Nach Tod des 16-jährigen Mouhamed D.

„Bei einem weiß und christlich gelesenen Jugendlichen hätte die Polizei anders gehandelt.“

Nach dem Tod des 16-jährigen Mouhamed D. durch Polizeischüsse in Dortmund reißen Forderungen nach Aufklärung nicht ab. Experten fordern jetzt in einer Petition eine unabhängige Untersuchungskommission. Sie werfen der Polizei Rassismus vor.

Von Mittwoch, 17.08.2022, 15:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 18.08.2022, 6:30 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Nach der Tötung des 16-jährigen Senegalesen Mouhamed D. in Dortmund durch Polizeischüsse aus einem Maschinengewehr werden Forderungen nach einer unabhängigen Untersuchung des Falls immer lauter. Jetzt fordern zahlreiche Experten und Vertreter zivilgesellschaftlicher Organisationen in einer Petition eine unabhängige Untersuchungskommission. Anders als wie bisher solle dieser allerdings diverser und kritischer besetzt sein. Die Petition wurde (Stand: 17.8.22) bereits knapp 32.000 Mal unterzeichnet.

Erstunterzeichner Prof. Dr. Claus Melter von der Fachhochschule Bielefeld hegt den Verdacht, dass beim Tod des sechzehnjährigen Mouhamed D. die Polizei unprofessionell gehandelt hat und der Jugendliche ohne Not oder gar aus rassistischen Motiven getötet worden sein könnte. Den Initiatoren der Petition ist es unerklärlich, dass das Großaufgebot von elf Polizist:innen den Schwarzen, muslimisch gelesenen Jugendlichen, der nach Aussagen der Polizei keine Gefährdung für die Öffentlichkeit darstellte, nicht mit stichfester und schusssicherer Kleidung überwältigen, oder ihn erst durch nichttödliche Schüsse kampfunfähig machen konnte.

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„Es handelte sich um eine psychologische Krisensituation, um möglichen Suizid. Hier ist psychologische Unterstützung nötig“, erklärt Prof. Melter gegenüber MiGAZIN. Bei Mouhamed D. habe die Polizei mit außergewöhnlich großem Aufgebot, massiver Bewaffnung und scheinbar ohne psychologische Unterstützung und Sprachmittlung gehandelt. „Es ist schwer vorstellbar, dass bei einem Anruf einer Jugendhilfeeinrichtung bei einem, als weiß und christlich angesehenem suizid-gefährdetem Jugendlichen, ähnlich gehandelt worden wäre“, erklärt Melter.

Wenige Verfahren gegen Polizisten

Gerade bei solchen kritischen Fällen, sehen Melter und seine Mitunterzeichner:innen die Gefahr, dass bei polizeilicher Gewalt in Deutschland nicht angemessen ermittelt werde. Es käme laut Melter hier vielfach „systematisch zu wenigen Verfahren und noch weniger Verurteilungen. Insbesondere bei rassistischer Polizeigewalt“.

Tatsächlich belegen Statistiken eine sehr geringe Zahl von verurteilten Polizist:innen nach einem Ermittlungsverfahren. 4.565 erledigte Ermittlungsverfahren gegen Polizeibedienstete zählt das Statistische Bundesamt für das Jahr 2020, vor Gericht verhandelt wurden gerade einmal in 70 Fällen, die Zahl der Verurteilungen ist unbekannt. Nicht dokumentiert in der Statistik ist auch die Zahl rassistisch motivierter Polizeigewalt. Deshalb machen es sich Arbeitsgruppen wie „Death In Custody“ zur Aufgabe, rassistische Staatsgewalt sichtbar zu machen und Druck auf die Behörden auszuüben.

Unabhängige Kommission gefordert

Um den Fall des 16-jährigen aus Dortmund rassismuskritisch und unabhängig aufzuarbeiten, fordert die Petition eine Kommission, in der auch Vertreter:innen von Migrantenselbstorganisationen, Selbstorganisationen geflüchteter Personen und Schwarzer Menschen, sowie rassismuskritische und unabhängige Experten aus verschiedenen Disziplinen beteiligt sind.

Melter hebt kritisch hervor: „Vielfach wird bei Kommissionen nur auf Expertise und akademisch institutionelle Position geschaut. Im Ergebnis sitzen oft als Weiß, deutsch und männlich angesehene Personen mit christlichen Bezügen oder ohne religiöse Bezüge in den Gremien.“ Die Expertise von Personen mit Rassismuserfahrung und den Institutionen kritisch gegenüberstehenden Personen seien unterrepräsentiert in den meisten Kommissionen. (sh/mig) Aktuell Panorama

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