung zu vermeiden, setzt der Gesetzgeber auf Limits. So darf der Einzelne nicht mehr als 1.000 Euro monatlich in die Hand verspielen. Eine zeitgleiche Anmeldung bei mehreren Anbietern soll nicht mehr möglich sein. Besonders risikoreiche Spiele wie Poker, Baccarat und Roulette bleiben den Präsenz-Spielebanken vorbehalten. In Sachsen-Anhalt soll eine bundeseinheitliche Kontrollinstanz auf Ministeriumsebene gegründet werden, die über die Einhaltung der neuen Beschränkungen wacht.

Der neue GlüStV in der Kritik

Die Legalisierung wird vordergründig von allen Beteiligten begrüßt. So darf nun auch im Netz offiziell um echtes Geld gespielt werden. Manche sehen die strikten Einschränkungen, die mit den hohen Sicherheitsstandards einhergehen, allerdings als zu radikal an. Sie befürchten eine Flucht gerade der suchtgefährdeten Spieler in die weiterhin bestehenden ausländischen Anbieter, in denen das komplette Spielangebot ohne Limits genutzt werden kann.

Einige kritisieren die Vernachlässigung des Datenschutzes, wenn Zahlungen offengelegt werden müssen. Konservative Meinungen gehen von der Gefahr aus, dass die Legalisierung eine neue Generation Spielsüchtiger kreieren wird. Wie sich der neue Vertrag in der Realität auswirkt, wird die nahe Zukunft zeigen. Nur eins ist sicher: Über die Gefahren von Spielsucht muss unbedingt mehrsprachig aufgeklärt werden. (dd) Panorama

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