Gutachten zu AfD-Stiftung
Ausschluss von staatlichen Geldern zulässig und geboten
Neues Rechtsgutachten sieht in der Förderung der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung einen Widerspruch zu der an Grund- und Menschenrechten ausgerichteten politischen Bildung in Deutschland. Der Ausschluss von staatlichen Geldern sei nicht nur zulässig, sondern auch geboten.
Von Sophia Hiss Montag, 13.06.2022, 16:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 13.06.2022, 12:47 Uhr Lesedauer: 5 Minuten |
Politische Bildung in Deutschland findet nicht nur in Schulen und Universitäten statt. Auch sogenannte „politische Stiftungen“ nehmen eine zentrale Rolle in der politischen Bildung in Deutschland ein. Durch zugehörige Bibliotheken, eigene wissenschaftliche Forschungstätigkeiten, Begabtenförderung durch Stipendien und internationale Arbeit in Auslandsbüros leisten sie einen wichtigen Beitrag zur Stärkung des politischen Bewusstseins und des Engagements auf Grundlage des Grundgesetzes und der rechtsstaatlichen Demokratie. Sie werden deshalb „politische Stiftungen“ genannt, weil sie jeweils einer Partei nahestehen. Und obwohl die Stiftungen für ihre Tätigkeit Mittel aus dem Bundeshaushalt erhalten, sind sie keine staatlichen Einrichtungen, sondern privatrechtlich konstituierte Organisationen.
Aktuell gibt es in Deutschland sechs politische Stiftungen, die jeweils einer der im Bundestag vertretenen Parteien nahestehen und vom Staat finanziell gefördert werden. Dabei handelt es sich um die Friedrich-Ebert-Stiftung (SPD), die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit (FDP), die Hanns-Seidel-Stiftung (CSU), die Heinrich-Böll-Stiftung (Grüne), die Konrad-Adenauer-Stiftung (CDU) und die Rosa-Luxemburg-Stiftung (Linke). Seit die AfD 2021 zum zweiten Mal in den Bundestag eingezogen ist, kann auch die Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) theoretisch staatliche Mittel des Bundes erhalten. Die Stiftung wurde 2018 von der AfD auf ihrem Parteitag offiziell als die ihr nahestehende politische Stiftung anerkannt.
Gutachten: Ausschluss der DES rechtlich geboten
Hendrik Cremer, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Institut für Menschenrechte, spricht sich in seinem aktuellen Rechtsgutachten jedoch klar gegen eine solche Förderung aus. Darin legt er dar, weshalb ein Ausschluss der DES von der staatlichen Förderung nicht nur zulässig, sondern sogar rechtlich geboten sei. Eine staatliche Förderung der AfD-nahen Stiftung würde dem grund- und menschenrechtlich verankerten Zweck politischer Bildung in Deutschland zuwiderlaufen. Sie würde außerdem dazu beitragen, dass rassistische und rechtsextreme Positionen relativiert und gesellschaftsfähig gemacht werden, so Cremer in seinem Gutachten. Im Gespräch mit MiGAZIN verdeutlicht er seine Position und erläutert die wesentlichen Punkte, die in der Debatte um die staatliche Förderung der DES besonders relevant sind.
Es gibt zwar keine klaren Grundsätze, nach denen die staatliche Förderung einer politischen Stiftung geregelt ist. Die Grund- und Menschenrechte und die ihnen zugrunde liegenden Werte sind jedoch ein zentraler Maßstab im Bereich der politischen Bildung, sowohl im schulischen Kontext als auch außerhalb. Dabei geht es besonders um die Grundlagen der Grund- und Menschenrechte, das Verständnis über die Entstehung und Notwendigkeit dieser, als auch um das Ausrichten des eigenen Handelns an diesen Rechten und Werten.
