Bayerische Grenzpolizei
Wahlkampfschlager gegen Flüchtlinge teilweise verfassungswidrig
Sie gilt als Prestigeprojekt von Ministerpräsident Söder: die 2018 wiedereingeführte bayerische Grenzpolizei gegen die Flüchtlingseinwanderung. Nun hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof entschieden, dass sie in Teilen verfassungswidrig ist.
Von Christiane Ried Montag, 31.08.2020, 5:19 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 30.08.2020, 21:45 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die 2018 auf Ansinnen von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) wiedereingeführte bayerische Grenzpolizei verstößt teilweise gegen die Verfassung des Freistaats. Der grenzpolizeiliche Fahndungsdienst sei zwar per Gesetz unbestritten eine Aufgabe des Landes, heißt es im am Freitag verkündeten Urteil des Bayerischen Verfassungsgerichtshof: „Es unterliegt daher keinen verfassungsrechtlichen Zweifeln, dass der Freistaat Bayern zur Erfüllung dieser Aufgabe eine Bayerische Grenzpolizei als Teil der Landespolizei errichten kann.“ Das Gericht allerdings sieht das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit verletzt.
Der Bund habe den Freistaat Bayern nicht durch Bundesgesetz ermächtigt, Grenzschutzrecht zu erlassen, begründeten die Richter. Die CSU sieht sich durch das Urteil bestätigt, die klagenden Grünen nennen das CSU-Prestigeprojekt „nur noch eine leere Hülle“. Geklagt hatten die Grünen-Landtagsfraktion und deren Vorsitzende Katharina Schulze – und zwar gegen Artikel 5 im Polizeiordnungsgesetz (POG), der die Wiedereinführung der bayerischen Grenzpolizei regelt, und gegen Artikel 29 im Polizeiaufgabengesetz (PAG), das die Befugnisse der bayerischen Grenzpolizei bei Grenzkontrollen regelt.
CSU zufrieden mit Urteil
Beide Vorschriften verletzten das Rechtsstaatsprinzip, so die Auffassung der Grünen. Dem Freistaat stehe keine Gesetzgebungskompetenz zum Erlass des Artikels 29 PAG zu, weil für Grenzschutzrecht ausschließlich der Bund zuständig sei. Die Klage sei im Hinblick auf die Zuweisung von Befugnissen an die bayerische Grenzpolizei in Artikel 29 PAG erfolgreich, teilte das Gericht weiter mit. Dagegen werde die Wiedererrichtung der bayerischen Grenzpolizei als solche (Artikel 5 POG) nicht beanstandet.
Die CSU zeigte sich mit dem Urteil zufrieden: „Die Errichtung der bayerische Grenzpolizei ist rechtens. Es fällt lediglich eine Befugnisnorm weg, die für die tägliche Arbeit unserer engagierten Beamtinnen und Beamten im Einvernehmen mit dem Bund nichts ändert“, teilte der Parlamentarische Geschäftsführer und Prozessbevollmächtigte der CSU-Fraktion im Landtag, Tobias Reiß, mit.
Grüne: CSU-Prestigeprojekt ist „nur noch eine leere Hülle“
Zufrieden zeigten sich auch die Grünen im bayerischen Landtag: „Das CSU-Prestigeprojekt ‚bayerische Grenzpolizei‘ ist nur noch eine leere Hülle. Das Gericht gibt uns recht: Grenzschutz ist Bundessache“, sagte die Fraktionsvorsitzende der Landtags-Grünen, Katharina Schulze. Der PAG-Artikel 29 sei verfassungswidrig und verstoße gegen das Rechtsstaatsprinzip. „Alle Befugnisse, selbst als eigenständiger bayerischer Grenzschutz tätig zu werden, – wie ursprünglich von Ministerpräsident Söder angekündigt – sind null und nichtig“, sagte Schulze. Die Polizisten würden statt an den Grenzen dagegen dringend in der Fläche gebraucht.
Für die Sicherung der Grenzen sei nach dem Grundgesetz die Bundespolizei zuständig, teilte der innenpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Stefan Schuster, mit. In mehreren Berichten des Innenausschusses sei bereits festgestellt worden, dass die Grenzpolizei kaum grenzpolizeiliche Aufgaben wahrnehme. Die eingesetzten Beamten konzentrierten sich auf die Schleierfahndung, die sie so auch schon vor Gründung der Grenzpolizei wahrgenommen hätten, kritisierte Schuster.
Wahlkampfschlager gegen Flüchtlinge entzaubert
Der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Alexander Muthmann, sagte, dass Söders Wahlkampfschlager „Bayerische Grenzpolizei“ durch das Urteil entzaubert worden sei. „Befugnisse wie das Betreten von Grundstücken und die Durchsuchung von Gegenständen fallen ausschließlich in den Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei.“
Die Wiedereinführung der Bayerischen Grenzpolizei, die 1998 wegen der wegfallenden Grenzkontrollen in der EU abgeschafft wurde, galt als Prestigeprojekt des damals frisch ins Amt gekommenen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU). So wollte er Kritikern zufolge mit einer harten Gangart in der Debatte um den anhaltenden Flüchtlingszuzug abgewanderte CSU-Wähler von der AfD wieder zurückholen. Laut Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hat die bayerische Grenzpolizei seit ihrer Wiedereinführung in Zusammenarbeit mit dem Bund bei Grenzkontrollen und bei der Schleierfahndung rund 67.000 Straftaten oder Verkehrsdelikte aufgedeckt und Fahndungstreffer erzielt. (epd/mig) Aktuell Recht
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