Heirat minderjähriger Flüchtlinge
Einzug der Schar’ia ins deutsche Recht? Weit gefehlt.
Im Mai entschied das OLG Bamberg, dass eine in Syrien geschlossene Ehe einer Minder- mit einem Volljährigen nach deutschem Recht anzuerkennen ist. Medien konstatierten die "Einführung der Schari'a in Deutschland". Eine Analyse zeigt, dass hinter solchen Schlagzeilen ein Mangel an Sachkenntnis steckt. Von Gabriele Boos-Niazy
Von Gabriele Boos-Niazy Dienstag, 19.07.2016, 8:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 21.07.2016, 17:29 Uhr Lesedauer: 12 Minuten |
In regelmäßigen Abständen diagnostiziert eine aufgeregte Presse, die Schari‘a sei in Deutschland eingeführt worden, weil bei einem Verfahren internationales Privatrecht angewandt wurde. Schon vor Jahren erklärte der Jurist und Islamwissenschaftler, Mathias Rohe, dass die Anwendung Internationen Privatrechts vielfach fälschlich als das Eindringen fremden Rechts in deutsches Recht empfunden wird:
„Dazu ist zunächst wichtig zu sagen: Wir lassen es rein. Unser Recht öffnet die Tür. Es ist nicht das fremde Recht, das sich reindrängt, sondern es ist das deutsche Recht, das die Tür öffnet. Der Grund dafür ist der Folgende: Es gibt internationale Rechtsverhältnisse. Leute leben mal hier, mal da. Es kommt darauf an, dass sie sich auf das verlassen können, was sie einmal rechtlich erworben haben, dass sie es nicht verlieren, wenn sie eine Rechtsgrenze überschreiten.
Die Grenze der Anwendung liegt dort, wo fremdes Recht grundlegenden Punkten des deutschen Rechts widerspricht (Stichwort ordre public). Im Ergebnis werden eigene Maßstäbe bei einer gewissen Flexibilität in internationalen Fällen zum Nutzen betroffener Personen aufrechterhalten. Dieses Prinzip gilt nur im Privatrecht (niemals im Strafrecht) und wird seit Jahrhunderten praktiziert.
Daran hat sich auch das OLG Bamberg (2 UF 58/16.) orientiert. Es hat Übereinstimmungen des islamisch geprägten syrischen Familienrechts mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) aufgezeigt und diese waren maßgeblich für den Beschluss, nicht etwa die Unterordnung deutschen Rechts unter „Schari’a-Normen“.
Der Fall
Ein junges Ehepaar (geboren 1994 bzw. 2001, aufgewachsen im gleichen Ort) kam Ende August 2015 auf seiner Flucht über die Balkanroute nach Deutschland. Seit ihrer Eheschließung in Syrien lebten beide ununterbrochen zusammen, bis das Jugendamt die junge Frau unter Hinweis auf ihre Minderjährigkeit in Obhut nahm. Dem nunmehr getrennten Paar wurde eine Besuchszeit von 2 Stunden pro Woche unter dem Beisein eines Mitarbeiters des Jugendamtes zugestanden. Das Argument für diese rigorose Umgangsregelung: Es sei damit zu rechnen, dass es zu sexuellen Handlungen kommen könne; diese könnten nach § 182 StGB (sexueller Missbrauch von Jugendlichen) strafbar sein. Das Jugendamt sah die Fähigkeit zur sexuellen Selbstbestimmung der jungen Frau nicht gegeben.
Nachdem das Amtsgericht mit Unterstützung der Verfahrensbeirätin der jungen Frau eine auf deutschem Recht basierende großzügigere Umgangsregelung des Paares erließ, legte das Jugendamt Beschwerde ein und der Fall kam vor das OLG Bamberg.
Dort erklärte die Verfahrensbeiständin, bei ihren Gesprächen mit der jungen Frau sei deutlich geworden, dass weder die Eheschließung noch das derzeitige Verhalten von Druck (Familie oder Ehemann) bestimmt sei. Das Paar träfe sich vielmehr hinter dem Rücken des Jugendamtes und eine Begrenzung des Kontakts sei kontraproduktiv.
Die Entscheidung
Das OLG Bamberg entschied, dass nach deutschem Recht dem Jugendamt als Vormund das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die junge Frau nicht zusteht. Sie selbst kann entscheiden, wo sie wohnen will; die strenge Umgangsregelung wurde aufgehoben.
Die Richter des OLG wendeten das „Haager Übereinkommen über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern vom 19.10.1996 (KSÜ)“ an. Demnach wird bei der Frage nach Details der Vormundschaft deutsches Recht (§§ 1800, 1633 BGB) zugrundegelegt, das sich im Übrigen in diesem Punkt mit syrischem Recht deckt.
