Islam im Fernsehen

Böse Absicht, Unfähigkeit oder Mangel an Alternativen?

Polit-Talkshows im Fernsehen sind bei vielen Muslimen unbeliebt: immer dieselben Gäste, dieselben Fragen und Vorurteile. Den Machern wird böse Absicht unterstellt. Doch wie entstehen solche Sendungen? Wer bestimmt die Gäste und wonach? Von Canan Topçu

Von Mittwoch, 28.01.2015, 20:45 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 03.02.2015, 21:45 Uhr Lesedauer: 7 Minuten  |  

Auf die Nachricht aus Paris reagierte die Redaktion von „Hart, aber fair“ sehr schnell. Keine zwölf Stunden nach dem Attentat auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ widmete sich Frank Plasberg in einer Sondersendung der Frage: „Islamistischer Terror in Paris – Europas Freiheit in Gefahr?“ Eine von vier Gesprächspartnern, die eilig eingeladen wurden, war Lamya Kaddor. Die Islamwissenschaftlerin und Religionspädagogin ist immer wieder zu Gast bei Plasberg.

Sechs Tage nach dem Attentat in Paris und sechs Tage nach dem Talk im Ersten ist die wortgewandte Muslima erneut im Fernsehen. Diesmal sitzt sie bei Maybrit Ilner im ZDF, diesmal geht es um die Frage „Krieg der Islamisten – Hilflos gegen den Terror?“. Kaddor ist Vorsitzende des Liberal Islamischen Bunds, den sie vor einigen Jahren gegründet hat, und sie ist zu einer gefragten Gesprächspartnerin für Politik sowie für Funk und Fernsehen avanciert.

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Gäste müssen Schema der Sendung bedienen

Es sind zumeist sehr kurzfristige Anfragen, die Kaddor von den Redaktionen erhält. „Bevor ich zusage, gehe ich in mich und überlege, ob es Sinn macht, an der jeweiligen Sendung teilzunehmen.“ Sie sehe sich in einer Vermittlerposition zwischen der Mehrheitsgesellschaft und der muslimischen Community; sie wisse, dass es nicht „die“ Muslime gebe.

Kurzfristig sind die Anfragen, weil sich die Talk-Sendungen an Aktualität orientieren; die Aktualität wiederum bringt es mit sich, dass es kaum einen Tag gibt, an dem im deutschen Fernsehen nicht über Muslime, Islam und islamistischen Extremismus diskutiert wird. Regelmäßigen Zuschauern dieser TV-Talks sind die Gäste vertraut. Es sind einige wenige Muslime, die immer wieder in diese Runden eingeladen werden. Derzeit gehört Kaddor zu diesen Gästen – wie auch Aiman Mazyek vom Zentralrat der Muslime Deutschland (ZMD).

Ein relativ neues Gesicht ist Khoala Maryam Hübsch, eine Kopftuch tragende Journalistin, die ein Buch namens „Unter dem Schleier die Freiheit“ veröffentlicht hat. Sie bediene – wie auch andere Gäste – das Schema der TV-Talk-Sendungen, erklärt Thomas Hestermann. „Die Gäste müssen eine Etikette haben – etwa ein Amt oder eine bestimmte Funktion oder ein Buch geschrieben haben, gut auftreten können und eine klare Position vertreten.“

Das nervt

Hestermann ist Journalismus-Professor an der privaten Hochschule Macromedia, war Moderator beim NDR-Hörfunk und Redaktionsleiter der Talkreihe Tacheles, die von 1999 bis 2014 auf Phoenix lief. Der Journalismus bilde sich auch immer selbst ab, sagt er. „Wenn jemand in einer Talk-Sendung eine furiose Position übernommen und gut geredet hat, dann wird er wieder eingeladen – auch von anderen Redaktionen.“

Verständlich also, dass KRM-Vorsitzender Aiman Mazyek, der ein eloquenter Redner ist, immer wieder in TV-Talksendungen aufritt. Die mediale Präsenz von Mazyek, Kaddor und einiger anderer muslimischer Talk-Gäste sorgt aber unter Muslimen für Missmut. Dass Kaddor als „die“ Stimme der liberalen Muslime präsentiert wird; dass Mazyek als „der“ Sprecher der Muslime in Deutschland präsentiert wird, obwohl er den kleinsten Islam-Verband repräsentiert; dass Hübsch als Mitglied der Ahmadija-Gemeinde als „Vorzeigemuslima mit Kopftuch“ instrumentalisiert wird: das nervt so manchen.

