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Polizeiabsperrung (Symbolfoto) © de.depositphotos.com

Polizeifunk ausgewertet

Tödlicher Einsatz in Dortmund: 16-Jähriger vor Polizeischüssen nicht gewarnt

Beim tödlichen Polizeieinsatz in Dortmund gegen den 16-jährigen Mouhamed hat die Polizei offenbar grob gegen Vorschriften verstoßen. Sie habe den auf dem Boden sitzenden Jugendlichen ohne Vorwarnung angegriffen und binnen weniger Sekunden erschossen.

Sonntag, 20.11.2022, 19:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 19.12.2023, 18:50 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Offenbar gab es beim tödlichen Polizeieinsatz im August in Dortmund massives Polizeiversagen. Wie WDR berichtet soll der 16-jährige Mouhamed Dramé vor den tödlichen Polizeischüssen nicht von den eingesetzten Polizeibeamten gewarnt worden sein. Auch der Einsatz von Reizgas und Elektroschocker sei von den Polizisten nicht angekündigt worden.

Wie WDR berichtet, sollen am Einsatz beteiligte Polizisten ausgesagt haben, dass Mouhamed zu keinem Zeitpunkt aggressiv gewesen sei und die ganze Zeit nach unten geschaut habe. Erst nach dem Pfefferspray-Einsatz auf Anordnung des Einsatzleiters – und zwar die ganze Flasche – sei die Situation eskaliert. Wie aus den Auswertungen des Dortmunder Polizeifunks hervorgehe, liege zwischen dem Einsatz des Pfeffersprays und den fast zeitgleichen Taser- und Maschinenpistolen-Schüssen gerade einmal 16 Sekunden.

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Experte fordert gerichtliche Aufarbeitung

Polizeiwissenschaftler Thomas Feltes sieht den Angriff gegen den 16-Jährigen ohne Vorwarnung sehr kritisch: „Damit wurden wichtige Standards beim Einsatz von Pfefferspray, Taser oder auch der Schusswaffe verletzt. Vor allem wenn eine Schusswaffe eingesetzt wird, muss entsprechend davor gewarnt werden, muss gegebenenfalls ein Warnschuss abgegeben werden, die Zeit dafür war hier vorhanden.“, sagte der Jurist dem WDR.

Die Anwältin von Mouhameds Familie, Lisa Grüter, kritisiert den aus ihrer Sicht flüchtigen Versuch der Polizisten, mit Mouhamed zu sprechen. Der habe keine zwei Minuten gedauert, wie aus dem Mitschnitt des Funkverkehrs hervorgehe. Ein Polizist habe Mouhamed auf Spanisch eine Frage gestellt, ein anderer habe ihn lediglich mehrfach kurz gerufen. Es sei ein Rätsel, warum Mouhamed direkt mit Pfefferspray angegriffen wurde, ohne zu warten, dass Profis dazukommen, „die sich mit psychischen Ausnahmesituationen auskennen“, erklärt Grüter.

Rassismus-Verdacht

Die Ergebnisse der Auswertung des Polizeifunks nährt den Verdacht, dass bei dem tödlichen Polizeieinsatz Rassismus eine Rolle gespielt haben könnte. Zahlreiche Experten hatten nach dem Tod des 16-Jährigen im Augst die Frage in den Raum gestellt, ob die Polizei auch so vorgegangen wäre, wenn Mouhamed von den Polizisten weiß, christlich gelesen worden wäre.

Der Jurist Feltes fordert, den Fall öffentlich vor Gericht aufzuarbeiten. Ob es zur Anklage gegen beteiligte Polizisten kommt, will die Dortmunder Staatsanwaltschaft laut WDR in den kommenden Wochen bekannt geben.

Seit 2012 in NRW 33 Menschen von Polizeischüssen getötet

In den vergangenen zehn Jahren hat die Polizei in Nordrhein-Westfalen laut Innenministerium bei ihren Einsätzen 157 Mal Schusswaffen gegen Menschen eingesetzt. Dabei seien von Januar 2012 bis Ende Oktober 2022 insgesamt 33 Menschen tödlich verletzt worden, heißt es in einem Bericht von Innenminister Herbert Reul (CDU), der am Donnerstag dem Innenausschuss des Landtags vorgelegt wurde.

In den Jahren 2017 und 2019 wurden demnach jeweils fünf Menschen durch Polizeischüsse getötet. Für 2022 weist der Bericht bislang vier Fälle aus. Dazu zählt der 16-jährige Mouhamed Dramé. Der Fall sorgte für bundesweite Aufmerksamkeit und führte zu Debatten über polizeiliche Ausbildung, Waffeneinsatz und Rassismus. (mig) Aktuell Panorama

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