EuGH-Generalanwältin
Kopftuchverbot im Job generell zulässig
Eine Muslima wollte bei einer Firma in Belgien ihr Kopftuch tragen und wurde deshalb gekündigt. Jetzt fordert sie Schadenersatz, aber die Generalanwältin am Europäischen Gerichtshof stärkt der Firma den Rücken. Eine Entscheidung könnte auch Christen oder Atheisten treffen.
Mittwoch, 01.06.2016, 8:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 05.06.2016, 19:49 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Das Tragen des Kopftuches darf muslimischen Frauen am Arbeitsplatz nach Ansicht der Generalanwältin am Europäischen Gerichtshof grundsätzlich verboten werden. Ein Verbot könnte die Frauen zwar mittelbar religiös diskriminieren, räumte Generalanwältin Juliane Kokott am Dienstag in ihren Schlussanträgen zu einem aktuellen Fall aus Belgien ein. Dies sei aber zu rechtfertigen, wenn das Unternehmen damit eine „Unternehmenspolitik der religiösen und weltanschaulichen Neutralität“ durchsetzen wolle, wie es in den Schlussanträgen der deutschen Juristin an dem Luxemburger EU-Gericht heißt. (AZ: C-157/15)
In dem Fall ging es um eine Frau muslimischen Glaubens. Samira A. war bei einer belgischen Firma beschäftigt, die Sicherheits- und Rezeptionsdienste erbringt, wie der EuGH mitteilte. Samira A. hatte schon drei Jahre als Rezeptionistin für die Firma gearbeitet, als sie darauf bestand, künftig mit einem islamischen Kopftuch zur Arbeit zu kommen. Daraufhin wurde ihr gekündigt. Das Unternehmen berief sich auf eine Betriebsvorschrift, wonach das Tragen sichtbarer religiöser, politischer und philosophischer Zeichen bei der Arbeit generell verboten sei, wie das Gericht weiter erklärte.
Verbot treffe Frau nicht als Muslima
Die Frau verklagte die Firma auf Schadenersatz. Nach einem Rechtsstreit durch mehrere Instanzen landete der Fall beim belgischen Kassationshof. Dieser wandte sich an den EuGH, damit das EU-Gericht das Verbot religiöser Diskriminierung konkretisiert. Denn dieses ist in einem EU-Gesetz aus dem Jahr 2000 verbrieft.
Die Generalanwältin prüft in den Schlussanträgen unter anderem, ob das Verbot die Frau direkt als Muslima trifft. Dies sei der fraglichen Betriebsvorschrift zufolge nicht der Fall. Denn diese könnte zum Beispiel „genauso gut den männlichen Arbeitnehmer jüdischen Glaubens treffen, der mit einer Kippa zur Arbeit erscheint“, oder die Christen, „die sich ein deutlich sichtbares Kreuz umhängen oder ein T-Shirt mit der Aufschrift ‚Jesus is great‘ zur Arbeit anziehen wollen“.
Generalanwältin: Keine unmittelbare religiöse Diskriminierung
Darüber hinaus verbiete die Betriebsregelung auch Zeichen nichtreligiöser Weltanschauungen oder politischer Zugehörigkeit und treffe so zum Beispiel auch überzeugte Atheisten. „Was bleibt, ist also im vorliegenden Fall allein eine Ungleichbehandlung zwischen Arbeitnehmern, die eine bestimmte Überzeugung – sei sie religiöser, politischer oder philosophischer Natur – aktiv zum Ausdruck bringen wollen, und ihren Kollegen, die dieses Bedürfnis nicht verspüren.“ Darin liege aber keine unmittelbare religiöse Diskriminierung, argumentiert die deutsche Juristin. Ganz anders läge der Fall, wenn das Verbot zum Beispiel auf Vorurteilen gegenüber Muslimen oder religiösen Menschen generell beruhte. Dafür gebe es aber keine Anhaltspunkte.
Die Schlussanträge der Generalanwältin sind noch kein Urteil. Dieses folgt erst später, gewöhnlich im Abstand von einigen Monaten. Die Generalanwältin hat mit den Schlussanträgen den Auftrag, dem EuGH in völliger Unabhängigkeit einen Entscheidungsvorschlag zu machen, dem dieser dann häufig folgt.
Letztlich hat dann im Lichte des EuGH-Urteils die belgische Justiz über den Fall zu entscheiden. Diese muss dabei die Umstände genau berücksichtigen, hieß es in der Mitteilung des EuGH. Zu den Umständen zählten die „Auffälligkeit des religiösen Zeichens“ der Muslima, ihre genaue Tätigkeit bei der Firma und die „nationale Identität Belgiens“. (epd/mig) Aktuell Recht
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