Migration und Klimaschutz
Nadelöhr der Energiewende: Fehlende Fachkräfte
Deutschland tut sich schwer mit der Anwerbung ausländischer Fachkräfte. Wichtig ist daher auch, junge Azubis anzuwerben. Davon hängt mit ab, ob Deutschland die Energiewende umsetzen kann.
Von Kai Simmerl Donnerstag, 19.01.2023, 16:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 19.01.2023, 14:28 Uhr Lesedauer: 5 Minuten |
Weltweit haben sich die Staaten im Pariser Abkommen verpflichtet, die Erhitzung auf deutlich unter zwei Grad, möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen. Deutschland möchte bis 2045, die EU bis 2050 klimaneutral werden. Dies gelingt nur mit einem zügigen Ausbau erneuerbarer Energien. Im April 2022 hat die Bundesregierung mehrere Gesetzesvorlagen zum beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien verabschiedet. Bis 2030 will Deutschland 80 Prozent seines Stromes aus erneuerbaren Quellen gewinnen.
Doch um diese politischen Vorhaben umzusetzen, bedarf es einer großen Zahl passend qualifizierter Fachkräfte. Der Fachkräftemangel beim Ausbau erneuerbarer Energien wird auch in der im Oktober 2022 veröffentlichten Fachkräftestrategie der Bundesregierung adressiert. Im Fokus stehen dabei Aus- und Weiterbildung, die Erhöhung der Erwerbsbeteiligung, insbesondere bei Frauen und Älteren, die Verbesserung der Arbeitsqualität und nicht zuletzt eine moderne Einwanderungspolitik.
„Wir brauchen vor allem auch mehr Offenheit für ausländische Fachkräfte“, sagte Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister, Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) 2022 zur Fachkräftestrategie. „Für mehr Fachkräfte-Einwanderung brauchen wir wiederum mehr Klarheit, an welche Bedingungen wir dies knüpfen. (…) Wir brauchen Fachkräfte in vielen Bereichen, aber vor allem auch für die Energiewende und den Klimaschutz. Hier wird mein Haus zusammen mit den Handwerkskammern und Verbänden eigene Akzente setzen. Ich sehe hier eine große Bereitschaft, neue Qualifizierungsmöglichkeiten anzugehen und die Aus- und Weiterbildung attraktiver zu machen.“
Fachkräftelücken in der Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik sowie der Bauelektrik
Steigenden Fachkräftebedarf gibt es im Zusammenhang mit der Energiewende in vielen Bereichen, beispielsweise bei der energetischen Sanierung von Gebäuden und dem Ausbau von Wärmepumpen. Das Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (KOFA) am Institut der deutschen Wirtschaft hat analysiert, welche Fachkräfte für den Ausbau der erneuerbaren Energien benötigt werden: Die Studie „Energie aus Wind und Sonne – Welche Fachkräfte brauchen wir?“ sieht beispielsweise große Fachkräftelücken in der Bauelektrik, der Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik sowie der Informatik.
In den Ausbildungsberufen, die für den Ausbau der Solarenergie notwendig sind, würden aber weniger Ausbildungsplätze angeboten als noch vor zehn Jahren. Dies gefährde den Nachschub an ausreichend passend qualifiziertem Nachwuchs für die Energiewende, zumal viele der Ausbildungsberufe auch in anderen Branchen benötigt werden.
„Elektrik-Fachkräfte stellen nicht nur für den Ausbau der Solar- und Windenergie einen der zentralen Schlüsselberufe dar – auch für andere Zukunftsaufgaben wie die Förderung von Elektromobilität und Energieeffizienz sind sie essenziell. Unternehmen sollten deshalb verstärkt mit attraktiven Ausbildungsangeboten in einer zukunftsträchtigen Branche werben“, so Studienautorin Anika Jansen vom KOFA.
Von Ingenieur:innen aus den Bereichen Elektro(technik) und Maschinenbau, über Informatik-Expert:innen bis hin zu Fachkräften für Verwaltung und Forschung– die Liste der Mangelberufe ist lang. Insgesamt fehlen laut der KOFA-Studie in den Bereichen, die für den Ausbau der Solar- und Windenergie relevant sind, schon jetzt mehr als 200.000 Fachkräfte, allein bei der Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik waren es im Jahresdurchschnitt 2021/2022 mehr als 14.000. Die Windenergie brauche mehr Akademiker:innen als die Solarenergie, in der vor allem Handwerker:innen Fotovoltaikanlagen auf privaten und gewerblichen Gebäuden installieren. Daher leide die Solarenergie besonders unter der gestiegenen Studierneigung des Nachwuchses.
