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MiGAZIN Kolumnist Sven Bensmann © privat, Zeichnung MiG

Nebenan

Korruption und Vorurteil

Das Abgeordneten-Lobby-Problem kann man lösen. Dass der Verfassungsschutz die Junge Alternative beobachtet, ist aber gefährlich. Hoffentlich werden es nicht V-Männer zu lösen versuchen.

Von Montag, 01.05.2023, 13:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 02.05.2023, 15:10 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Letzte Woche gab es kurz eine Diskussion darüber, was Bundestagsabgeordnete neben ihrer Tätigkeit noch arbeiten und verdienen dürfen, wie oft sie Talkshows besuchen oder sich für Porsche … hm, nee, das muss ich geträumt haben, vor allem ging es dann doch um die Wagenknecht und ein paar andere.

Dabei muss doch natürlich gelten: Sollen sie so viel nebenher verdienen und arbeiten, wie sie wollen. Es gilt aber auch: Die Abgeordneten erhalten ihre Diäten als Entschädigung dafür, eben nicht arbeiten zu können, um dennoch eine Lebensführung zu gestatten, die der Bedeutung des Amtes angemessen ist.

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Eine moralische Einschätzung darüber, ob es der Bedeutung des Amtes angemessen ist, sich beispielsweise als Finanz- oder Verkehrsminister von Porsche regelmäßig … zu lassen oder sich im ZDF-Kindergarten mit anderen Bundestagsabgeordneten über Eimerchen und Schäufelchen zu streiten, soll jeder für sich entscheiden. Wer Hunderttausende Euro nebenbei verdient hat aber eines sicher nicht nötig: eine Entschädigung dafür, nicht nebenher verdienen zu können.

Und es würde sich ja recht einfach per Bundesgesetz lösen lassen: Wer mehr als, sagen wir, ein Drittel seiner Diät nebenbei verdient, für den ist das Mandat offenkundig keine Haupttätigkeit mehr, sondern nur ein Mandat unter mehreren – und der verliert damit dann eben seine Ansprüche auf Entschädigungen, auf Diäten und auf Altersentschädigung, rückwirkend und vollständig.

„Und bei Abschaum, da landen wir vom Regen unter Umgehung der FDP ganz schnell bei der AfD.“

Mir ist dabei durchaus klar, dass dies ein neues Problem schafft: Da treiben sich dann Leute im Bundestag herum, die Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen, die dafür aber von der Privatwirtschaft und nicht vom Volk bezahlt werden? Richtig, und diese Menschen nennen wir Lobbyisten. Und Lobbyisten haben kein Mandat, kein Stimmrecht, solange sie nicht in einer besonders schamlosen Partei organisiert sind. Mit dem Anspruch auf Entschädigung würde also zwangsläufig auch das Bundestagsmandat erlöschen.

Und wenn erst einmal all die Mietmäuler der Industrie raus sind, wird sich für Lobbyismus allgemein sicher auch ein gangbarerer Pfad finden, als dies heute der Fall ist.

Case closed. Das heißt, wir haben noch jede Menge Zeit übrig – die Stunde endet erst dann, wenn der Lehrer sagt, dass sie endet.

Und dieser Lehrer muss erst noch mal wieder über Nazis reden. Denn wie schon eine mäßig bekannte Band sagte: Ich könnte mich um schöne Dinge kümmern – stattdessen müssen wir uns um den Abschaum kümmern.

Und bei Abschaum, da landen wir vom Regen unter Umgehung der FDP ganz schnell bei der AfD. Genauer bei deren Stink-Tank (heißt das so?) „Institut für Staatspolitik“ und der „JA“ – was in diesem Falle aber nicht für die Billigmarke eines deutschen Einzelhändlers, sondern die intellektuelle Bankrotterklärung von Teilen der deutschen Jugend, lies: die Jugendorganisation der „AfD“, steht. Beide sind diese Tage vom Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft worden. Duh!

„Beobachtung: Es sind genau diese Mittel, die einst die heutige rechtsextreme Szene in Ostdeutschland finanziert und aufgebaut haben.“

Während CDU, CSU und FDP also auf lokaler und teils Landesebene weiter allzu oft wenig Berührungsängste zur AfD haben, sind die zwei wohl wichtigsten Vorfeldorganisationen der Partei, deren Mitglieder personell wie ideell direkt auf die Partei einwirken, so offen rechtsextrem, dass es selbst dem Verfassungsschutz auffällt, dem jahrelang entgangen war, dass sein eigener Bundeschef ein, sagen wir es mal vorsichtig, fremdenfeindliches Nazischwein war. Und den Maaßen haben wir alle auch noch nicht vergessen.

Was das nun bedeutet, darüber müssen wir unbedingt reden. Denn die Einstufung erlaubt es dem Verfassungsschutz, die Organisationen mit allen nachrichtendienstlichen Mitteln zu überwachen. Und die Geschichte hat gezeigt, was das bedeutet: Es sind genau diese Mittel, die einst nicht nur dazu beigetragen, sondern hauptsächlich dafür verantwortlich waren, die heutige rechtsextreme Szene in Ostdeutschland aufzubauen, rechtsextremen Aktivisten ihren Aktivismus durch eine parallele Tätigkeit als V-Mann zu finanzieren, den NSU zu erschaffen und die NPD als Sammelbecken der Naziszene zu etablieren – eine Form semi-illegaler Parteienfinanzierung, wenn man so will.

Mit illegaler Parteienfinanzierung hat – und da schließt sich der Kreis – aber ja auch die AfD bereits reichlich Erfahrungen gesammelt. Es wird sich also sehr bald zeigen, ob der Verfassungsschutz mittlerweile wirklich gelernt hat, oder ob in den nächsten Monaten und Jahren die rechtsextreme Szene von unerklärlichen Finanzspritzen insbesondere in den rechtsextremen Flügel wird profitieren können, die die Gesamtpartei noch einmal weiter nach rechts rücken und gleichzeitig ihren politischen Erfolg fördern.

Spätestens dann wird eine Diskussion darüber, ob wir uns diesen Verfassungsschutz wirklich weiter leisten sollten, unumgänglich werden. Da ist mir die dreiste und öffentliche Korruption der FDP fast lieber: Die Bevölkerungsgruppe, die diese Partei vertritt, macht einen Anteil mindestens unter 3 Prozent, wenn nicht noch weniger, aus. Und der Rest hat in den letzten Landtagswahlen ja bereits deutlich gemacht, dass er auf die schwarz-weißen Vorlagen der Partei offensichtlich nicht mehr hereinfällt. Meinung

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