G20 in der Pflicht
Klimaforscher Latif: „Wir kommen einfach nicht voran“
Aus Sicht der Wissenschaft hat die internationale Politik beim Gipfel in Scharm el Scheich einmal mehr die Chance verpasst, in der Klimapolitik eine Wende einzuleiten. Der Forscher Latif befürchtet eine Erderwärmung von bis zu drei Grad Celsius.
Montag, 21.11.2022, 13:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 22.11.2022, 6:19 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Der Klimaforscher Mojib Latif wertet die Ergebnisse der Weltklimakonferenz als Stillstand. „Wir kommen einfach nicht voran“, sagte Latif und stellte das Format der UN-Gipfel generell infrage. Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) kritisierte die Position Chinas in den Verhandlungen.
Der Kieler Wissenschaftler Latif sagte am Montag im Deutschlandfunk zu den Gipfelergebnissen: „Die 1,5-Grad-Marke werden wir auf jeden Fall reißen.“ Im Moment sei die Welt auf einem Kurs von 2,5 Grad Celsius Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter. „Ich würde sogar eher sagen 3 Grad“, fügte er hinzu.
Latif sieht G20-Staaten in der Pflicht
Nach zweiwöchigen zähen Verhandlungen war der Klimagipfel am Wochenende im ägyptischen Scharm el Scheich zu Ende gegangen. Neben einem Ausgleichsfonds für arme Staaten beschlossen die Delegierten ein Arbeitsprogramm zur schnelleren Minderung der Treibhausgase, das aber hinter den Erwartungen europäischer Länder zurückblieb. Ein klares Bekenntnis zum Ausstieg aus fossilen Energien scheiterte am Widerstand von Ländern wie Saudi-Arabien.
Latif sieht vor allem die G20-Staaten in der Pflicht, ihren CO2-Ausstoß zu drosseln. Auf diese Länder entfielen weltweit derzeit rund 80 Prozent der Emissionen. „Die müssten sich zusammensetzen in einem neuen Format und wirklich versuchen, den Ausstoß von Treibhausgasen so schnell wie möglich zu senken“, sagte der Wissenschaftler, der am Kieler Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung tätig ist. Das Format der Weltklimakonferenzen habe sich überholt.
Dreckige Produkte aus China fernhalten
Zur Rolle Chinas bei den Verhandlungen sagte Latif, die Volksrepublik habe überhaupt kein Interesse daran, ihre Emissionen zu senken. Einer „Allianz der Willigen“, in denen der Wissenschaftler sich neben der EU die USA und Kanada wünscht, bleibe daher nichts anders übrig, als die „dreckig gefertigten Produkte“ aus China von ihren Märkten fernzuhalten. Eine Möglichkeit dazu wären aus seiner Sicht Schutzzölle.
Die deutsche Entwicklungsministerin Schulze sagte der „Augsburger Allgemeinen“, China müsse sich „als mächtige Volkswirtschaft mit dem größten CO2-Ausstoß an der Bewältigung der Klimaschäden beteiligen“. Die Chinesen lehnen es bislang ab, in den Klimaschäden-Fonds einzuzahlen. Schulze verwies darauf, dass die Europäer bei der Klimakonferenz die Frage aufgeworfen hätten, „wie lange China sich noch als Entwicklungsland definieren und so vor seiner Verantwortung für Klimaschäden drücken kann“.
Fluchtursache Klimawandel
Der Präsident des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie, Manfred Fischedick, bilanzierte die Klimakonferenz als „eine verpasste Chance“. „Kommt es nicht kurzfristig zu einer Umkehr der Staatengemeinschaft, wird es schwierig bis unmöglich werden, das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen“, sagte er der Düsseldorfer „Rheinischen Post“. Dann werde es auch schwierig werden, die Folgen des Klimawandels in handhabbaren Grenzen zu halten.
Mit dem Klimawandel steigt auch die Zahl der Menschen, die fliehen müssen vor Naturkatastrophen wie extreme Dürre oder Überschwemmungen. Nach Angaben des Norwegian Refugee Council wurden seit 2008 jedes Jahr mehr als 26 Millionen Menschen von Umwelt- und Klimaveränderungen vertrieben. Das ist mehr als dreimal so viel wie Flucht aufgrund von Kriegen oder Konflikten. (epd/mig) Aktuell Panorama
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