Flüchtlingsunterkünfte

Städte überfordert. Verfehlte Planung?

Immer mehr Städte klagen über überfüllte Flüchtlingsunterkünfte und schließen überfüllte Aufnahmeeinrichtungen. Menschenrechtler werfen den Städten verfehlte Planung vor. Steigende Flüchtlingszahlen seien absehbar gewesen. Sie warnen: große Lager weckten Ängste.

Von Michael Bosse Freitag, 29.08.2014, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 03.09.2014, 21:42 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

Zwanzig Zelte mit gut 150 Schlafplätzen auf dem Ascheplatz eines Sportvereins – dieses Asyl-Zeltlager ist wohl die aufsehenerregendste Maßnahme einer Kommune in Deutschland, um mit den deutlich gestiegenen Flüchtlingszahlen fertig zu werden. Auch wenn die Zelte nach massiver öffentlicher Kritik nun wohl doch nicht von den Flüchtlingen bezogen werden, die unter anderem aus Syrien und Afghanistan stammen.

In einer ähnlichen Problemlage wie Duisburg befinden sich auch andere große Städte in Nordrhein-Westfalen und andernorts. Sie klagen über überfüllte Unterkünfte, mieten Hotelzimmer an oder stellen ausgediente Schulen zur Verfügung. In der bayerischen Erstaufnahmeeinrichtung in Zirndorf etwa wurde Aufnahmestopp verhängt. Trotz eigens aufgestellten Mannschaftszelten sei dort nun auch kein Platz mehr mit gegenwärtig mehr als 1.600 Flüchtlingen. Offiziell hat die Erstaufnahmeeinrichtung etwa 650 Plätze.

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Katastrophale Folgen
„Die Folgen für die Asylsuchenden sind katastrophal“, sagte Mähner. Die Unterbringung der Flüchtlinge in beheizten Zelten seit Montag habe „dramatische Folgen für die sanitären und sozialen Wohnverhältnisse“. Mitarbeiter der Diakonie berichteten, dass gerade die Schutzbedürftigsten und Schwächsten am meisten unter der enormen Überfüllung leiden: Kranke, Menschen mit Behinderung, Familien mit Kindern. Wie lange der Aufnahmestopp in Zirndorf dauere, könne man derzeit nicht abschätzen, sagte eine Sprecherin des Sozialministeriums.

Ähnlich sieht es in Köln aus. Dort wurden Ende Juli fast 3.900 Flüchtlinge gezählt. Die Unterkünfte seien „annähend ausgeschöpft“, erklärte die Stadtverwaltung. Fast tausend Menschen seien in Hotels untergebracht, es sei weiter „mit hohen Zugangszahlen zu rechnen“. Diese Einschätzung teilt das Düsseldorfer Innenministerium. In den ersten sieben Monaten dieses Jahres seien mehr als 18.000 Flüchtlinge ins bevölkerungsreichste Bundesland gekommen, sagte ein Sprecher. Allein im Juli waren es knapp 3.500 Menschen – 80 Prozent mehr als im Juli 2013. Das Bundesinnenministerium rechnet für dieses Jahr mit bis zu 200.000 Flüchtlingen, die nach Deutschland kommen – gut 70.000 mehr als 2013.

Verteilung nach dem Königssteiner Schlüssel
Die meisten von ihnen werden hier auch Asyl beantragen. Nach dem sogenannten Königssteiner Schlüssel muss Nordrhein-Westfalen 21,2 Prozent von ihnen aufnehmen, das Flüchtlingsaufnahmegesetz definiert die Unterbringung als Pflichtaufgabe der Kommunen. Bei den prognostizierten Zahlen wären das mehr als 42.000 Flüchtlinge, die dieses Jahr in den Städten und Gemeinden in NRW untergebracht werden müssen.

Zunächst beherbergt das Land die Neuankömmlinge in den Erstaufnahmeeinrichtungen in Bielefeld und Dortmund. Von dort kommen sie in die zentralen Unterbringungseinrichtungen des Landes in Schöppingen, Neuss, Hemer und Wickede-Wimbern. Hinzu kommen Entlastungsunterkünfte in vier weiteren Kommunen. In einer dritten Etappe werden die Flüchtlinge dann auf die Städte und Gemeinden verteilt. Ziel ist eine möglichst dezentrale Unterbringung. Laut dem Ministerium stammt die Mehrheit der derzeit ankommenden Flüchtlinge aus Syrien.

Kommunen überfordert
Eine Stadt wie Bielefeld profitiert davon, dass auf ihrem Gebiet auch die Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge liegt. Die dort untergebrachten Menschen werden auf die zu erfüllende Gesamtquote der Kommune angerechnet. Auch die Stadt Essen prüft derzeit, einen Standort für eine Erstaufnahmeeinrichtung auszuweisen.

Nach Ansicht des Flüchtlingsrats NRW sind viele Kommunen mit der Entwicklung überfordert. Es sei absehbar gewesen, dass in diesem Jahr die Zahl der Flüchtlinge steigen würde, sagt Referentin Antonia Kreul. In vielen Unterkünften seien die Zimmer überbelegt, eine Privatsphäre für die untergebrachten Menschen sei nicht gegeben. Ein erschreckendes Beispiel für eine „totale Überforderung“ sei die Duisburger Zeltstadt.

Verfehlte Planung
Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl sieht das ähnlich. Sie wirft Bund, Ländern und Gemeinden eine verfehlte Flüchtlingspolitik vor. „Es gibt auf keiner Ebene ein vorausschauendes Konzept“, kritisiert Geschäftsführer Günter Burkhardt im Kölner Stadt-Anzeiger (Mittwochsausgabe). So seien jetzt Unterkünfte knapp, obwohl „angesichts der überall explodierenden Konfliktherde absehbar“ gewesen sei, dass die Asylbewerberzahlen steigen. „Aber die Planungen für die Flüchtlingsaufnahme haben sich weiter an den Tiefstständen orientiert.“

Der Städte- und Gemeindebund NRW wehrt sich gegen die Vorwürfe. Es sei schwierig, Flüchtlingsströme zu prognostizieren, sagt Sprecher Martin Lehrer. Die Kommunen könnten es sich gerade in Zeiten klammer Kassen nicht erlauben, Unterkünfte vorausschauend und „auf Vorrat“ bereitzustellen. Es sei nicht immer einfach, den richtigen Standort für eine Unterkunft zu finden: Mitunter gebe es Anwohnerproteste, außerdem müsse Planungsrecht eingehalten werden. Leitartikel Politik

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  1. Arne sagt:

    Was heißt hier „verfehlte“ Planung? Überhaupt keine Planung, das wäre wohl richtiger. Das gilt für die gesamte Einwanderungspolitik. Kommunen sind nicht dazu da, Flüchtlingspolitik zu betreiben. Das können sie auch nicht, weder administrativ noch rechtlich. Sie haben keine ernstzunehmende Handhabe um den Regelungen des Bundes entgegenzutreten. Darum ist es sinnlos, wenn man ihnen einen Vorwurf macht. Wenn von oben nur verordnet wird, kann unten doch nur Salat rauskommen. Wie wäre es, wenn der Bund die gesamte Finanzierung der Zuwanderung und der Asylkosten in Eigenregie übernimmt? Wer etwas will, soll dafür Verantwortung dafür übernehmen. Er soll nicht andere dafür verantwortlich machen. Wenn der Bund Asylantenunterkünfte baut, dann funktioniert das. Der Bund hat genügend Geld.

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