Fünf Jahre Grenzpolizei
Bayerns „Frontex“ bleibt Streitthema
Markus Söder hatte 2018 kaum das Amt des Ministerpräsidenten übernommen, da machte schon seine Idee der Grenzpolizei die Runde. Fünf Jahre später ist sie weiter umstritten. Söder spricht von Erfolg, Grüne sprechen von Etikettenschwindel.
Von Marco Hadem und Sebastian Schlenker Mittwoch, 02.08.2023, 18:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 02.08.2023, 13:30 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Fünf Jahre nach der Einführung der bayerischen Grenzpolizei verfügt die Einheit noch immer nicht über die im Wahlkampf 2018 angekündigten 1.000 Stellen für Polizisten. Nach Angaben des Innenministeriums auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur gibt es aktuell 819 Einsatzkräfte, darunter die 480 Polizisten, die bereits vor der Einführung als Schleierfahnder in Bayern unterwegs waren. Bis 2025 soll die Zahl der Beamten dann auf 1.000 ansteigen – dies sollte eigentlich bereits 2023 der Fall sein.
Die Gründung der bayerischen Grenzpolizei 2018 war eine der ersten Schwerpunktsetzungen von Markus Söder nach dessen Wahl zum Ministerpräsidenten. Anfangs hatte es geheißen, damit solle insbesondere verhindert werden, dass Menschen ohne Einreiseerlaubnis nach Bayern kommen. Die populistisch gefärbte Einführung war damals auch eine Reaktion auf die hohen Zuwanderungszahlen. Passend zum Wahlkampf 2023 fordert Söder nun vom Bund eine Grenzpolizei mit 10.000 Kräften für ganz Deutschland nach bayerischem Vorbild.
„Eine Art Bayern Frontex“
Nach Angaben von Söder ist die Bilanz in Bayern sehr gut: „In fünf Jahren rund 80.000 Fahndungserfolge bei den Sicherheitskontrollen. Unserer Grenzpolizei sind Menschenhändler, Waffenschieber, Drogenhändler, Urkundenfälscher und Terrorverdächtige ins Netz gegangen“, sagte er jüngst der „Welt am Sonntag“. Wie das Verhältnis zwischen Aufwand und Fahndungserfolg ist, darüber machte Söder keine Angaben.
Schon zum einjährigen Bestehen 2019 nannte Söder die Einheit „eine Art Bayern Frontex“ und sprach von einem „Mega-Erfolg“. Dabei wurden damals im ersten Jahr bei 362 Kontrollen direkt an der deutsch-österreichischen Grenze nur 34 Menschen wegen ausländerrechtlicher Delikte aufgegriffen und an die Bundespolizei übergeben. 15 davon wurden nach Angaben der Bundespolizei direkt an der Grenze zurückgewiesen.
Kontrollen auf Grenz-Strecken
In den Statistiken der Grenzpolizei finden sich auch Fahndungstreffer gegen Drogendelikte, Verbrecher und Kriminelle. Wie einst die Schleierfahnder kontrolliert die Grenzpolizei primär auf den Hauptverkehrsstrecken aus dem Ausland und ins Ausland Reisende ohne konkreten Verdacht. Eine Vereinbarung zwischen Bund und Freistaat sieht vor, dass die Grenzpolizisten auch Kontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze durchführen dürfen, aber nur mit Erlaubnis des Bundes.
MiGAZIN-Info: Die sogenannten verdachtsunabhängigen Polizeikontrollen treffen ganz überwiegend ausländische gelesen Menschen. Deshalb werden sie „racial profiling“ genannt: Personenkontrollen in Zügen oder auf öffentlichen Plätzen aufgrund äußerlicher Merkmale wie Aussehen oder Hautfarbe. Das ist rechtswidrig, wie bereits mehrere Gerichte gegen diese Polizeipraxis entschieden haben. Menschenrechtsorganisationen fordern seit Langem die Einstellung dieser rassistischen Praxis.
Bayern geht mit der Grenzpolizei einen Sonderweg. Sie war bereits 1948 eingeführt und unter anderem für die Kontrollen an Grenzübergängen und Flughäfen in Bayern eingesetzt worden. 50 Jahre später, nach dem Wegfall der Grenzkontrollen zur ehemaligen DDR, der Aufhebung der Kontrollen an der Grenze zu Österreich und der Aufweichung der Grenzsituation nach Tschechien wurde sie zunächst aufgelöst.
Grüne sprechen von Etikettenschwindel
Die neue Gründung der Grenzpolizei war dann von Anfang an auch auf Kritik gestoßen. Teile der Opposition hielten und halten Söders Prestigeprojekt für verfassungswidrig, da der Grenzschutz einzig Sache des Bundes ist. 2020 urteilte dies auch der Bayerische Verfassungsgerichtshof. Er betonte aber auch, dass zwar die Rechtsgrundlage teilweise gegen die Verfassung verstoße, es aber keine verfassungsrechtlichen Zweifel an der generellen Wiedereinführung der Grenzpolizei gebe.
Für Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze ist die Grenzpolizei „ein ausgemachter Etikettenschwindel“: „Großes Brimborium, weil Markus Söder wie üblich die Schlagzeile wichtiger war als der Inhalt.“ Seriöse Sicherheitspolitik sehe anders aus: Die zusätzlichen Stellen bei der Grenzpolizei würden an anderen Orten dringender benötigt, etwa bei der Polizei in der Fläche, also im ländlichen Raum, oder bei Experten im IT-Bereich. „Dazu brauchen wir auch mehr grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Polizeibereich.“ Und sie verweist auch darauf, dass auch in anderen Bundesländern die Asylbewerberzahlen zwischen 2016 und 2018 deutlich gesunken seien – auch ohne Landes-Grenzpolizei. (dpa/mig) Aktuell Politik
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