Rassismus fester Bestandteil der AfD
Dies lässt sich unter anderem aus menschenrechtlichen Verträgen, wie dem internationalen Übereinkommen gegen rassistische Diskriminierung (ICERD) ableiten. In dessen Artikel 7 verpflichtet sich der Staat explizit, die grund- und menschenrechtlichen Anforderungen als Teil der politischen Bildung zu beachten. Zudem existiert eine gemeinsame Erklärung der etablierten politischen Stiftungen. Darin verpflichten sich diese wiederum, ihre Arbeit an den Grund- und Menschenrechten auszurichten. Positionen, die den Grundsatz der gleichen Menschenwürde und der Rechtsgleichheit eines Individuums infrage stellen, sind dem entsprechend im Rahmen staatlich geförderter Bildungsarbeit kritisch zu thematisieren. An dieser Stelle setzt Cremers Gutachten an, da eine Förderung der DES zum Gegenteil führen würde.
Im Rahmen der politischen Bildung ist es laut Cramer nämlich geboten, die AfD als rassistische und rechtsextreme Partei zu thematisieren. Aufgrund ihres problematischen Verhältnisses zur freiheitlichen und rechtsstaatlichen Demokratie im Sinne des Grundgesetzes hat das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD bereits als Verdachtsfall einer rechtsextremistischen Bestrebung eingestuft. Auch das Institut für Menschenrechte kam in einer Studie zu dem Schluss, dass rassistische und rechtsextreme Positionen fester Bestandteil des AfD-Programms, der AfD-Strategie sowie der Positionierungen von Führungspersonen und Mandatsträger:innen sind und sich damit gegen die in Artikel 1 Absatz 1 der im Grundgesetz verankerten unabdingbaren Grundlagen der Menschenrechte richten.
Verbreitung rassistischen Gedankenguts
Das Verhältnis von Stiftungen und Parteien besteht im Allgemeinen darin, dass sie der gleichen „politischen Grundströmung“ entsprechen. Im Kontext der DES äußert sich das darin, dass die Stiftung in ihrem Selbstverständnis der AFD „ideell nahe“ steht. Deshalb muss eine Förderung mit staatlichen Geldern höchst kritisch diskutiert und laut Cremer sogar ausgeschlossen werden. Im Gespräch mit MiGAZIN macht er deutlich: „Die Stiftung gibt sich seriös und verfassungstreu, während sie zugleich die Grund- und Menschenrechte torpediert, die das Fundament der freiheitlichen rechtsstaatlichen Demokratie bilden.“
Zusätzlich zur Nähe der AfD kommen Inhalte in Publikationen der Stiftung oder Äußerungen von Stiftungsfunktionären wie etwa Mitgliedern des Vorstands oder Kuratoriums, die rassistischen und rechtsextremen Positionen entsprechen. Die Otto-Brenner Stiftung weist in einer weiteren Studie starke personelle Verflechtungen der DES mit Akteur:innen der sogenannten Neuen Rechten nach. Cremer zeigt in seinem Gutachten zudem konkret auf, wie diese im Namen der Stiftung rassistisches, national-völkisches Gedankengut verbreiten. „Der Staat darf die DES ganz klar nicht fördern“, so Cremer zu MiGAZIN in abschließenden Worten.
Er resümiert im Fazit seines Rechtsgutachtens, dass die Grund- und Menschenrechte und die ihnen zugrunde liegenden Werte fundamental für staatliche und staatlich geförderte politische Bildung in Deutschland sind. In der rechtlichen Debatte ginge es laut Cremer bisher vor allem darum, ob eine Ungleichbehandlung der DES gegenüber anderen parteinahen Stiftungen zulässig ist. Dabei ergibt sich jedoch aus menschenrechtlichen Verträgen eine explizite staatliche Verpflichtung zur Menschenrechtsbildung als Bestandteil von politischer Bildung. Eine Förderung der DES würde diesen Grundsätzen widersprechen und sie untergraben. Anstatt einer kritischen Diskussion von Rechtsextremismus und Rassismus würde der Staat diesen Ideologien Vorschub leisten und gegen die oben genannten Verträge und Verpflichtungen verstoßen.
Cremer weist außerdem darauf hin, dass Deutschland „im Fall der Förderung der DES auch mit einer Rüge des UN-Ausschusses gegen rassistische Diskriminierung (CERD) zu rechnen [hätte], der darauf achtet, dass die Vertragsstaaten die menschenrechtlichen Garantien des Übereinkommens einhalten.“ Diese rechtlichen Aspekte hätten in der Debatte bisher keine ausreichende Beachtung gefunden. (sh/mig) Aktuell Politik
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