Für Verstimmung sorgen auch Gäste mit biografischen Bezügen zum Islam, die aber keine Kenntnisse über diese Religion haben, aber die Chuzpe besitzen, sich zu theologischen Fragen zu äußern. Es gibt aber auch die, die in TV-Sendungen weder die „Muslim-Rolle“ spielen noch als Islam-Experte auftreten wollen – wie etwa der aus Ägypten stammende Politikwissenschaftler und Dokumentarfilmer Asiem El Difraoui, der unlängst Gast bei „Westart“ im WDR-Fernsehen und bei „Markus Lanz“ im ZDF war.

Sendung mit Heiß-Kalt-Muster

Er nimmt Einladungen zwar an, verbittet sich aber, in den Sendungen zu seinem persönlichen Verhältnis zum Islam oder zu „den Muslimen“, die es in der pauschalen Form gar nicht gebe, befragt zu werden. „Ich möchte als Experte für bestimmte gesellschaftliche und politische Fragestellungen zu Wort kommen und nicht als Vertreter einer von den Medien geschaffenen imaginären Religionsgemeinschaft, die Vielfältigkeit einer Weltreligion ignoriert“, betont El Difraoui, der in Paris am Institut d’études politiques (Sciences Po.) zu Deradikalisierung und Prävention des Dschihadismus forscht.

Den Machern der Talk-Sendungen wird immer wieder „böse Absicht“ unterstellt. Oft würden den muslimischen Gästen suggestive Fragen gestellt und sie in die Ecke gedrängt. Überhaupt, die Gästeauswahl: Viele fühlen sich über die, die da sprechen, sei als Verbandsvertreter oder als prominenter Muslim, nicht vertreten. Es gehe bei der Auswahl der Talk-Sendungen nicht vorrangig darum, für wie viele Menschen die jeweiligen Gäste sprächen und welche Gruppen sie repräsentierten. Feuilleton Leitartikel

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  1. Magistrat sagt:

    Mit dem letzten Satz hat Kaddor schon Recht. Aber eine wirkliche Veränderung kann es nicht geben, solange in den Fernsehgremien alle möglichen Vertreter sind – außer muslimische. Im Übrigen gibt es aber durchaus gute Muslimische Redner, die aber sicherlich bewusst gemieden werden. Es muss ja polarisiert werden…

  2. Mike sagt:

    Magistrat: Warum sollte bei der Besetzung von Gremien die Religion eine Rolle spielen?

  3. Arne Bungeroth sagt:

    Wikipedia: Der Rundfunkrat setzt sich aus Mitgliedern verschiedener gesellschaftlicher Gruppierungen und Organisationen zusammen, zumeist vertreten durch Funktionäre (z. B. der Gewerkschaften, Frauenverbände, Kirchen und Fraktionen). Der Rundfunkrat soll einen Querschnitt der Bevölkerung abbilden.

    Ich würde Mike durchaus Recht geben, wenn es denn nicht schon so wäre, dass Religiöse VertreterInnen Einfluss ausüben. Und wenn der letzte Satz aus Wikipedia zutrifft, müssten ja auch bald muslimische VertreterInnen dabei sein…

  4. Stepper sagt:

    erst zu Mike: Fragen Sie das ihren Bundestagsabgeordneten (einfach mal in Gesetz und RFunk Staatsvertrag schauen).