Internationale Fachkräfte, Auszubildende und Studierende gewinnen
Eine Handlungsempfehlung des KOFA an die deutsche Politik ist daher auch, internationale Fachkräfte sowie Auszubildende und Studierende zu gewinnen. Aufgrund des demografischen Wandels werde es in Zukunft noch schwerer, den Fachkräftebedarf mit inländischen Potenzialen zu decken. Es bedürfe der vermehrten Rekrutierung ausländischer Fachkräfte und ausländischer Ausbildungs- und Studieninteressent:innen. Die Einwanderung ins Bildungssystem böte auch den Vorteil, dass Auszubildende und Studierende während ihrer Qualifizierungsphase Zeit haben, die entsprechenden Sprachkenntnisse zu erlernen. Die Politik könne hier durch erleichterte Zugangswege und die Förderung von Spracherwerb unterstützen.
„Froh sein, wenn überhaupt genügend Menschen einwandern.“
„Wir müssen uns von dem Gedanken verabschieden, nur noch fertig ausgebildete Fachkräfte nach Deutschland zu holen. Ob qualifiziert oder unqualifiziert: Wir können froh sein, wenn überhaupt genügend Menschen einwandern“, warnte Holger Schäfer vom Institut der deutschen Wirtschaft. Einwander:innen könnten auch in Deutschland noch ausgebildet werden. Um den durch den demografischen Wandel prognostizierten Rückgang an Arbeitskräften abzufedern, brauche es einen jährlichen Zuwachs von 400.000 Erwerbstätigen. Berücksichtige man, dass über eine Million Menschen in Deutschland jedes Jahr abwanderten, müssten fast 1,5 Millionen Menschen pro Jahr einwandern.
Migration: Anpassen an den Klimawandel und Beitrag zum Klimaschutz
Eine weitere Handlungsempfehlung des KOFA lautet, das Ausbildungsmarketing für Solar- und Windenergieberufe auszubauen. Viele der Ausbildungsberufe, die für die Solar- und Windenergie relevant sind, wie Elektroniker:in oder Anlagenmechaniker:in für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik, würden von vielen auf den ersten Blick nicht mit ihrer Bedeutung für die Energiewende in Verbindung gebracht.
Das Handwerk hat bereits entsprechende Kampagnen geschaltet: „Mondays, Tuesdays, Wednesdays, Thursdays und Fridays for Future“, heißt es auf der Kampagnenwebseite des Deutschen Handwerkskammertags (DHKT) e.V. Der Zentralverband Sanitär Heizung Klima (SHK) betont in der Kampagne „Zeit zu starten“: „Klimaschutz ist nicht mit Reden getan – Klimaschutz ist Arbeit, und Fachhandwerker:innen des SHK-Handwerks erledigen sie jeden Tag.“ Die Berliner Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales fördert im Rahmen der Ausbildungsinitiative für Geflüchtete „Arrivo Berlin“ auch das Projekt „Arrivo Berlin SHK“. Projektmitarbeiterin Theresa Bischof sagte: „Das Thema ‚Folgen der Klimakrise‘ ist für einige unserer Teilnehmer:innen als eine der wichtigen Fluchtursachen besonders präsent. Und das Interesse an Berufen mit Zukunft steigt.“
Migration kann also sowohl eine Form der Anpassung an die Folgen des Klimawandels sein, als auch einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten. (ks) Meinung
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Zugleich beklagen sich linke das wir damit den „Brain Drain“ in den anderen Ländern verstärken würden.
Und – die Zuwanderung von Fachkräften oder Migration ins -Bildungssystem- wären ja toll, nur ist es leider aktuell eher eine zuwanderung ins Sozialsystem.
Wir haben seit Jahren Netto-Zuwanderung, insofern müssten wir doch eigentlich mehr als genug haben! Leider ist das nicht der Fall, aber eine stetig steigende Zahl geringqualifizierter hilft hier leider auch nicht.
Statt noch mehr von außen wäre es sinnvoller die Zahl die hier ist zu halten und erst mal für diese Zahl zu sorgen. Lehrer, Wohnraum usw.