Beide Beteiligten waren bei der Heirat syrische Staatsangehörige. Daher bestimmen sich die Voraussetzungen der Eheschließung gemäß dem Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) nach syrischem Recht. Alle Voraussetzungen für eine wirksame Eheschließung nach syrischem Recht waren erfüllt.
Auch wenn nach deutschem Recht eine Eheschließung frühestens mit Vollendung des 16. Lebensjahres und Volljährigkeit des anderen Partners mit Zustimmung des Familiengerichts möglich ist (§ 1303 Abs. 2 BGB), bedeutet das nicht, dass eine nach ausländischem Recht geschlossene Ehe, bei der das Ehemündigkeitsalter unterschritten wurde, nicht anerkannt werden kann.
Die Betrachtung des syrischen und deutschen Rechts im Vergleich ergibt, dass „Die Anwendung des fremden Rechts im konkreten Fall […] zu keinem Ergebnis [führt], das aus der Sicht grundlegender deutscher Rechtsvorstellungen nicht mehr hinnehmbar ist. Dies wäre dann der Fall, wenn sich dem maßgeblichen ausländischen Recht keine dem deutschen Rechtsverständnis entsprechende äquivalente Lösung entnehmen ließe (BGHZ 169, 240-255, Rn. 50). Da die Rechtsfolgen in beiden Rechtsordnungen aber identisch sind, besteht für eine Korrektur keine Veranlassung.“
Die sexuelle Beziehung der jungen Leute ist nicht strafbar, da eine generelle Strafbarkeit über 21-Jähriger mit unter 16-Jährigen im StGB nicht vorgesehen ist.
Auch was das Kindeswohl anbelangt, kommt das OLG Bamberg zu keiner anderen Beurteilung als die vorhergehende Instanz: Zum einen enthält die UN-Kinderrechtskonvention (CRC) keine Altersgrenze für eine Eheschließung, bei deren Unterschreiten zwangsläufig ein Verstoß gegen Kinderrechte anzunehmen ist. Zum anderen zeigt der bisherige Lebensweg des Paares (gemeinsam gemeisterte Flucht unter erheblichen Gefahren) und das Fehlen von Anhaltspunkten für eine Zwangsheirat, dass das gemeinsame Zusammenleben kein Hindernis für eine erfolgreiche Integration ist. Im Gegenteil: beide Partner zeigten die Bereitschaft an Sprach- und Bildungsmaßnahmen teilzunehmen, unter der Prämisse, dass sie wie bisher ihr Leben als Eheleute leben können.
Die Verfahrensbeiständin der jungen Frau stimmte mit der Auffassung des Gerichts überein. Angesichts der Gesamtsituation sah das Gericht keinen Anlass, die Ehe als nichtig einzustufen. Auf der Grundlage der §§ 1633 und 1800 BGB sprach das Gericht das Aufenthaltsbestimmungs- und Umgangsrecht der jungen Frau zu. Nach syrischem Recht wäre die elterliche Sorge mit der Heirat sogar weitergehend erloschen; dies fand jedoch keine Anwendung, sodass das Jugendamt in anderen Bereichen die Vormundschaft behielt.
Eine ausführlichere Analyse des Beschlusses ist hier zu finden unter muslimische-frauen.de.
Fazit
Das OLG Bamberg hat ausschließlich deutsches Recht angewandt. Zum einen, indem es internationalem Privatrecht da, wo es nicht gegen den ordere public verstößt, Geltung verschafft hat und zum anderen, indem es berücksichtigte, wie eine in Deutschland geschlossene Ehe, bei der ein Partner nicht ehemündig ist, behandelt werden würde.
Die in weiten Teilen unsachgemäße Medienberichterstattung führte dazu, dass alle in einem Land mit muslimischer Mehrheitsbevölkerung geschlossenen Ehen, bei denen ein Partner minderjährig ist, pauschal als Zwangsheiraten definiert wurden. Als Konsequenz dieser diskriminierenden Sichtweise – diskriminierend, weil sie auf der Annahme basiert, dass weder Eltern noch Familiengerichten „in diesen Ländern“ das Wohl junger Frauen und Männer am Herzen liege – wird ungeachtet des Einzelfalls eine generelle Regelung gefordert, die im Ausland legal geschlossene Ehen in Deutschland annulliert, wenn einer der Partner unter 18 Jahren alt ist.
