„Schlupfloch“
Koalition einigt sich auf Regeln für Fleischindustrie
Lange haben Union und SPD gerungen: Die Regeln für die Arbeit in der Fleischindustrie werden verschärft. Ein Verbot von Werkverträgen soll Ausbeutung ausländischer Arbeitnehmer verhindern. Leiharbeit soll in Ausnahmefällen aber möglich sein. Die Linke bemängelt Schlupfloch für Fleischindustrie.
Montag, 30.11.2020, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 29.11.2020, 12:55 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Union und SPD haben sich im Streit um die Verschärfung des Arbeitsschutzes in der Fleischindustrie auf einen Kompromiss verständigt. Werkverträge und Leiharbeit bei der Schlachtung und Zerlegung in den Schlachthöfen sollen komplett verboten werden, wie die Fraktionen am Freitag in Berlin mitteilten. Bei der Fleischverarbeitung soll es befristete und tariflich geregelte Ausnahmen für Leiharbeit geben. Das mehrfach wegen des Streits verschobene Gesetz soll Mitte Dezember vom Bundestag verabschiedet werden und Anfang 2021 in Kraft treten. Der nordrhein-westfälische Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) sprach von der Beseitigung eines „Schandflecks“.
Das Gesetz soll Strukturen unterbinden, die es den großen Unternehmen der Fleischindustrie ermöglichen, die Verantwortung für ausbeuterische Arbeitsbedingungen und unwürdige Unterbringung ausländischer Arbeiter auf Subunternehmen abzuschieben. Das Fleischerhandwerk ist ausgenommen. Es gehe um die Fleischindustrie, betonte der Vizefraktionsvorsitzende der Union, Herrmann Gröhe (CDU). Die Union hatte sich lange dagegen gesträubt, Leiharbeit in der Branche komplett zu verbieten, wie es der Gesetzentwurf von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) vorsah.
Schluss mit organisierter Verantwortungslosigkeit
Heil sagte, endlich sei Schluss „mit den Sub-, Sub-, Subunternehmen und der organisierten Verantwortungslosigkeit“ in der Fleischindustrie. Neben dem Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit sieht das Gesetz mehr Arbeitsschutzkontrollen vor, schreibt die digitale, manipulationssichere Arbeitszeiterfassung vor und enthält Mindeststandards für die Unterbringung ausländischer Arbeitskräfte.
Nach Angaben von Gröhe und der stellvertretenden SPD-Fraktionsvorsitzenden Katja Mast dürfen Betriebe in der Fleischverarbeitung noch pro Jahr vier Monate lang Zeitarbeiter in begrenztem Umfang beschäftigen, um Auftragsspitzen etwa während der Grillsaison abzudecken. Für Leiharbeiter gelten die gleiche Bezahlung und die gleichen Arbeitsschutzvorschriften wie für die Stammbelegschaft. Nach Ablauf von drei Jahren ist Leiharbeit dann auch in der industriellen Fleischverarbeitung verboten.
Gröhe: „Wir beenden die Ausbeutung“
Gröhe erklärte, der Gesetzgeber und die staatlichen Kontrollbehörden müssten handeln, nachdem Selbstverpflichtungen der Branche nicht zu Verbesserungen geführt hätten. Er forderte zudem mehr Kontrollen. Mast sagte, der Fleischlobby sei es nicht gelungen, das Gesetz zu verzögern oder zu verhindern: „Wir beenden die Ausbeutung.“
NRW-Arbeitsminister Laumann (CDU) sagte der Düsseldorfer „Rheinischen Post“: „Das Gesetz, das der Bundestag beschließen will, wird einen Schandfleck unserer Sozialen Marktwirtschaft beseitigen, vor dem wir alle zu lange unsere Augen verschlossen haben.“ Die Entscheidung der Koalitionsfraktionen setze ein klares Zeichen: „Wir wollen in diesem Land keine Ausbeutung. In diesem Land gelten die gleichen Rechte für alle Arbeitnehmer, egal woher sie kommen.“
Linke: Fleischlobby setzt sich durch
Die Linke hingegen ist sieht in der Leiharbeitsregelung einen Sieg der Fleischlobby. Die habe „der Bundesregierung mal wieder gezeigt, wo der Hammer hängt. Sie hat über die CDU/CSU ein Schlupfloch ins Arbeitsschutzkontrollgesetz geschlagen“, kritisiert Jutta Krellmann (Die Linke). Jetzt werde der Gewerkschaft der Ball zugeworfen, Ausnahmen in der Fleischverarbeitung per Tarifvertrag zu regeln.
Die Linke fordert: „Neben Werkverträgen muss auch die Leiharbeit in der Fleischindustrie ohne Ausnahme verboten werden. Und auch das kann nur ein Anfang sein. Ausbeuterische Arbeitsbedingungen gibt es inzwischen in vielen Branchen. Auch hier muss dringend reguliert werden“, so Krellmann. (epd/mig) Leitartikel Politik
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