    zum Thema. Die Sendungen finden nicht ohne Grund statt. Es werden Gesellschaftliche Spannungen abgeleitet aber auch erzeugt. Die Anzahl solcher Formate wurde auch nicht ohne Grund in den letzten Jahren erhöht. Oft sitzen auf den Stühlen also „Blitzableiter“ für die große Politik – teils freiwillig und naiv, teils eher unfreiwillig (Verbandsvertreter). Von dem her empfehle ich eine Trennung: Wer sich als Mittel zur Verfügung stellt um Ur-deutsche GroßäÄngste auszulösen (die Fremden) oder aufzulösen (Kompetenz von Medien und Politik), wer das undankbare Spiel also mitspielt, soll dies konsequenter Weise in seiner Rolle als Deutscher Bürger auf Basis seiner soziologischen Erkenntnisse in seiner Gesellschaft tun. Theologische Fragen sind dann Tabu und in einer extra Sendung dazu können ohne weiteres Großgelehrte diskutieren, falls das Thema Religion also wirklich interessiert und nicht nur instrumentalisiert wird um auf einem ganz anderen Feld Wirkungen zu erzielen. Dabei sollte man auf theologische Anwürfe natürlich nicht einfach verstummen oder verschämt herumdrucksen, aber man muss dort schon nicht Platz nehmen, wenn das Thema nicht klar ist. Die Wirkung vergangener Sendungskonzepte zeigen sich heute in der gesellschaftlichen Stimmung. Sendungen die die Theologie für größere Gesellschaftliche Spannungen instrumentalisieren verdienen einen lückenlosen öffentlichen Boykott. Und nichts wird einem genommen, wenn man die Verwirrung anderer nicht zu seinem Problem macht.

  5. Annette-Kolb-Leser sagt:

    @Stepper Die „Fremden“ sind nicht das Problem, sondern die Verteilungskämpfe, die damit – tatsächlich oder imaginär – verbunden sind. Solange sich die Medien in einer Scheinsachlichkeit wohlgefallen – Zahlen nennt man ja aus Prinzip nicht – ist jede Diskussion sinnlos.

  6. Johan sagt:

    @Magistrat

    Ich empfand die Gästeliste der Talkshows bisher auch eher als eine Zumutung. Frau Hübsch geht mir dabei besonders gegen den Strich, da Ihre Hauptaufgabe darin zu bestehen scheint, die Verhüllung (selbst Burkas etc.) als Emanzipation der Frau zu verkaufen, wobei genau das Gegenteil der Fall ist.
    Zu glauben, dass alleine die Besetzung des Rundfunkrates mit einem Muslim alles verändern könnte ist illusorisch. Als ob alle Muslime die gleiche Meinung vertreten. Die heftigsten antimuslimischen Äusserungen die ich bis heute zu hören bekam, kamen von Muslimen selbst!

  7. Magistrat sagt:

    @Johan

    „Die heftigsten antimuslimischen Äusserungen die ich bis heute zu hören bekam, kamen von Muslimen selbst!“

    Sie meinen wohl die muslimischen Mogelpackungen, à la Kelek, Abdelsamed oder Korschid? Sorry, aber die haben mit dem Islam so viel gemein, wie die Schwarzer mit der römisch-katholischen Kirche…

  8. Magistrat sagt:

    @Johan

    „…da Ihre Hauptaufgabe darin zu bestehen scheint, die Verhüllung (selbst Burkas etc.) als Emanzipation der Frau zu verkaufen, wobei genau das Gegenteil der Fall ist.“

    Warum sind Sie sich da so sicher? Überlassen Sie diese Beurteilung doch lieber den „Verhüllten“ selbst.

  9. @Annette-Kolb-Leser: Medien nennen aus Prinzip keine Zahlen? Da gibt es zahl-lose Gegenbeispiele, z.B. vom ZDF Fakten zu Muslimen in Deutschland, vielfach diskutiert: https://www.facebook.com/video.php?v=767824136626551&pnref=story

  10. @Magistrat: Künftig wird zumindest ein muslimischer Vertreter im ZDF-Fernsehrat sitzen, das sieht jedenfalls der Entwurf zur Staatsvertragsnovelle vor.

    Aber welche muslimischen Vertreter werden angeblich bewusst gemieden? Ich habe jahrelang eine Talkshowredaktion geleitet (wie im Artikel beschrieben), wir haben händeringend nach neuen Gesichtern gesucht. Aber es gibt leider viele muslimische Intellektuelle, Schauspieler, Literaten etc., die wollen nicht als Islam-Vertreter auftauchen. An Mangel an Nachfrage liegt es nicht.