Damit wird zum einen eine schärfere Regelung gefordert, als sie bisher in Deutschland gilt, zum anderen wird die Verschärfung mit den gleichen Argumenten begründet, wie wir sie schon aus der Kopftuchdebatte kennen. Unterstellt wurde und wird, dass eine Frau niemals freiwillig ein Kopftuch tragen kann, dies immer Ergebnis eines Zwangs oder wahlweise einer Person mit schwacher Persönlichkeit ist, die der Familie oder dem Partner deren unausgesprochene Wünsche von den Augen abliest und/oder sie gar für die eigenen Wünsche hält. Analog dazu wird auch einer 15-Jährigen aus dem muslimischen Kulturkreis grundsätzlich unterstellt, dass sie der sexuellen Selbstbestimmung unfähig ist und zwangsverheiratet wurde. So rät eine Sprecherin der SOS-Kinderdörfer von einer Einzelfallentscheidung ab, auch wenn sie einräumt, dass es sich im verhandelten Fall offensichtlich um eine freiwillig geschlossene Ehe handelt. Dennoch: „Selbst wenn ein Mädchen angebe, freiwillig geheiratet zu haben, sei das längst nicht bewiesen. Sozialer oder finanzieller Druck sei nicht auszuschließen.“ Differenzierte Stimmen, wie die von Birgit Naujoks, Geschäftsführerin des Flüchtlingsrates NRW, gibt es kaum. Sie warnt vor einer generellen Verteufelung solcher Ehen und fordert dazu auf Einzelfallentscheidungen zu treffen. Wichtig sei herauszufinden, ob Freiwilligkeit vorliege. „Es müsse einen Unterschied geben zwischen einer freiwilligen Ehe zwischen einer 16- und einem 20-Jährigen und einer Zwangsehe zwischen einer 14- und einem 40-Jährigen.“
Verständlicherweise verschließen wir die Augen gern vor der Tatsache, dass in Zeiten des Krieges Ehen auch aus Sicherheits- und Versorgungsgründen geschlossen werden. Diese Umstände zu ändern, ist eine politische Aufgabe, und Gesetzesänderungen bekämpfen nur die Symptome. Zudem schaden sie den Betroffenen, weil dadurch der Nachzug im Rahmen der Familienführung verhindert würde, was Politikern unterschiedlicher Couleur durchaus willkommen ist.
Aus unserer Sicht ist es daher völlig unverhältnismäßig, durch eine Gesetzesänderung alle im Ausland geschlossenen Ehen, bei denen ein Partner minderjährig ist, pauschal für nichtig zu erklären. Grundlegende Sicherheiten (Stichwort Verlässlichkeit in privaten Rechtsangelegenheiten) wären zerstört. Welche Auswirkungen wird es auf junge Paare haben, wenn ihnen mitgeteilt wird, sie seien nicht länger verheiratet und würden – traumatisierende Flucht hin oder her – von Amts wegen getrennt?
Nach dem Beschluss des OLG Bamberg liegt bei einer als gültig anerkannten Ehe das Umgangs- und Aufenthaltsbestimmungsrecht beim minderjährigen Ehepartner – meist der Frau – und nicht beim Vormund oder den Eltern. D.h. weder diese noch der volljährige Partner haben die „Oberhand“ über die Minderjährige. Im Falle, dass der minderjährige Ehepartner zwangsverheiratet wurde, kann er/sie sich mit Hilfe des staatlich bestellten Vormunds, der ohnehin für andere Bereiche bestellt wird, dagegen wehren. Es gäbe nicht nur die Möglichkeit, den Kontakt zum Partner zu vermeiden, sondern auch mit Sicherheit die Unterstützung aller hiesigen Institutionen für eine Annullierung einer solchen Ehe (die zudem auch nach islamischem und ausländischem Recht ungültig wäre) und anschließender Strafverfolgung desjenigen, der die Ehe erzwungen hat. Damit gibt es eine belastbare Basis, auf der jungen Menschen, die zwangsverheiratet wurden, geholfen werden kann, ohne dass alle Fälle über einen Kamm geschoren werden.
Niemand stellt in Frage, dass es strafbar ist, Menschen gegen ihren Willen zu verheiraten. Der derzeitige blinde Aktionismus basiert offensichtlich jedoch auf anderen Regungen als der Ächtung einer Straftat. Er zeigt wahlweise mangelndes Vertrauen in das hiesige Rechtssystem (weil das OLG „falsch“ entschieden hat) oder den Wunsch, in Deutschland existierende Rechte zu beschneiden, weil „andere“ sie auch in Anspruch nehmen und zwar in einer Art und Weise, die dem Betrachter missfällt.
