Rassismus im Thermalbad
Auf Burkini-Verbot folgt unmoralisches Angebot statt Entschuldigung
Eine Muslima in einem Burkini wird aus dem Thermalbad verwiesen - mit Verweis auf die Badeordnung des Hauses. Erst nach Intervention ändert das Bad seine AGBs. Statt einer Entschuldigung folgt ein unmoralisches Angebot. Ein Erfahrungsbericht:
Von Prof. Dr. Sabine Schiffer Montag, 11.09.2023, 21:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 01.02.2024, 17:57 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Sie kamen zu zweit: ein junger Bademeister und eine etwas ältere Dame aus der Verwaltung. Letztere fordert die Muslimin im Burkini auf, das Thermalbad zu verlassen. Ihre lange Badebekleidung würde dem Thermalwasser schaden. Außerdem sei es für sie zu gefährlich, da ihr im warmen Wasser schlecht werden könnte – dieser Fürsorge-Frame dürfte Musliminnen bekannt sein. Sie bekomme natürlich ihr Eintrittsgeld zurück, aber sie könne sich auch im kleinen Laden im Eingangsbereich einen anderen Badeanzug kaufen.
Die Erklärungen der Betroffenen verhallten in der großen Halle: Sie sei nicht zum Vergnügen im Thermalbad, es sei ihr von der kooperierenden Kurklinik verordnet worden und sie war bereits einmal in der warmen Therme, die ihr gutgetan habe. Sie habe den Aufenthalt genossen und es sei auch nicht beanstandet worden. Ihr Anzug sei zudem aus Badeanzugstoff, sie nutze ihn unbeanstandet im Kurbad. Auf ihre Frage, inwiefern dieser Stoff dem Thermalwasser schaden könne, erhielt sie keine Antwort.
Auch eine Intervention von außen, dass es sich hier um Rassismus handele, half nicht. Die 55-Jährige musste das Bad verlassen. Sie beschwerte sich bei der Kurleitung, die aber zunächst abwehrte mit dem Verweis auf ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Darin stehe explizit, dass das Tragen eines Burkinis verboten sei. Unter Paragraf 7 Absatz 1 heißt es dort: „Ein Burkini oder ‚doppelte‘ Badehose ist keine übliche Badebekleidung“.
Ich wollte und konnte es nicht dabei belassen und intervenierte mit folgender Mail an das Thermalbad und setzte eine angemessene Frist zur Beantwortung:
Sehr geehrte Damen und Herren,
da ich bisher noch keine Rückmeldung von der Pressestelle erhalten habe, schicke ich Ihnen nun schon einmal vorab meine Interviewfragen zur besseren Vorbereitung und zur Weiterleitung an die Kommunikationsverantwortliche sowie Herrn …:
1. Aus den AGB der Therme geht hervor, dass sowohl Burkini wie auch lange und doppelte Badeshorts im Wasser nicht erlaubt sind.
1.a Welche wissenschaftlichen Nachweise oder belegten Erfahrungswerte gibt es, dass diese Kleidungsstücke die Wasserqualität reduzieren?
1.b Wie garantieren Sie die konsequente Umsetzung dieser Bestimmung? Am Abend des …, als eine Frau mit Burkini des Bades verwiesen wurde, wurden ein Mädchen mit einem T-Shirt, eine Frau mit Radlerhose und einem Trägerkleid sowie sämtliche Männer (sic!) mit langen Boxershorts bis auf die Knie (die üblicherweise eine Innenhose haben) gesichtet und nicht von der Badeleitung angesprochen.
2. Die Wissenschaft unterscheidet streng zwischen Intention und Potenzial. Demgemäß würde auch ich niemals davon ausgehen, dass jemand absichtlich rassistisch handelt – dennoch gibt es die Möglichkeit auch ungewollt diskriminierend zu handeln. Dies zur Erklärung meiner Prämisse, bevor ich Sie frage:
Kennen Sie dieses Urteil? Und wie würden Sie nach Kenntnisnahme der Feststellungen in dem Urteil Ihre AGB beurteilen (ad. 1a…)?
Für die Beantwortung der Fragen bedanke ich mich im Voraus! Bei Unklarheiten stehe ich für Rückfragen gerne zur Verfügung – auch unter meiner Mobilnummer…“
Weil die Frist ohne Antwort verstrich, warf ich einen erneuten Blick auf die AGB und siehe da, sie lauteten nun so in Paragraf 7 Absatz 1: „Der Aufenthalt im Nassbereich der Bäder ist nur in üblicher Badekleidung aus geeignetem Material zum Schwimmen gestattet. Unterhosen unter der Badehose und andere Alltagsbekleidung, die nicht ausdrücklich zum Schwimmen geeignet ist, sind im Becken nicht gestattet.“
Kein Grund also, weiter zu insistieren – dachte ich. Die Streichung des „Burkini“ ist nur recht und rechtens. Allerdings hätte ich mir für die Verwiesene eine Entschuldigung und eine Wiedergutmachung, zum Beispiel einen Gutschein, gewünscht; eine Geste der Anerkennung der Übergriffigkeit ihr gegenüber.
Überraschend erreicht mich dann aber doch noch eine Antwort aus der Verwaltung des Thermalbads, die hier zu Dokumentationszwecken und anonym veröffentlicht wird:
„Sehr geehrte Frau Prof. Dr. Schiffer,
vielen Dank für Ihre E-Mail. Bereits vor einiger Zeit haben wir unsere Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Bezug auf unsere Kleiderordnung angepasst. Wir bedanken uns sehr für Ihren Hinweis und die Möglichkeit dies in Ihrem Interview entsprechend zu erklären. Allerdings bitten wir Sie um Ihr Verständnis, dass wir uns als Kur- und Erholungsbad gerne mit Themen wie Gesundheit, Sauna und Freikörperkultur beschäftigen und dies selbstverständlich auch mit Ihnen teilen. Hierin liegt unsere Kernkompetenz. Wir und unser Team ist sehr bemüht all` unseren Gästen erholsame und friedliche Aufenthalte zu ermöglichen. Dürfen wir Sie in unsere schöne Therme einladen, damit Sie sich vor Ort einen Eindruck verschaffen können? Gerne teilen Sie uns einfach einen Wunschtermin mit – die wundervollen und liebevollen Leistungen unserer Therme beinhalten so viel mehr als Paragrafen und Allgemeine Geschäftsbedingungen. Wir sind ausschließlich dazu da, Ihnen einem genussvollen und angenehmen Aufenthalt in unserem Hause zu bieten. Fernab der lauten und viel zu schnellen Welt außerhalb unserer Türen. [sic!]
Mit freundlichen Grüßen“
Ich lese diese Einladung, die Verwöhnung statt AGBs und Beantwortung meiner Interviewfragen verspricht, als ein unmoralisches Angebot. Angebrachter wäre eine Entschuldigung bei der Betroffenen und deren Einladung.
Eine Moral hat dieser Vorfall dennoch: Zivilcourage und Intervention lohnen sich immer – als Betroffene oder Außenstehende.
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