Hand aufs Herz: Wer käme auf die Idee, einer körperlich und geistig reifen 15-Jährigen, die mit Akzeptanz der untereinander befreundeten Eltern eine schon länger andauernde Beziehung mit einem 20-Jährigen führt, den sie seit Kindertagen kennt, mit dem sie zusammen durch Dick und Dünn gegangen ist und große Herausforderungen gemeistert hat, die sexuelle Selbstbestimmung abzusprechen? Wieso kommen Bedenken vor allem dann auf, wenn diese beiden heiraten wollen? Heiraten, sich mit der Absicht einer dauerhaften Partnerschaft verbindlich vor Gott, den Menschen und dem Standesamt zueinander zu bekennen, scheint etwas geworden zu sein, das man tunlichst vermeiden oder möglichst weit in die Zukunft verschieben sollte. Auch wenn sonst bei allen möglichen Gelegenheiten die christlich-abendländische Kultur beschworen wird, hier darf sie – trotz ihres besonderen Schutzes von Ehe und Familie – anscheinend keine Rolle mehr spielen.
Nicht nur auf Flüchtlinge wirkt eine Gesellschaft inkohärent, in der junge Ehen aufgrund von außen „diagnostizierter“ mangelnder sexueller Selbstbestimmung pauschal aufgehoben werden sollen, während gleichzeitig darüber diskutiert wird, ob es angemessen ist, Siebtklässler über die Existenz von Darkrooms aufzuklären und sie pantomimisch Analsex darstellen zu lassen. Flüchtlinge müssen damit rechnen, dass ihre Ehen in Frage gestellt werden und gleichzeitig werden sie mit Hilfe von Aufklärungsmaterialien der Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung darauf hingewiesen, dass Geschlechtsverkehr eine freiwillige Angelegenheit sei und es wird ihnen grafisch erklärt, wie ein Cunnilingus funktioniert. Wir sollten einen Moment innehalten und uns fragen, was all das über uns aussagt, über unsere Denkweise über die „Anderen“, insbesondere über „den arabischen Mann.“
Ja, wir müssen für Frauenrechte kämpfen, aber wir werden nichts erreichen, wenn wir die Frauen, für die wir uns angeblich einsetzen, zum wiederholten Mal nicht nach ihrer Meinung fragen und mit kolonialem Gestus über ihren Kopf hinweg entscheiden, was gut für sie ist. Und wir werden erst recht nichts erreichen, wenn wir ihnen signalisieren, dass „ihre“ Männer/Familien Menschen sind, denen man mindestens misstrauen sollte, wenn nicht gar Menschen, von denen man das Schlimmste annehmen sollte. Die Geschichte der deutschen Frauen ist nicht identisch mit der Geschichte der Frauen in anderen Ländern, das sollten wir endlich lernen und nicht das Kind mit dem Bade ausschütten. Stattdessen müssen wir genau hinschauen, jeden Einzelfall betrachten, über unseren eigenen kulturell geprägten Schatten springen und nur so helfen, wie es tatsächlich benötigt wird.
Es ist an der Zeit, sich auf das zu besinnen, was als einzige integrative Kraft wirken kann und muss: unsere Rechtsordnung. Die hat Prof. Mathias Rohe unnachahmlich knapp und treffend beschrieben: „Die deutsche Verfassung kennt keine fremde oder einheimische Religion. Das ist ja gerade der Charme des säkularen Staates, dass er keinen bevorzugt oder benachteiligt. Das ist der Grundsatz unseres Rechtes.“ Gleichzeitig weist er – schon zu Vor-Pegida-Zeiten – darauf hin, dass es zunehmend auch Gruppen aus der Mitte der Gesellschaft gibt, denen es nicht gefällt, wenn nach deutschem Recht gefällte Entscheidungen zugunsten muslimischer Parteien ausfallen. Er konstatiert eine auf Ängsten gründende Diskrepanz zwischen der bestehenden Rechtsordnung und der Wahrnehmung der Sachlage durch die Bevölkerung. Das ist der Punkt, an dem wir uns abarbeiten müssen. Wir dürfen es nicht dazu kommen lassen, dass irrationale Ängste und in einigen einflussreichen sozialen Medien geschürter Hass den Frieden unserer Gesellschaft bedrohen, indem sie die Spaltung in ein „Wir“ und „Ihr“ vorantreiben. Es ist Aufgabe der Politik, das zu verhindern und sich in der Argumentation dabei auf die deutsche Rechtsordnung zu beziehen. Deutschland bleibt nur dann ein Rechtsstaat und die Heimstatt aller Bürger, wenn politische Strömungen, die heute kommen und morgen (hoffentlich wieder) gehen, den Gesetzgeber und die Justiz nicht vor sich hertreiben können. Deshalb bedarf es bei der Berichterstattung deutlich größerer Sorgfalt, als beim Beschluss des OLG Bamberg geschehen. Damit würden uns in Zukunft reißerische Schlagzeilen, die keinen Informationswert haben, sondern lediglich populistischen Strömungen Vorschub leisten, erspart bleiben. Aktuell Meinung
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Wie alt war das Mädchen zum Zeitpunkt der Eheschließung?
„…über unseren eigenen kulturell geprägten Schatten springen…“
Es soll Gruppen geben die müde vom ständigen springen sein sollen und andere Gruppen, deren Schatten scheint unüberwindbar…
Auf deutscher Seite müsste man über ein Gesetz springen, auf muslimischer Seite müsste man tatsächlich nur über seinen kulturellen Schatten springen.
Über welchen Schatten musst eine Frau Gabriele Boos-Niazy bisher springen? Welche islamisch kulturellen Einschränkung hat man denn bisher akzeptieren müssen?
Das ist wieder so eine schöne Geschichte der angewendeten Doppelmoral. Die junge Frau war 14 Jahre jung als sie geheiratet hat. In vielen Teilen der Welt ist das ein erlaubtes Heiratsalter. So auch in einigen Bundesstaaten in den USA, dort dürfen die jungen Mädchen, wenn sie schwanger sind, zum Teil sogar ohne Altersbegrenzung heiraten. Das führt dazu, dass Mädchen, sobald sie geschlechtsreif sind, heiraten dürfen (und manchmal – z.B.: in christlich fundamentalen Kreisen – auch müssen).
Ich kann auch daran erinnern, dass es bei uns vor gar nicht so langer Zeit sehr üblich war mit dem Alter zu heiraten. Meine Mutter heiratete meinen Vater auch in ihrem 14. Lebensjahr, das war 1974, das Jahr meiner Geburt. Mein Vater war 18 Jahre. Die Heirat war der „Wunsch“ ihrer Eltern.
„Das ist der Punkt, an dem wir uns abarbeiten müssen.“ Dieser Funktionärssprech kommt mir sehr bekannt vor. In der DDR hieß das „ausdiskutieren“. Beide Fälle kamen und kommen auf das gleiche hinaus: einer, mit der ideologischen Rechtfertigung im Rücken, klopfte den anderen solange weich, bis dieser resignierend nachgab. Der Nachgebende war dann „überzeugt“ worden. Wenn, Ihrer Meinung nach, alles rechtens ist, woran müsste man sich denn da noch „abarbeiten“? Geht es darum, dem störrischen Bürger klar zu machen, dass er die Situation, so wie sie ist, nun einmal zu akzeptieren hat, mit einem Wort, er hat sein Maul zu halten? „Deutschland bleibt nur dann ein Rechtsstaat und die Heimstatt aller Bürger, wenn politische Strömungen, die heute kommen und morgen (hoffentlich wieder) gehen, den Gesetzgeber und die Justiz nicht vor sich hertreiben können.“ Da machen Sie sich mal keine falschen Hoffnungen. Politische Strömungen, die gestern kamen und auch noch übermorgen da sein werden, werden von Wählern getragen. Und wenn diese Wählerschaft stark genug sein wird, werden es auch die politischen Strömungen, die sie repräsentieren, sein. Und das wird dann auch auf die Ebene der Rechtsprechung durchschlagen, beispielsweise, um den Eiertanz deutscher Richter um orientalische Kinderehen zu beenden.
Nun ich war ebenfalls erstaunt/ geschockt als ich das erste Mal in der Presse von diesem Fall hörte. Es ist – und so stellt es sich auch dar – ein komplexes Thema. Schade finde ich am Schluss des obigen Artikels jedoch die Pauschalisierung (die der anderen Seite ja vorgeworfen wird. Warum ins gleiche verfallen?).
Natürlich sollten es wohl immer Einzelfallprüfungen werden – aber nun wie kann man schon feststellen, was jemand aus freien Stücken tut oder nicht tut (übrigens gibt es dieses Argument auch bei der Prostitution). Interessanterweise ist es – Kultur hin, Kultur her – ein Thema das wohl im Großen und Ganzen nur junge Frauen und Mädchen trifft!
Zum anderen – als nicht christlich-abendländischer Mensch, aber trotzdem von hier – finde ich es schade, dass ich schon wieder in diesen Topf geworfen werde. Als Feministin hat man es in diesen Tagen nicht leicht. Menschenrechte und Frauenrechte (hier bin ich mal pauschal!) sind eben noch immer weit von einander entfernt.